Frau Dannel, die Vorbereitungen zum zweiten bundesweiten Mitzvah Day sind angelaufen. Wie ist der Stand der Dinge?
Die Teilnehmer des vergangenen Jahres sind fast alle wieder dabei. Manche wiederholen die Projekte vom vorigen Jahr, andere haben ganz neue Ideen. Wir hoffen natürlich, dass weitere jüdische Gemeinden, jüdische Einrichtungen, jüdische Gruppen dazukommen. Das sieht derzeit sehr gut aus. Flensburg, Trier und Bielefeld sind erstmals dabei.
Wie haben diese neuen Gemeinden vom Mitzvah Day erfahren?
Einige hatten sich 2013 einfach zu spät gemeldet. Wir haben im Nachhinein erfahren, dass Gemeinden mitmachten, ohne sich angemeldet zu haben und ohne dann auch unsere Shirts tragen zu können. Die hellgrünen T-Shirts sind so etwas wie ein Symbol des gemeinsamen Auftretens. Sie vermitteln den Gruppen noch mehr Power, noch mehr Dynamik.
Wie machen Sie auf die Aktionen aufmerksam?
Wir haben über die Facebook-Seite vom Mitzvah Day, aber auch über den Zentralrat sowie Mailings geworben. Ich denke, inzwischen weiß jeder, was der Mitzvah Day ist. Bei der Jewrovision sprachen mich junge Leute an. Sie hatten zwar noch nicht mitgemacht, aber sie wussten alle, was der Mitzvah Day ist. Zu Limmud hatte ich einen Workshop zu diesem Thema angeboten. Er war nicht so gut besucht, weil alle schon Bescheid wussten.
Wer macht denn zum wiederholten Mal mit?
Das Studienwerk ELES hat sich wieder angemeldet, in allen Regionalgruppen etwas zu machen, und auch die Jugendzentren. Im kommenden Jahr hat ja die Jewrovision das Motto: »Make a difference«. Und so wollen sich die Jugendzentren auch schon einmal zeigen und beim Mitzvah Day in diesem Sinne wirken.
Das ist ja auch eine logistische Herausforderung, allein das Material und die Shirts zu verpacken.
Die 500 Shirts haben 2013 nicht gereicht. Überraschend waren noch fast alle jüdischen Schulen hinzugekommen, mit denen hatten wir gar nicht gerechnet. Es kamen also plötzlich Bestellungen für 400 T-Shirts auf uns zu, die wir dann leider nicht mehr bedienen konnten. Das machte aber nichts. Wenn ein Lehrer oder ein Madrich ein solches T-Shirt trug, reichte das.
Die Projektvorschläge von Mitzvah Day richten sich sowohl direkt an spezielle Gruppen wie Jugendliche oder Senioren, andere sind für alle Altersstufen geeignet. Was ist im vergangenen Jahr am besten angekommen?
Besonders beliebt war »Sonnenschein für Senioren«. Dabei hatten wir viele Begegnungen der Generationen im Sinne von »Le Dor va Dor« (von Generation zu Generation). Wir hatten aber auch viele Senioren, die für andere gebastelt oder kranke und einsame Menschen besucht haben. Mitglieder der Gemeinde Lörrach haben beispielsweise fast komplett ein Seniorenheim in Basel einen Tag lang unterhalten. In diesem Jahr will Beit Debora im Künstleratelier für jüdische Behinderte von der ZWST, Omanut, Regale aufbauen.
Und die jüngeren Leute?
Viele 18- bis 30-Jährige machen mit, Studenten und Jugendzentren. Zum Schmitta-Jahr 5775 wollen wir speziell Lebensmittelaktionen unterstützen und auf die Schwächsten in unserer Gesellschaft hinweisen. Wir haben in diesem Jahr zwei neue Partner in Israel, das ist einmal die Hilfsorganisation Meir Panim. Die haben wir mit dem Jüdischen Gymnasium Moses Mendelssohn in Berlin zusammengebracht, sodass die Schüler hier für die Gleichaltrigen in Kiriat Malachi Chanukkakarten basteln und Päckchen packen. Der zweite neue Partner in Israel ist »Safe a Child’s Heart«, der sich weltweit für die Herztransplantation bei Kindern engagiert. Die kleinen Patienten sollen Genesungskarten erhalten. Eine Gruppe von israelischen Pfadfindern will in Berlin ein Kind besuchen. Das Touro-College haben wir mit einem nichtjüdischen Altersheim auf dem Ku’damm zusammengebracht, das sich bei uns gemeldet hatte.
Entwickeln die Akteure auch selbst Ideen?
Wir unterstützen nur dann, wenn wir auch gefragt werden. Als Zentralrat können wir manchmal per Telefon Kontakte schneller herstellen. Wir sind gerade dabei, Büros anzusprechen mit der Idee »Give Away Your Lunch«. Das bedeutet, eine Woche vor dem 16. November sein Mittagessen oder seine Lebensmittel einer Sammeleinrichtung zu spenden. Außerdem möchten wir Inklusionsprojekte mit Behinderten stärker fördern. Wir haben in diesem Jahr auch eine Partnerschaft mit der DKMS, der Deutschen Knochenmarkspenderdatei. In den nächsten Tagen werden wir den Aufruf starten, dass man den Mitzvah Day mit der Registrierung für die Stammzellspenden an Blutkrebspatienten koppelt.
Es handelt sich beim Mitzvah Day um eine jüdische Initiative, die aber sehr wohl auch nichtjüdischen Menschen zugutekommt?
Er basiert auf den jüdischen Werten, Tikkun Olam (Verbesserung der Welt), Tzedek (Gerechtigkeit) und Gemilut Chassidim (Mildtätigkeit). Wir wollen Freiwillige ansprechen – es können jüdische Menschen sein oder auch nichtjüdische, es sollte nur eine jüdische Einrichtung beteiligt sein –, an einem Tag ihre Zeit zu spenden. Im vergangenen Jahr hatte die liberale Gemeinde Hannover für eine Tafeleinrichtung in ihrer Nachbarschaft gesammelt.
Wie steht es um die Nachhaltigkeit der angeschobenen Projekte?
Es gibt in der Tat einige Gruppen, die einen regelmäßigen Rhythmus gefunden haben, zum Beispiel in Mannheim. Dort gibt es eine Agentur für jüdische Kulturvermittlung. Die hatte am Mitzvah Day 2013 eine Beratung für syrische Kriegsflüchtlinge begonnen und hat das inzwischen zweimal wiederholt. Das Wiesbadener Jugendzentrum Oz hat mit der Lebenshilfe zusammengearbeitet und schwerst geistig Behinderten die Wohnung neu tapeziert und eingerichtet. Später haben sie zum Kabbalat Schabbat zum Kiddusch eingeladen. Und wir hatten zu Pessach die Aktion, Chametz zu spenden, um durch das Jahr hindurch den Gedanken auf den Mitzvah Day zu erhalten. Die jüdische Schule Beis Zion in Berlin will zu Tu Bischwat und Purim noch einmal ins Seniorenheim gehen.
Kann man sagen, dass sich nicht nur die großen Gemeinden am Mitzvah Day beteiligen?
Das Beispiel Lörrach und auch Emmendingen, die mit zwei sehr schönen Projekten dabei waren, zeigte, dass die kleinen Gemeinden den Tag für sich entdeckt und gesehen haben, dass es Spaß macht, gemeinsam etwas Sinnvolles auf die Beine zu stellen. Den Spaß hat man vor allem auch auf den Fotos gesehen.
Das heißt, der Mitzvah Day stärkt auch die jüdische Gemeinschaft?
Unbedingt. Ich hatte hier in Berlin eine Mutter von drei Mädchen, Drillinge, die hatten ihre Batmizwa, und seitdem gingen sie nicht mehr in die Synagoge. Aber am Mitzvah Day waren sie alle drei im Asylbewerberheim und haben dort mitgeholfen. Das fanden sie gut. Wir haben Briefe erhalten, die begeistert von den Aktionen berichteten, und dass die Leute Menschen kennengelernt haben, denen sie sonst nie begegnet wären.
Und was wünscht sich das Team vom Mitzvah Day?
Unser Ziel ist, dass die ganze jüdische Gemeinschaft weiß, was der Mitzvah Day macht, und überall auch Aktionen an diesem Tag stattfinden. Des Weiteren möchten wir auch in der nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft wirken und Werte wie Mizwot, Gemilut Chassidim, Tikkun Olam und Tzedek bekannt machen. Dass man weiß: Der Mitzvah Day ist eine jüdische Einrichtung, ist etabliert und bekannt. Wir wollen zeigen: Juden setzen sich für die Gesellschaft ein.
Mit der Initiatorin des Mitzvah Day Deutschland beim Zentralrat der Juden sprach Heide Sobotka.
Mitzvah Day
Wer mitmachen möchte, kann über die Zentralratsseite den Button Mitzvah Day anklicken oder sich direkt über mitzvah-day.de oder Facebook melden, anrufen oder eine Mail an mitzvahday@zentralratderjuden.de schreiben. Anmeldungen werden bis zum letzten Tag angenommen. Es gibt auch noch einige offene Projekte, für die Akteure vermittelt werden können. Alle, die mitmachen, erhalten umgehend T-Shirts, Wimpel, Aufkleber, Luftballons, Regencapes und Babylätzchen mit dem Mitzvah-Day-Logo zugeschickt sowie anschließend eine Teilnehmerurkunde. Man kann auch in seinem Freundeskreis für Aktionen des Mitzvah Day werben.