Boris Goldberg ist 20 Jahre alt und lebt in Berlin. Sein Vater ist langjähriges Mitglied der jüdischen Gemeinde. Seine Mutter ist nichtjüdisch. Paul studiert Politikwissenschaft an der FU und hat einen großen Freundeskreis, zu dem Juden, Muslime und Christen gehören. Zu Hause halten die Goldbergs viele jüdische Gesetze ein. Kaschrut und Schabbat werden schon seit mehreren Jahren in der Familie groß geschrieben. »Ich bete dreimal am Tag und versuche, zwischen den Vorlesungen Tora zu lernen«, erzählt Boris. Ich fühle mich als Jude, bin aber keiner – das möchte ich ändern.« Das neue Programm der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) komme ihm daher sehr gelegen.
projektpartner Im November startet die ORD ein neues bundesweites Angebot. Es entstand in enger Kooperation mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland, der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden und dem Oberrabbinat des Staates Israel und richtet sich an junge Erwachsene im Alter zwischen 18 und 35 Jahren, die nur einen jüdischen Vater haben und halachisch als Nichtjuden gelten. Mit diesem Projekt reagiert die Rabbinerkonferenz auf die große Anzahl vieler junger Erwachsener, die als jüdische Kontigentflüchtlinge nach Deutschland kamen, da sie als Juden in der ehemaligen Sowjetunion diskriminiert wurden. In Deutschland konnten sie keiner jüdischen Gemeinde beitreten, weil sie häufig keine jüdische Mutter hatten, darunter Jugendliche wie Boris Goldberg.
Gerade ihnen soll jetzt geholfen werden. Begleitet von Rabbinern, Dozenten und Lehrbeauftragten auf den Gebieten der jüdischen Geschichte und Kultur, sollen die Teilnehmer, im Rahmen von Blockseminaren im Max-Willner-Heim in Bad Sobernheim auf die Konversion vorbereitet werden. Rabbiner Jaron Engelmayer, Vorstandsmitglied der ORD, unterstreicht die Funktion des Angebotes: »Es richtet sich exklusiv an junge Erwachsene. Die Teilnahme an dem Projekt garantiert jedoch nicht den Übertritt. Das Seminar dient eher als grundlegende Vorbereitung auf den eigentlichen Übertritt.« Dieser hinge untrennbar mit dem bewusst geführten jüdischen Lebensstil der Seminarteilnehmer ab. Rabbiner Avichai Apel, ebenfalls Vorstandsmitglied der ORD, erklärt den Ablauf des Programms: »Die Seminare werden alles in allem etwa 15 Monate dauern. An zehn Wochenenden werden sich die Teilnehmer für jeweils vier Tage zum gemeinsamen Lernen treffen.« Ein Besuch in Israel ist ebenfalls eingeplant. Dabei sollen die Teilnehmer zwei Wochen lang in religiöser Umgebung leben und die jüdische Geschichte und Kultur hautnah kennenlernen.
Dauer »Wenn wir spüren, dass ein Teilnehmer für den eigentlichen Übertritt bereit ist, wird ein individuelles Treffen mit Dajanim vereinbart.« Bei entsprechendem Interesse, Einsatz und Motivation könne der gesamte Konversionsprozess zwei Jahre dauern. »Diese Angaben sind natürlich ohne Gewähr«, betont Apel. »Sie hängen unmittelbar von der Bereitschaft des Teilnehmers ab, das Judentum im Alltag zu praktizieren.«
Die Seminare beginnen voraussichtlich schon Anfang November und können maximal 35 Personen aufnehmen. Auch für Boris Goldberg läuft jetzt der Countdown. Er muss seine Bewerbung per Post einreichen und seine Beweggründe auf einer Seite kurz beschreiben. Dann fehlen noch eine Kopie des Personalausweises, ein Lebenslauf, der ebenfalls auf einer Seite zusammengefasst wird und zwei Passfotos.
Die Bescheinigung der Gemeinde, der sein Vater angehört, hat er schon, nun fehlt noch das Empfehlungsschreiben eines orthodoxen Rabbiners. In Berlin, wo es mehrere Rabbiner gibt, ist das etwas einfacher als in anderen Orten. »Für den Fall, dass es am Heimatsort keinen orthodoxen Rabbiner gibt, wird der Fall individuell von der ORD geprüft. Entscheidend ist auch das abschließende Gespräch, zu dem die ORD den Kandidaten einlädt.
Boris freut sich über diese Unterstützung seines lang gehegten Wunsches. Andere, die in der Vergangenheit bereits einen Übertritt zum Judentum bei der Orthodoxen Rabbinerkonferenz vollzogen haben, bezeichnen die neue Variante als »Giur-Light«. Er sei wie eine Art Fernstudium angelegt, kritisieren sie.
Anerkennung Davon könne nicht die Rede sein, sagt Rabbiner Engelmayer. »Der Giur ist genau derselbe wie jeder andere Giur der ORD bisher auch: Der Kandidat wird vom Bet Din geprüft, bis er nach denselben Kriterien für würdig und geeignet empfunden wird, und wenn der Übertritt dann erfolgt, dann mit der Zustimmung und dem Stempel sowohl der ORD als auch des Oberrabbinates Israel. Der Unterschied zu den bisherigen Möglichkeiten bestehe lediglich darin, dass die zu einem Giur notwendige Wissensvermittlung für die Kandidaten besser organisiert und somit vereinfacht sein werde, so Engelmayer. Die Ernsthaftigkeit des Übertrittswillens werde sehr eingehend geprüft. Die moderne Kommunikationstechnik erleichtere lediglich den Zugang. Auch Boris Goldberg hat sich im Internet über alles Wissenswerte informiert. Seine Briefe sind geschrieben. Für ihn könnte es endlich losgehen.
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