Ein jüdischer Mann soll in Berlin-Charlottenburg von zwei Unbekannten attackiert worden sein. Die Polizei geht von einem antisemitischen Hintergrund aus, wie ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch sagte. Der für politische Straftaten zuständige Staatsschutz ermittele wegen Hasskriminalität.
Wie die Polizei weiter mitteilte, war der 55-Jährige wegen seiner Kleidung als Jude erkennbar gewesen und am Dienstag am Stuttgarter Platz von hinten zu Boden gestoßen worden. Anschließend seien die Angreifer geflüchtet. Wegen Schmerzen am Kopf und in den Beinen musste er später im Krankenhaus behandelt werden.
Das Opfer ist Vorstandsmitglied des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA). Die JFDA-Vorsitzende Lala Süsskind forderte am Mittwoch Politik, Polizei und Justiz auf, endlich Konsequenzen zu ziehen und entschlossen dagegen vorzugehen: »Es reicht.« Die frühere Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin sagte, »antisemitische Übergriffe nehmen immer mehr überhand.«
Ende Juli war in Berlin der Berliner Gemeinderabbiner Yehuda Teichtal Opfer einer antisemitischen Attacke geworden. Zwei Männer beschimpften Teichtal auf Arabisch und bespuckten den Rabbiner, der in Begleitung eines seiner Kinder war und zuvor einen Gottesdienst im Bezirk Wilmersdorf geleitet hatte. Hunderte nahmen später an einem Solidaritätsgebet teil, darunter auch Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und dessen Lebensgefährtin Natalia Wörner.
Er sei als Jude erkennbar gewesen und am Dienstag von hinten zu Boden gestoßen worden, sagt der 55-Jährige.
Bereits im Juni waren der Hamburger Landesrabbiner Shlomo Bistritzky und das Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde, Eliezer Noe, bespuckt und beleidigt worden. Zuvor waren Anfeindungen gegen den Kölner Rabbiner Yechiel Brukner in öffentlichen Verkehrsmitteln bekannt geworden.
ANGRIFFE »Wir stellen seit einigen Jahren fest, dass Personen, die öffentlich als Juden wahrnehmbar sind, einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, angefeindet zu werden«, sagt Alexander Rasumny, Projektmitarbeiter des Bundesverbandes der Recherche‐ und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS). Dort können Betroffene und Zeugen antisemitisch motivierte Übergriffe melden – auch unterhalb der Schwelle von Straftaten. Die jüngste Reihe mit Vorfällen gegen die Rabbiner bestätige die genannte Entwicklung, betont Rasumny.
Im Jahr 2018 verzeichnete die Berliner Polizei deutlich mehr antisemitische Straftaten als in den Vorjahren.
Allein in der Bundeshauptstadt seien bei RIAS‐Berlin in diesem Jahr bisher mehr als 300 antisemitische Vorfälle gemeldet worden, davon über zehn Angriffe. Die Dunkelziffer ist ungleich höher. Zum Vergleich: Im gesamten vergangenen Jahr wurden RIAS für Berlin 46 Angriffe und 1083 antisemitische Vorfälle gemeldet, wie Rasumny erläutert.
Im Jahr 2018 verzeichnete die Polizei in Berlin deutlich mehr antisemitische Straftaten als in den Vorjahren. Die Zahl der Gewalttaten gegen Juden stieg um 60 Prozent. Bundesweit registrierte die Polizei 1646 Straftaten. Das sind knapp zehn Prozent mehr, als die Bundesregierung für 2017 gemeldet hatte, damals waren es 1504. Insgesamt stellte die Polizei im vergangenen Jahr 62 Gewaltdelikte fest, im Jahr zuvor waren es 37. dpa/ja