Als die Karlsruher Synagoge am 4. Juli 1971 eröffnet wurde, war es ein herausragendes Ereignis, der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Ministerpräsident Hans Filbinger waren anwesend: Es war die erste Synagoge, die nach dem Krieg in Baden gebaut wurde. Noch dazu ist es ein spektakulärer Bau, ein architektonisches Juwel: Der Grundriss ist ein Davidstern, die Wände sind wie ein Zelt schräg nach oben gezogen, das auf das Nomadendasein der israelitischen Stämme in der Wüste hinweist, bevor sie das Heilige Land erreichten. Innen ist die Synagoge hell und licht mit braunen Holztönen und dem schön geschmückten Lichtband unter dem Dach. Längst ist sie denkmalgeschützt. Und längst ist das Gemeindezentrum zu klein. Denn geplant wurde die Synagoge für 200 Mitglieder, inzwischen hat die Gemeinde knapp 900.
In einem Festakt wurde am Sonntag mit Bundes- und Landtagsabgeordneten, dem Generalbundesanwalt Peter-Herbert Frank und zwei ehemaligen Oberbürgermeistern die 50-jährige Geschichte der Karlsruher Synagoge gefeiert. »Alla breve« heißt das begleitende Streichtrio, das Musik von Beethoven, Ignaz Pleyel und Joseph Haydn spielte – kurz waren auch die Reden der vielen Gratulanten. Solange Rosenberg, die Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde, wies darauf hin, dass sich die vielen jüdischen Neubürger, die ab 1989 aus der ehemaligen Sowjetunion nach Karlsruhe kamen, endlich wieder als Juden fühlen und ihre Religion frei ausüben können, dass sie sich gut integriert haben und einen wichtigen Teil der Gemeinde bilden. Sie wies auch auf die guten Beziehungen zu Stadt und Stadtverwaltung hin.
Stolz Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, ist stolz auf die Arbeit in den Gemeinden, die jetzt endlich auch wieder nichtdigital sein kann: »50 Jahre, das ist ein kleiner Abschnitt in der Geschichte, das sind gerade einmal zwei Generationen.« Für ihn sind die Zuwanderer mit ihren Kindern und Kindeskindern eine Bereicherung: »Sie bringen auch eine neue Perspektive mit, sie bilden das Fundament und haben die Gemeinden konsolidiert.«
»Wir können die Menschen leider nicht gegen Antisemitismus impfen, aber wir können Brücken bauen.«
Zentralratspräsident Josef Schuster
Es sei ja nicht einfacher geworden; neben dem rechtsradikalen Antisemitismus gebe es noch den islamischen, und auch die sozialen Medien spielten eine ungute Rolle. Deswegen sei auch dieses Jahr, in dem »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« gefeiert werden, eine einmalige Chance, wieder mehr aufzuklären: »Wir können die Menschen leider nicht gegen Antisemitismus impfen, aber wir können Brücken bauen.«
Nach der baden-württembergischen Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne), die Grüße von Ministerpräsident Winfried Kretschmann übermittelte, wies der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) auch auf die Verantwortung der Stadtverwaltung im Gedenken an die Schoa hin und damit auch auf seine eigene als deren Leiter. »Die Erinnerung ist wichtig, aber auch die Fürsorge und das Miteinander.« Er ist beeindruckt von dem »großen Akt an Vergebung, Gnade und der neuen Chance«, die die wenigen Überlebenden der Stadt nach 1945 zeigten, indem sie nach Karlsruhe zurückkehrten und die Jüdische Gemeinde neu gründeten.
Rabbiner Flomenmann philosophierte über die Zahl 50.
Es gab zunächst einen kleinen Betsaal, bis der Neubau etwas versteckt in der Nordstadt in nur zwei Jahren entstand. »Bis heute ist es ein lebendiges Zentrum, in dem auch wir gern zu Gast sind.« Und dann brachte Mentrup etwas Neues ins Spiel: »Ich kann mir gut vorstellen, dass wir auch über zwei Standorte nachdenken, zum Beispiel einen jüdischen Kindergarten zentral in der Stadt bauen.«
IRG-Baden-Vorsitzender Rami Suliman stellt fest, dass es acht neue Synagogen in Baden gibt.
Rami Suliman, Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, freute sich, dass es jetzt insgesamt schon acht neue Synagogen in Baden gibt. »Es fehlt nur Baden-Baden, dann hat das Gemeindeleben wieder überall eine Heimat.« Der Vertrauensvorschuss, den die Juden damals gaben, war gerechtfertigt. »Jüdisches Leben ist für viele Bürger zu einem Teil der Gesellschaft geworden.« Karlsruhe ist dabei die größte Gemeinde, in der Stadt hatte auch der Oberrat immer seinen Sitz. »Und auch für uns Pforzheimer war es immer unsere Synagoge.« Aber jetzt ist sie einfach zu klein. »Vor allem für das Gemeindezentrum ist eine Vergrößerung geplant, eine Mikwe, ein Kindergarten, ein Raum für die Senioren, vielleicht Betreutes Wohnen, ein Jugendzentrum und ausreichende Klassenzimmer. Und eine Grundschule: Das ist mein Traum.«
Zuhause Der badische Landesrabbiner Moshe Flomenmann philosophierte in seinem lebendigen Vortrag über die Zahl 50. »Fünfzig, das hat etwas Magisches, Fünfzig ist im Judentum etwas Vollendetes. Eine vollbrachte Tat.« In der Mischna steht, mit 50 ist man reif und weise, die Leviten gehen mit 50 in Rente. Eine Synagoge wie diese jetzt 50-jährige habe die Aufgabe, Gruppen zu verbinden. »Sind nur Jugendliche dort, ist es ein Waisenhaus. Sind nur Alte da, ist es ein Altenheim. Eine Synagoge aber muss ein zweites Zuhause sein.«
Es ist die Fürsorge, die mehr zählt als eine goldene Kuppel oder ein schönes Haus. Und man soll nicht stehen bleiben, sondern immer ein großes Ziel vor Augen haben. Wie Israels legendärer Verteidigungsminister Moshe Dayan, der einmal von einem Polizisten angehalten wurde, weil er zu schnell fuhr. Dayan fragte ihn: »Ich habe ja nur ein Auge. Soll ich auf den Tacho sehen oder auf die Straße?« In diesem Sinn schloss Flomenmann: »Wir sollen besser werden. Wer aufgehört hat, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein.«
Zum Abschluss sprach Rabbiner Gerald Rosenfeld. »Wie wäre es möglich, diese großartigen Erinnerungen zu vergessen?«, fragte er. Als junger Mann war er aus dem Elsass gekommen und hat noch die kraftvolle Stimme von Werner Nachmann, dem damaligen Präsidenten des Oberrates der Israeliten Badens, im Ohr, als er die Synagoge vor 50 Jahren einweihte. Mit Nachmann hat er eine Woche nach der Einweihung Schabbat gefeiert und ist nach Gurs gefahren.
Er erinnerte sich auch an den Stuttgarter Oberrabbiner Fritz Bloch, »dem die Freundlichkeit aus dem Gesicht strahlte«, und an den Frankfurter Rabbi Ernst Roth, »eine gelehrte Referenz in der jüdischen Welt«. Und an einen Satz von Nachmann: »Hier mögen die Menschen aus dem ernstlichen Willen leben, einander zu verstehen, zu achten und zu lieben, ihr Haus und ihr Herz öffnen.« Rosenfeld schloss mit Worten aus dem Psalm 118: »Diesen Tag hat der Ewige geschaffen, dass wir uns freuen.«