Frankfurt

»Jewrovision für den Kopf«

Herr Schlafstein, Herr Rosenblatt, was genau ist »The Jewish Quiz«?
Marat Schlafstein: Das »Jewish Quiz« wurde als Quiz-Event vom Jugendzentrum Amichai der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main 2016 ins Leben gerufen, das die Veranstaltung für jüdische Jugendliche mit ihren Jugendzentren aus ganz Deutschland jedes Jahr in Eigenregie durchgeführt hat. Über die Jahre hat sie eine Größe erreicht, dass die Gemeinde die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) und den Zentralrat gebeten hat, die Ausrichtung zu übernehmen. Und wir haben sofort Ja gesagt, denn solch eine tolle Initiative muss auch in Zukunft weiterleben.

Wegen der Corona-Pandemie hatte es eine zwangsläufige Pause gegeben?
Nachumi Rosenblatt: Genau, die Pandemie hat das Jewish Quiz vorübergehend stillgelegt. Aber jetzt geht es endlich wieder los in einer Kooperation zwischen Zentralrat, ZWST und der Jüdischen Gemeinde Frankfurt.

Von wie viel Teilnehmern sprechen wir?
Rosenblatt: Dieses Jahr erwarten wir etwa 400 Menschen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren.

Wie genau muss man sich die Show vorstellen?
Schlafstein: Jugendliche aus unterschiedlichen Jugendzentren treten in Teams gegeneinander an. Die Leute, die ein bisschen älter sind, erinnert es an »Jeopardy«, Leute, die ein bisschen jünger sind, eher an »Schlag den Star«. Es ist eine Mischung aus beidem. Aber eben als jüdische Quizshow mit Kategorien wie Israel, Judentum, Zentralrat/ZWST oder auch Musik, Politik und Allgemeinwissen.

Neben dem Quiz soll es auch Spiele, Sport und Party geben. Also Jewrovision für den Kopf?
Schlafstein: Genau. Wie die Jewrovision wird das Jewish Quiz das Highlight eines ganzen Wochenendes sein. Eine Jugendbegegnung, in die das Quiz eingebunden ist, wo die Kids sich treffen und auch zusammen Schabbat feiern. Das hat vor allem für Jugendliche aus kleineren Gemeinden, die das nicht regelmäßig erleben, besonderen Wert. Außerdem gibt es durch die unfreiwillige, lange Corona-Pause jetzt einen Jahrgang, der das Jewish Quiz noch gar nicht kennt. Für die ist es besonders spannend und eine komplett neue Erfahrung.

Nachdem die vergangene Jewrovision so ein dringend nötiges Durchatmen in schrecklichen Zeiten war, ist die Hoffnung, dass es jetzt wieder besser wird?
Rosenblatt: Ich glaube, die Kinder brauchen mehr! Das Gefühl des Zusammenhalts, ja, aber auch die Aneignung von Wissen und Fakten über das Judentum, Israel, Zionismus und allem, was mit Antisemitismus zu tun hat, angesichts einer Welt, die zunehmend durch Propaganda, Fake News und Verschwörungsideologien beeinflusst wird. Die Jugendlichen brauchen Werkzeuge, um darauf reagieren zu können. Das haben wir auch bei den diesjährigen Sommer-Machanot gespürt. Bei Workshops zu Antisemitismus in der Schule wurde der Unterstützungsbedarf erschreckend sichtbar.

Schlafstein: Ich glaube, dass dieses Zusammenkommen immer Balsam für die Seele der Jugendlichen ist, weil sie einmal nicht der »Einzelkämpfer« sind, sondern unter ihresgleichen Zeit verbringen können. Das ist immer auch ein Durchatmen. Aber im Vergleich zur Jewrovision sprechen wir hier noch mal ein anderes Zielpublikum an. Es geht nicht darum, ob man gut singen und tanzen kann, sondern darum, was man im Kopf hat. Die Jugendzentren sind gefragt, den Jugendlichen das entsprechende Wissen über die Monate vor dem Quiz hinweg an die Hand zu geben. Und die intensive Auseinandersetzung mit den Themen brauchen die Jugendlichen ganz dringend da draußen.

Heißt das, es gibt Quiz-Bootcamps in den Jugendzentren?
Schlafstein: Genau, die Verantwortlichen in den Jugendzentren bekommen gerade alle Informationen zum Ablauf der Show und zu den Frage-Kategorien, und sie sind auch schon dabei, mit den Kids zu trainieren. Auf unserem Instagram-Kanal kann man bereits Probe-Quizfragen finden. Wenn man in den Monaten vor der Jewrovision in die Jugendzentren geht, sieht man da schwitzende, tanzende Körper, jetzt sieht man schwitzende, rauchende Köpfe!

Wie lautet eine Beispielfrage?
Rosenblatt: Wer hat gesagt: »Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist«? Natürlich gibt es auch schwierigere Fragen. Die Kinder wissen ja schon sehr viel. Aber es gibt auch Fragen zur Geschichte des Nahost-Konflikts. Gerade jetzt ist dieser Themenkomplex wichtiger denn je.

Das klingt eher nach einem Thema für einen Workshop?
Rosenblatt: Die gibt es auch an diesem Wochenende.

Welche Themen decken die Workshops noch ab?
Rosenblatt: Zum Beispiel YouTube oder Juden und Judentum in Deutschland, oder auch »Was sind deine Rechte, wenn du an der Schule Antisemitismus erlebst?«. Gehst du zum Schulleiter oder zum Elternbeirat? Ganz praktisch also.

Schlafstein: Und dann gibt es noch kreative Workshops, in denen auch gerappt oder getextet wird. Es ist eine Veranstaltung für Intellekt und Spaß. Ich glaube, das Schöne und Besondere am Jewish Quiz ist, dass die Jugendlichen zeigen können, was in ihren Köpfen steckt. Und das ist ganz schön viel!

Rosenblatt: Diese Generation weiß sehr genau, was sie will. Man unterschätzt das manchmal. Ich habe das Gefühl, sie ist schneller erwachsen geworden als die Generation davor. Diese Jugendliche wollen lernen, und wir wollen Antworten liefern, Wissen und Einsichten, die sie in ihrem Alltag sonst nicht erlangen. Die sozialen Medien werden eine große Rolle spielen. Kinder werden heutzutage überflutet mit Informationen, die sie zum Teil gar nicht verarbeiten können oder nicht einzuordnen wissen. An diesem Wochenende wollen wir auch einen Rahmen setzen, in dem die Jugendlichen sich austauschen und diskutieren können. Auch mit Experten. Und es wird bestimmt Spiele geben, die mit dem Handy zu tun haben. Die Smartphones sind Teil des Lebens dieser Generation.

Aber beim Jewish Quiz selbst bleiben die Mobiltelefone aus?
Schlafstein: Also geschummelt werden darf nicht!

Mit den Organisatoren des Jewish Quiz sprach Sophie Albers Ben Chamo.

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