Mirna Funk

Jetzt erst recht!

Vor anderthalb Jahren saß ich mit meiner Freundin im Port Said in Tel Aviv. Meine Tochter war gerade eingeschult worden, und ich dachte schon panisch über die Sommerferien nach, die sechs Wochen dauern würden, ohne dass es eine Betreuung gab, die für mich Sinn machte. Für die Machanot der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST) war sie noch zu jung.

Und außerdem wollte ich, dass sie mehr als nur die deutsch-jüdische Bubble kennenlernte. Meine Freundin erzählte mir von den israelischen Ferienlagern, die es einmal als »fancy schmancy« Version und einmal als sozialistisch-naturverbundene Version gab.

Sofort begann ich zu recherchieren, sprach mit noch mehr Freunden, holte mir Erfahrungsberichte ein und Ideen dafür, was man einer Siebenjährigen getrost zumuten könne. Wo auch immer ich hinkam, mit wem auch immer ich sprach, Israelis und Olim Chadaschim schwärmten vom Camp Kimama. Also klickte ich mich durch die Website, telefonierte mit einer Mitarbeiterin und buchte dann aufgeregt 13 Tage Summercamp im letzten Jahr.

Hunderte Kinder aus der ganzen Welt

Kimama Michmoret. Das kleine Bungalow-Dorf liegt direkt am Meer. Eine Stunde von Tel Aviv entfernt. Dort, wo das Jahr über ein Internat geführt wird, findet man ab den Sommerferien Hunderte Kinder aus der ganzen Welt. Das war auch der ausschlaggebende Grund, warum ich mich für ein israelisches Ferienlager und gegen ein deutsches entschieden hatte. Ich wollte nicht, dass meine Tochter schon wieder mit denselben Kids den Sommer verbringt, mit denen sie sowieso bekannt ist oder zur Schule geht. Ich wollte, dass sie rauskommt aus dieser deutsch-jüdischen Erlebniswelt, weil das eine Diaspora-Erfahrung ist und nur eine Form der Realität darstellt. Dazu noch eine deutsche Diaspora-Erfahrung.

Mit wem ich auch sprach, alle schwärmten vom Camp Kimama.

Damit will ich weder über die jüdischen Summercamps noch die deutsch-jüdische Community meckern, sondern nur daran erinnern, dass es eben andere Realitäten als diese gibt. Und es ist wichtig, Kinder damit vertraut zu machen. Die ersten Jahre ging meine Tochter in einen internationalen Kindergarten. Nun sollte sie diese Internationalität auch dort erleben, wo ihre zweite Heimat ist: in Israel. Denn jüdische Kinder aus rund 20 Nationen, die entweder selbst aus der Diaspora kommen oder aber aus Israel, treffen dort auf eine Community, die sich über Vielfalt definiert. Die Vielfalt jüdischen Lebens in der Diaspora, aber natürlich auch in Israel.

Die Gemeinsamkeit, jüdisch zu sein, schafft einen verbindenden Moment, der anschließend dabei hilft, die vielen verschiedenen Traditionen, Sichtweisen und Erfahrungen kennen, lieben oder vielleicht sogar nicht mögen zu lernen. Hinzu kommt, dass Englisch und Hebräisch gesprochen wird und Kinder in dieser Zeit beide Sprachen verbessern können. Meine Tochter sprach sehr gutes Englisch, bevor sie das Ferienlager besuchte, und kam mit einem exzellenten Englisch zurück. Sie kam aber auch mit einem neuen Selbstbewusstsein, einer neuen Selbstständigkeit und einem neuen Verständnis für sich selbst zurück.

Die ersten Tage waren gar nicht so einfach für sie gewesen, aber die Camp-Mitarbeiter und ich am Telefon begleiteten sie durch das Unbehagen. Wie in allen unbehaglichen Situationen wächst und expandiert man letztendlich mit der Herausforderung. Als ich sie 13 Tage später abholte, wollte sie nicht weg. Sie tanzte mit den Mitarbeitern, hatte am Abend zuvor eine Rede vor Hunderten Kindern gehalten und insistierte, im nächsten Sommer wiederkommen zu dürfen.

Mitten im Krieg und nur wenige Monate nach dem 7. Oktober

Im Dezember 2023 buchte ich erneut. Das war mitten im Krieg und nur wenige Monate nach dem 7. Oktober. Manche hätten mich für verrückt gehalten, aber erstens wusste ich, dass es sich bis zum Sommer beruhigen würde, und zweitens wusste ich, dass der Erfahrungsaustausch, den diese Kinder haben würden, dringend nötig war. Keine Angst davor, über sein Jüdischsein zu sprechen. Keine komischen Kommentare zur Identität. Keine Beleidigungen und Angriffe durch die Mehrheitsgesellschaft.

Drei Camp-Slots gibt es in Michmoret, die jeweils 13 Tage dauern. Kinder im Alter von sieben bis 17 Jahren können dort ihren Sommer verbringen und sich mit allen möglichen Wassersportarten vertraut machen. Von Segeln über Surfen bis hin zu Tauchkursen wird alles angeboten. Die Kids wohnen mit zwei anderen Kindern in einem Bungalow, lernen kochen, feiern am Abend Partys, singen vor dem Lagerfeuer und dürfen sich unabhängig von ihrem familiären Zusammenhang authentisch selbst entdecken.

Deswegen lautet das Kimama-Motto auch »Freedom to be me«. Und das sollten wir als Eltern gewährleisten. Den freien Entfaltungsdrang unserer Kinder zu fördern und sie gleichzeitig in Kontakt mit ihren jüdischen Wurzeln zu bringen. Wo könnte beides besser funktionieren als in einem Ferienlager in Israel? Völlig egal, ob das »fancy schmancy« Camp Kimama oder die sozialistisch-naturverbundene Nummer, zu der ich meine Tochter vermutlich im nächsten Jahr nötige. Statt zu segeln, wird dann das Tote Meer vom Müll befreit.

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