So viele Besucher hatte das Gemeindehaus in der Basteigasse schon lange nicht mehr gesehen. Der festliche Anlass war der Umgebung anzumerken. Die Wände mit Ansichten der Synagoge aus den Jahren 1886 bis 1938 und der Einweihung der jetzigen Synagoge aus dem Jahr 1965 versehen, Blumenarrangements und die Vorfreude der Gemeindemitglieder und Gäste bestimmten die Atmosphäre am Eröffnungstag. In der kleinen Bibliothek neben der Synagoge vollendete Rabbiner Yitzhak Hoenig die letzten Zeilen der Inschrift der neuen Torarolle. Und dann war es auch so weit.
Eröffnet wurde die Feier mit einem Festzug vom nahe gelegenen Synagogenplatz in die Basteigasse. In einem Gebet vor dem Synagogendenkmal erinnerte Rabbiner Hoenig, der eigens aus Israel angereist war, an die sechs Millionen Juden, die während des Holocaust ermordet wurden. Zum Gesang von »Shalom Aleichem« ging es mit dem Ruf nach Frieden wieder zurück ins Gemeindehaus. Im Mittelpunkt des Festzuges stand die neue Tora, die, verhüllt unter einer gelben Chuppa, abwechselnd von Rabbinern getragen wurde. Ihren Platz erhielt sie neben zwei bereits vorhandenen Schriftrollen in einem kunstvoll gestalteten Schrein, dem Mittelpunkt der Synagoge.
Vorstandsvorsitzender Irail Epstein sprach von einem langen Weg des Wartens
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer machte der jüdischen Gemeinde seine Aufwartung. Er bezeichnete die Wiedereröffnung der Synagoge in Kaiserslautern als einen »wunderbaren Tag« für die Jüdische Kultusgemeinde der Rheinpfalz und dankte für die Jahre eines guten Zusammenlebens in einer nicht einfachen Zeit. »Wir stehen an Ihrer Seite, damit das Leben von Christen, Juden und Menschen jeden Glaubens gut gelingt«, sagte er. »Wir wenden uns gegen jede Form von Antisemitismus«, betonte er.
Irail Epstein, Vorstandsvorsitzender der Gemeinde, sprach von einem langen Weg des Wartens auf die neuen Räumlichkeiten. Mehr noch als ein Gebäude sei das Gemeindehaus ein Ort des Lernens und des Gebets. Auf den Augenblick, als Rabbiner Hoenig die Torarolle wieder aus dem Schrein nahm und sie in feierlicher Zeremonie auf einem Tisch ausbreitete, um sie zu segnen, haben viele Besucher gewartet. Ministerpräsident Schweitzer zeigte sich angetan von der schmuckvoll gestalteten Schrift.
Als eine Odyssee bezeichnete Kimmel die Auflagen beim Bau des Gemeindehauses
In Grußworten wurde die Bedeutung des neuen Gemeindehauses für die jüdische Gemeinde und das Zusammenleben in Kaiserslautern betont. Auch wenn der Synagogenplatz an einen schmerzlichen Ort erinnere, sei dies ein guter Startpunkt für die Eröffnung des neu gestalteten jüdischen Gemeindehauses gewesen, sagte Oberbürgermeisterin Beate Kimmel. Als eine Odyssee bezeichnete Kimmel die Auflagen beim Bau des Gemeindehauses. Wie gut, dass die Gemeinde während der heimatlosen Zeit die Gastfreundschaft vieler in Kaiserslautern habe erleben können. »Jüdisches Leben gehört zum Alltag in unserer Stadt.«
Avadislav Avadiev, Vorsitzender des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden Rheinland-Pfalz, schilderte seine »gemischten Gefühle«, die er beim Gang vom Synagogenplatz in die Basteigasse hatte, und erinnerte an den Polizeischutz. Den Umbau des Gemeindehauses erlebten die Mitglieder wie eine zweite Geburt. Und er appellierte an die Bevölkerung, sich mehr über das Judentum zu informieren. »Das Judentum gehört zu Deutschland.«
Mit der Einweihung des neuen Gemeindehauses werde auch ein neues Kapitel geschrieben, bezog sich Landesrabbiner Reuven Konnik auf das Pessachfest und den damit verbundenen Auszug der Juden aus Ägypten. »Jetzt beginnt etwas Neues, mit einem guten Anfang.« Jeglicher Antisemitismus sei eine Schande für ein Land, das aus seinen Geschichtsbüchern gelernt haben sollte, so Dorothee Wüst, Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche der Pfalz. Sie sei froh, dass es mit dem sanierten Gemeindehaus wieder einen Ort gebe, an dem zusammen gebetet und gefeiert werde, Religion gelebt und interreligiöse Gespräche geführt werden könnten. »Eine Heimat für Glaube und Menschen, die auf der Suche nach Gott sind.«
Marina Nikiforova, Geschäftsführerin der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz, dankte den zahlreichen Helfern aus der Gemeinde. »Zum Glück haben wir viele Handwerker unter uns.« Mit jüdischem Liedgut umrahmte ein gemischter Chor die dreistündige Feier.
Wegen Brandschutzmängeln und fehlender Notausgänge hatte das städtische Bauamt die Nutzung untersagt
Seinen Sitz hat das jüdische Gemeindezentrum seit 60 Jahren in der Basteigasse. Seit dem 22. November 2019 war es geschlossen. Wegen Brandschutzmängeln und fehlender Notausgänge hatte das städtische Bauamt die Nutzung untersagt. Während dieser Zeit hatte die Gemeinde Räumlichkeiten in der Helenenstraße angemietet. Unterstützt wurde sie weiter von evangelischen und katholischen Kirchengemeinden.
Das Gebäude aus den 50er-Jahren wurde umfassend umgebaut und erhielt an der Vorderseite zwei neue Eingänge. Neben der eigentlichen Synagoge im Erdgeschoss gehören eine Bibliothek, ein Schulungsraum, Küche und Speiseraum zur Ausstattung des Zentrums. Die Jüdische Kultusgemeinde der Rheinpfalz zählt 520 Mitglieder, davon leben etwa 280 in Kaiserslautern.
Nach Angaben von Geschäftsführerin Nikiforova belaufen sich die Gesamtkosten der Sanierung auf 2,7 Millionen Euro. Für die Sicherheitstechnik der Synagoge hat die rheinland-pfälzische Landesregierung 570.000 Euro bereitgestellt. Die Kosten für das Dach hat der Zentralrat der Juden in Deutschland übernommen.
Den überwiegenden finanziellen Anteil habe die Gemeinde mit Unterstützung der Stiftung Jüdische Kultusgemeinde der Rheinpfalz selbst getragen, so die Geschäftsführerin. Zur Erhöhung der Sicherheit wurden Schutzmaßnahmen umgesetzt. Sie wurden in enger Abstimmung mit den Behörden und Sicherheitsexperten realisiert.