Düsseldorf

Jetzt auch egalitär

Die Gemeinde verstärkt ihr liberales Gottesdienstangebot

von Annette Kanis  30.03.2022 11:52 Uhr

Susan Borofsky lebt seit 16 Jahren in Düsseldorf. Foto: Alexandra Roth

Die Gemeinde verstärkt ihr liberales Gottesdienstangebot

von Annette Kanis  30.03.2022 11:52 Uhr

Die Jüdische Gemeinde Düsseldorf hat jetzt mit Susan Borof­sky eine Repräsentantin fürs egalitär-liberale Judentum. »Ich habe jahrelang in Düsseldorf immer wieder an Freitagen Kabbalat Schabbat geleitet, mal ehrenamtlich, mal mit Gage, mal allein oder im Team«, blickt sie auf ihr bisheriges Engagement zurück. Nun sollen die bestehenden Angebote ausgeweitet werden.

»Wir als Vorstand begrüßen es im Rahmen der Einheitsgemeinde sehr, dass wir Menschen, die einen liberalen beziehungsweise egalitären Gottesdienst haben wollen, helfen können, ihr Judentum auch unter dem Dach unserer Gemeinde zu verwirklichen«, sagt Oded Horowitz, der Vorsitzende des Gemeindevorstands. Das gelinge schon seit einigen Jahren, und man führe es sehr gern fort. »Susan Borofsky hat auch viel dazu beigetragen, dass dieses Format für eine bestimmte Zielgruppe erfolgreich wird. Für dieses Jahr versprechen wir uns, dass dieses Format fortgeführt wird und auch weiterhin erfolgreich bleibt.«

ANSPRECHPARTNERIN Neben dem Gottesdienst-Angebot möchte Susan Borof­sky Events und Veranstaltungen planen. Außerdem schreibt sie regelmäßig in der Gemeindezeitung über liberale Ansichten und Themen. »Ich möchte eine echte Gesprächspartnerin und Ansprechpartnerin sein«, sagt die seit 16 Jahren in Düsseldorf lebende Sängerin.

Bislang finde der Austausch vornehmlich über Telefon und per E-Mail statt, sagt sie, es seien jedoch digitale Treffen geplant und sobald wie möglich auch Veranstaltungen vor Ort in der Gemeinde. »Ich denke an einen ›Get together‹-Abend, bei dem man über jüdische Themen sprechen kann.« Vielleicht auch auf Englisch, denn dies sei für viele die verbindende Sprache.

»Wir versprechen uns davon, dass dieses Format weiterhin erfolgreich bleibt.«

Gemeindechef Oded Horowitz

»Wir müssen diese Tür öffnen«, betont Borofsky und führt als Beispiel Familien aus den Vereinigten Staaten oder Israel an, die nach Düsseldorf kämen, ihre Kinder auf die örtliche Internationale Schule schickten und zunächst weiterhin in Englisch kommunizieren würden. »Diese Menschen kommen mit Erfahrungen, mit neuer Energie und neuen Ideen – auch das würde ich gern in die Gemeinde einbringen.«

Die ausgebildete Sängerin stammt ursprünglich aus den USA. Nachdem ihr Ehemann die traumatischen Anschläge auf das World Trade Center überlebt hatte – der Versicherungsmakler befand sich in den Twin Towers und konnte sich knapp retten –, entschied sich die Familie für einen Neuanfang in Deutschland. Etliche Jahre arbeitete Susan Borofsky an der Internationalen Schule, außerdem nahm sie häufig am Kulturprogramm des Zentralrats der Juden in Deutschland teil.

In ihrer alten Heimat hat das vielfältige liberale amerikanische Judentum ihr Leben geprägt. Sie habe Erfahrungen in diversen Gemeinden gesammelt, bei denen Musik immer eine wichtige Rolle spielte, sagt sie. So nehmen auch in den von ihr geleiteten Gottesdiensten Musik und Gesang einen prägenden Platz ein.

UNTERSTÜTZUNG Die 66-Jährige freut sich über die Unterstützung durch Geschäftsführung und Vorstand. »Ich habe mich auch in den vergangenen Jahren immer sehr unterstützt gefühlt von Oded Horowitz«, betont Borofsky, die es für die Außenwirkung aber besser findet, dass sie künftig eine offizielle Stellung innerhalb der Gemeinde hat.

Sie habe sehr viel gelernt in den vergangenen Jahren hier in Deutschland, sagt sie. »Erst dachte ich, ich kann meinen amerikanischen Stil des Judentums einfach nach Düsseldorf bringen. Das hat nur ein bisschen geklappt. Damals waren die Leute im Vorstand und in der Gemeinde noch nicht bereit für so etwas.«

Nach der großen Einwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion hätten andere Themen im Vordergrund gestanden. Man sei vor allem mit der Integration der neuen Gemeindemitglieder beschäftigt gewesen. »Damals hatte diese liberale Bewegung keine Priorität. Heute verstehe ich das.«

Rückblickend denke sie jedoch, man habe dadurch, dass sie nur die orthodoxe Gemeindeströmung kennenlernen konnten, auch einige Gemeindemitglieder verloren. »Aber jetzt ist die Zeit reif für weitere Veränderungen.«

CORONA Aufgrund der Pandemiebeschränkungen finden die Gottesdienste nun in den geräumigeren Räumlichkeiten der Grundschule statt. Vor der Pandemie kam die Frankfurter Rabbinerin Elisa Klap­heck mehrmals im Jahr zu den Gottesdiensten nach Düsseldorf. Susan Borofsky würde sich freuen, wenn dies zu einem späteren Zeitpunkt auch wieder möglich wäre. »Elisa Klapheck stammt ja aus Düsseldorf, und sie ist eine so brillante Rabbinerin!«

Die neue Repräsentantin für egalitäres Judentum betont den Zusammenhalt der Gemeinde.

Der neuen Repräsentantin für egalitäres Judentum ist es sehr wichtig, dass man innerhalb der Gemeinde nicht auf Spaltung setze, sondern auf Zusammenhalt. »Ich gehe auch in den orthodoxen Gottesdienst«, sagt sie, »ich mag die Atmosphäre.«

Oben zu sitzen, sei nicht einfach für sie, sie könne von dort nicht gut sehen und hören. Aber die Atmosphäre mit viel Hebräisch und den alten Melodien und Bräuchen finde sie sehr schön. »Orthodox zu sein, ist beautiful. Es ist nicht mein Weg, aber ich respektiere es, und ich finde es wirklich einen schönen Weg zu leben.«

Es gebe so viele Existenzprobleme, so viel Antisemitismus, und so viele Leute würden sagen, das Judentum sterbe aus – »da finde ich: Wir müssen zusammenhalten – egal, ob jemand so ist oder so«.

Die egalitären Gottesdienste finden in der Yitzhak-Rabin-Schule in Düsseldorf statt. Nur mit Anmeldung: eg-minjan@jgdus.de

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