Das Coronavirus macht die Planung und Organisation von Veranstaltungen zu einem Lotteriespiel. Der 9. November, ein Gedenktag von immenser Bedeutung und Dimension nicht nur für Juden, macht in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Was wie und wo unter welchen Umständen stattfinden kann, dürfte sich in vielen Fällen erst kurzfristig entscheiden.
Im Alten Rathaus, wo Joseph Goebbels am 9. November 1938 mit seiner hasserfüllten Hetzrede die Tür zum Holocaust aufstieß, findet jedes Jahr die zentrale Gedenkfeier in München statt. Der Saal im oberen Stockwerk ist stets bis auf den letzten Platz besetzt, Stehplätze ringsum inklusive. In diesem Kalenderjahr, in dem sich der Schicksalstag zum 82. Mal jährt, wird es dieses Bild nicht geben.
schirmherrschaft Der Gedenktag unter Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Dieter Reiter findet wegen der coronabedingten Gefährdungslage diesmal unter komplettem Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Vor Ort treten nur die direkt am Programm Beteiligten auf. Trotzdem kann jeder dabei sein. Die Erinnerungsfeier wird im Internet per Livestream übertragen.
Zu Wort kommen neben Dieter Reiter und IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch auch der Historiker Andreas Heusler vom Stadtarchiv sowie der Psychiater Michael von Cranach.
Bis in die letzten Details geplant, aber in diesem Krisenjahr alles andere als »in trockenen Tüchern« ist die Namenslesung vor dem Gedenkstein der ehemaligen Hauptsynagoge in der Herzog-Max-Straße hinter dem Künstlerhaus. Gewidmet ist sie diesmal den 191 Juden, die in bayerischen Heil- und Pflegeanstalten sowie Behinderteneinrichtungen untergebracht waren und am 20. September in die österreichische Tötungsanstalt Hartheim transportiert und dort ermordet wurden. Es war der erste systematische Massenmord an Juden.
namenslesung Starke Reglementierungen hinsichtlich Teilnehmerzahl, Abstandsregelung und Maskengebrauch wären bei der Namenslesung bereits beim gegenwärtigen »Corona-Level« unvermeidbar. Ellen Presser vom IKG-Kulturzentrum, die die Lesung organisiert, will knapp zwei Wochen vorher aber keine Prognose abgeben.
Derzeit gehe man von 50 Teilnehmern aus, müsse dies aber noch detailliert mit der Stadt abstimmen. Dies trifft auch auf den geplanten Livestream im Internet zu. »Entschieden«, so befürchtet Ellen Presser, »wird wahrscheinlich erst in letzter Minute.«