Die Not auf der Welt nimmt kein Ende – deshalb versiegt auch der Bedarf an Spenden niemals. Ob verheerendes Erdbeben in Japan, Dürrekatastrophe in Afrika oder Waldbrände in Israel: Große Unglücke verlangen große Hilfsbereitschaft. Im Judentum spielen gute Taten eine wichtige Rolle. Auf die Höhe der Spende kommt es dabei nicht an.
Das betont auch Max Privorozki, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Halle. »Für uns ist die Tatsache wichtig, dass auch Grundsicherungs- und Hartz-IV-Empfänger zu Spenden bereit sind.« Nicht nur in Halle müssen viele Gemeindemitglieder jeden Euro zweimal umdrehen. Alte Menschen mit einer nur kleinen Rente und Zuwanderer, die von staatlicher Unterstützung leben, stellen in zahlreichen jüdischen Gemeinden die Mehrheit. Viel abzugeben haben diese Menschen nicht. Und trotzdem laufen in fast allen Gemeinden Spendenprogramme. Wie passt das zusammen?
Optimismus Es passt, wenn man wie Max Privorozki die Erwartungen nicht zu hoch schraubt und unerschütterlich optimistisch bleibt. Auch wenn bei den einzelnen Projekten keine gewaltigen Summen zusammenkommen, ist die Fülle der unterstützten Maßnahmen beachtlich. So spendeten die Hallenser zum Beispiel für unter der Finanzkrise leidende jüdische Gemeinden in Argentinien, für Terroropfer in Israel, für die Betroffenen des Feuers am Berg Carmel. Der Erlös von Veranstaltungen zu Pessach, Rosch Haschana und Chanukka fließt wohltätigen Zwecken zu.
In Hagen verfolgt man den gleichen Weg. »Soweit ich weiß, haben wir keine reichen Leute in der Gemeinde. Spendenfreudige haben wir aber schon«, betont Eva Feldheim, Sprecherin der jüdischen Gemeinde. Die Gemeindemitglieder sammeln zum Beispiel Kleiderspenden, die Bedürftigen in der Gemeinde oder auch in der ehemaligen Sowjetunion zugutekommen. Nach dem Waldbrand in Haifa gaben die »Hagener Klezmorim« ein spontanes Benefizkonzert, mehr als 1.000 Euro wurden dabei eingenommen. In den Spendenboxen des Jüdischen Nationalfonds KKL landen regelmäßig kleine Beträge.
In der Zuwanderergemeinde Marburg sind die KKL-Sammlungen so ziemlich das Einzige, was man den Mitgliedern zumuten kann, weiß Monika Bunk aus Erfahrung. »Wir sammeln eher selten innerhalb der Gemeinde, weil der Erlös ganz klein ist«, bedauert die stellvertretende Gemeindevorsitzende. »Die Mischung aus Gutwilligkeit und Möglichkeit muss zusammenkommen«, bringt Monika Bunk das Rezept erfolgreicher Spendenakquise auf den Punkt.
kontakte Wer das Zustandekommen dieser günstigen Kombination nicht dem Zufall überlassen will, muss aktiv werden. Gerade, wenn es um Großprojekte geht, reicht es nicht, die Sammelbüchse aufzustellen und auf Großherzigkeit zu hoffen. Das haben viele jüdische Gemeinden verstanden und pflegen deshalb gezielt ihre Großspender – die allerdings meist außerhalb der Gemeinden zu finden sind.
Beispiel Marburg: Für den Erwerb von zwei neuen Torarollen aktiviert die Gemeinde gezielt Gönner, die im vierstelligen Bereich spenden. Gerade, weil die Wohltäter nicht zur Gemeinde gehören, kommt es dabei auf gute Information an. »Wir haben einen Flyer erstellt, der beschreibt, was eine Torarolle ist und wofür wir sie brauchen – und auch ungefähr, wie viel Geld wir benötigen«, beschreibt Monika Bunk die Vorgehensweise. Es sei wichtig, dass die Interessenten verstehen, welchen konkreten Nutzen ihre Spende hat, so Bunk: »Dann ist die Resonanz sehr positiv.«
Ganz ähnlich geht die Israelitische Religionsgemeinde Württembergs (IRGW) vor. »Wir bekommen nicht viele, aber große Spenden von namhaften Firmen«, berichtet Stanislav Verkhovski. Die Wohltäter behandelt die Gemeinde »wie Freunde« und lädt sie zum Beispiel zu internen Veranstaltungen ein. Merke: Spendenbriefe schreiben allein reicht nicht, zur Kontaktpflege mit den Gönnern gehört auch eine »Gegenleistung«. Die Württemberger sammeln derzeit für den Neubau eines Gemeindezentrums mit Synagoge in Ulm. »Dafür wird überdurchschnittlich viel gespendet«, sagt Stanislav Verkhovski.
Kleinspenden Natürlich haben die württembergischen Gemeinden nicht nur Firmen-, sondern auch Privatspender. »Doch es regnet nicht gerade Spenden, sodass man laut ›wow‹ ausrufen könnte«, räumt Verkhovski ein. Immerhin: Die einzelnen Zuwendungen betragen meist mehr als 100 Euro.
Auf der Website der IRGW sind die aktuell wichtigsten Spendenaufrufe zu finden, komplett mit kurzer Projektbeschreibung und Ansprechpartnern für Detailfragen. Transparenz ist wichtig, so das Stuttgarter Motto.
Das kann Nora Goldenbogen, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Dresden, nur bestätigen: »Wir rufen immer wieder zu Spenden auf und haben vor allem dann Erfolg, wenn der Zweck genau definiert ist.« Zuwendungen erhält die Gemeinde meist für kultische Zwecke. Ein besonders wichtiger Partner der Dresdner bei der Spendenwerbung außerhalb der Gemeinde ist der Verein Freundeskreis Dresdner Synagoge, der sich der ideellen und materiellen Unterstützung des Gotteshauses widmet.
Die Jüdische Gemeinde zu Berlin bittet mitunter auch um Spenden für akute internationale Notfälle, wie zum Beispiel das Erdbeben in Japan in diesem Frühjahr. Zu Direktspenden rufen die Hauptstädter auf ihrer Website aber vor allem für lokale Projekte und Einrichtungen auf. »Besonders erfolgreich war die diesjährige Pessach-Sammelaktion«, erinnert sich Gemeindesprecherin Maya Zehden.
»Es wurde sogar mehr gespendet als nötig, weil die Leute wissen, wohin ihr Beitrag geht.« Wo das nicht so klar ist, tut sich die Gemeinde mit Spendenaufrufen schwer, räumt Maya Zehden ein: »Allzu oft ist es doch so: Die armen Leute eines reichen Landes spenden für die reichen Leute eines armen Landes.«