Am 20. Februar wird Leon Henry Schwarzbaum, Auschwitz-Überlebender und Zeitzeuge, 100 Jahre alt. Seine ganze Familie wurde in der Schoa ermordet. Jahrelang wollte er nur vergessen. Doch seit dem Tod seiner Frau sei es für ihn immer wichtiger geworden, Zeugnis abzulegen, sagt Schwarzbaum oft.
Als Zeitzeuge ist er seitdem viel unterwegs, vor allem in Schulen, aber auch in Gefängnissen oder in Talkshows im Fernsehen. »Ich muss sprechen: Ich spreche für die Toten« – so begreift er seinen Auftrag. »Das mache ich im Namen meiner Eltern.«
WÜRDIGUNG »Für uns ist es ein Glück, dass er die Kraft gehabt hat, in unserer Stadt eine Existenz aufzubauen und sein Leben hier zu leben. Wir können dankbar sein, dass er es sich zur Aufgabe gemacht hat, über sein Leben und Schicksal zu berichten. Diese Aufklärungsarbeit ist für uns und unsere Nachkommen von unschätzbarem Wert«, würdigt ihn Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD).
»Je älter ich werde, desto mehr erinnere ich mich«, sagt der 100-Jährige. Dagegen könne man nicht ankämpfen. Er sei tief verletzt als Mensch, seine Würde sei ihm genommen worden, und eigentlich habe er alles während der Schoa verloren.
»Ich habe viel zu viel Schlimmes erlebt, als dass ich darüber schweigen könnte.«
Leon Schwarzbaum
Leon Schwarzbaum kam 1921 in Hamburg zur Welt und zog später mit seiner Familie in das oberschlesische Bendzin. Eine unbekümmerte Kindheit und Jugend habe er dort erlebt. Mit Freunden gründete er die Musikband »Jolly Boys«, sie waren vom Swing begeistert.
Nach dem Einmarsch der Wehrmacht im September 1939 musste die Familie ins Ghetto umziehen und Zwangsarbeit leisten. 1943 floh Leon Schwarzbaum, wurde jedoch festgenommen und nach Auschwitz deportiert, dann leistete er Zwangsarbeit bei Siemens-Schuckert-Außenlager »Bobrek«. Es folgten Buchenwald und Sachsenhausen und zwei Todesmärsche.
Nach der Nazizeit kam er nach Berlin, lernte seine Frau kennen, und gemeinsam bauten sie ein Antiquitätengeschäft auf und handelten mit Kunst.
PROZESS Als es vor knapp sieben Jahren zum Prozess gegen den ehemaligen SS-Unterscharführer Reinhold Hanning kam, stand für Leon Schwarzbaum fest, als Zeuge und Nebenkläger aufzutreten und zu den Verhandlungsterminen von Berlin nach Detmold zu fahren. Hanning wurde schließlich wegen Beihilfe zum Mord in 170.000 Fällen im Vernichtungslager Auschwitz verurteilt.
Es gebe kein Verzeihen, denn das könnten nur die Toten, wiederholt er immer wieder. »Die Nazis haben mein Leben zerstört. Warum haben die Deutschen das getan? Warum haben sie diese vielen unschuldigen Menschen ermordet?« Das würde er gerne wissen. »Ich habe viel zu viel Schlimmes erlebt, als dass ich darüber schweigen könnte.«
Der letzte Jolly Boy, ein Dokumentarfilm (2017) von Hans-Erich Viet, steht in der Mediathek des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb).
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