Eine holländische Familie bestellt Kaffee, Kuchen und Wasser. Zwei Russisch sprechenden jungen Frauen hat es das frische Hummus mit kleinen Pitot angetan. Drei Männer in T-Shirts und kurzen Hosen entscheiden sich für die Quiche. Im Café »Delikaktus« herrscht zur Mittagszeit Hochbetrieb. Die Tische in dem kleinen Lokal und im daran anschließenden Gärtchen sind besetzt. Enttäuscht von dannen zieht ein älteres Ehepaar, weil ihr Wunsch nach Alkohol nicht erfüllt werden kann. Das Delikaktus ist alkoholfrei, außerdem aber auch vegan – und koscher.
»Es war unser lang gehegter Wunsch, in unserer Gemeinde über ein koscheres Café zu verfügen«, sagt Mosche Flomenmann, Rabbiner der Israelitischen Gemeinde Lörrach und Landesrabbiner von Baden. Er überwacht Tag für Tag persönlich die Kaschrut. Lange stand das kleine Lokal direkt neben der Synagoge samt dem Gemeindezentrum leer, weil man anscheinend nicht die richtigen Betreiber fand.
Mit dem israelischen Paar Natali Blanc und Amit Baum konnte diese Lücke nun geschlossen werden. Seit Anfang Juni betreiben die beiden engagiert das »Delikaktus«. »Es ist wirklich ein gelungener ›Schiduch‹«, sagt Rabbiner Flomenmann. Denn das Paar aus Israel, das zuerst einige Monate in Freiburg bei einem veganen Catering-Service gearbeitet hatte, suchte nach der Möglichkeit, selbst etwas zu betreiben, und wurde in Lörrach fündig.
Nachhaltigkeit Aus der Gastronomie kommen die beiden allerdings nicht. Amit ist Ingenieur im Fachgebiet »Nachhaltigkeit« und Natali Psychologin. Sie bieten nun täglich, außer an Schabbat und Feiertagen, einen Mittags- und auch Abendtisch an, dazu Aufstriche, Smoothies und Kekse, alles auch zum Mitnehmen.
Das Angebot wird in der Grenzstadt durchaus genutzt, obwohl sich das »Delikaktus« etwas versteckt in einer Nebenstraße der Lörracher Innenstadt befindet, allerdings nur einige Schritte vom Zentrum entfernt. »50 bis 60 Leute kommen am Mittag zu uns«, sagt Amit Baum in gutem Deutsch. Ohne in irgendeiner Form belehrend zu wirken, versuchen Baum und Blanc ein Konzept der Nachhaltigkeit zu betreiben. Wer Hummus nach Hause mitnehmen möchte, zahlt ein kleines Pfand für den Glasbehälter – Müllvermeidung wird großgeschrieben. Um die Tische haben sich die beiden Israelis ebenso gekümmert wie um die anderen Dinge der Innenausrichtung.
Koscher Alle Speisen sind koscher. Rabbiner Flomenmann bekennt im Gespräch, dass er selbst ganz gerne Fleisch isst. »Aber vegan liegt voll im Trend«, räumt er ein. Immerhin: Da im Café keine Kuhmilch, sondern die Soja-Variante oder Kaffee mit geschäumter Hafermilch angeboten wird, stellt sich die Frage nach »Chalav Israel«, also koscherer Milch, nicht, was einiges vereinfacht.
Mit dem »Delikaktus« sei auch der Ruf nach einem Treffpunkt für die Gemeindemitglieder befriedigt, sagt Rabbiner Flomenmann. »Auch gerade für diejenigen unter unseren Mitgliedern, die ihren Lebensmittelpunkt nicht unbedingt nur in der Synagoge haben.« Dazu passt auch ein Iwrit-Kurs für Anfänger und Fortgeschrittene, der jeweils am Donnerstagabend angeboten wird und sich nach Aussage von Amit Baum großer Beliebtheit erfreut.
Natürlich zieht so etwas auch viele Israelis an, die im Dreiländereck leben und möglicherweise einen Treffpunkt fern der Heimat suchen, der sich sonst nur schwer finden lässt. »Wir hatten in dieser kurzen Zeit schon Gäste, die auf dem Weg zum Basler Flughafen einen Umweg einlegten, um bei uns essen zu können«, sagt Amit Baum nicht ohne Stolz.
Unter ihren Kunden seien auch arabische und iranische Gäste. Vielleicht wird das Café also auch zu einem Ort, an dem sich friedlich und nachhaltig vegan-koscher essen – und über die Nahostpolitik diskutieren lässt.