In zarten weißen und blauen Tönen war die Dekoration im Burda-Saal gehalten – bis hin zu den Blumen auf den Tischen. So stimmte schon das Ambiente die Gäste auf den Geburtstag des Staates Israel ein. Zum ersten Mal nach zwei Jahren pandemiebedingten digitalen Feierns konnte man sich wieder live treffen.
Dabei war es auch in diesem Jahr lange nicht klar, ob das Fest stattfinden würde, allerdings aus einem ganz anderen Grund. Der russische Überfall auf die Ukraine hat das Leben verändert, auch und besonders in der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Die IKG hat in den vergangenen Wochen und Monaten viele Flüchtlinge aus der Ukraine versorgt. Was dort passiert, beschäftigt alle täglich.
Die Unabhängigkeit des jüdischen Staates ist auch und gerade in Zeiten der Unsicherheit ein Anlass zum Feiern.
Trotz alledem fiel die Entscheidung, ob Jom Haazmaut festlich begangen werden solle, positiv aus – die Unabhängigkeit des jüdischen Staates ist auch und gerade in Zeiten der Unsicherheit ein Anlass zum Feiern. So wie am Vortag, dem Jom Hasikaron, alljährlich der gefallenen Soldaten gedacht wird, so wird am Unabhängigkeitstag gewürdigt, was die Menschen in Israel in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaut haben.
gedenken Nach einem Moment der Stille und des Gedenkens an die gefallenen Soldaten und die Opfer von Terror und Gewalt ging IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch zunächst auf die Geschichte des jüdischen Staates ein: »Am 5. Ijar 5708, dem 14. Mai 1948, begann eine neue Ära in der Geschichte des jüdischen Volkes. Damals wurde ein historisches Unrecht korrigiert – und ein jüdischer Staat neu gegründet.« Dieser Tag werde mit Jom Haazmaut gefeiert.
Nachdem gemeinsam die Hatikwa angestimmt worden war, zog das Team des Gemeinderestaurants »Einstein« in den Hubert-Burda-Saal ein, angeführt von Restaurantleiter Sven Tweer. Serviert wurde dabei schon der erste Gang des Buffets.
Israel wachse und gedeihe weiterhin, als nationale und spirituelle Heimstatt des jüdischen Volkes, als Lebensversicherung für jeden einzelnen jüdischen Menschen auf der Welt, wie Charlotte Knobloch in ihrer Rede betont hatte. In der Lösung von Problemen, die für andere unüberwindlich scheinen, seien die Israelis bekanntlich Weltmeister. Das Wort »unmöglich« spiele in ihrem Vokabular keine Rolle.
In ihrer Rede ging Charlotte Knobloch auf die Geschichte Israels ein.
Gleichwohl habe das Land noch immer mit vielen Bedrohungen zu kämpfen. Auf diese ging auch die Generalkonsulin des Staates Israel in München, Carmela Shamir, ein. Noch in der Nacht nach der Unabhängigkeitserklärung habe sich der junge Staat im Krieg bewähren müssen.
diplomatie Viele der jahrzehntelangen Feinde seien nun, dank diplomatischer Bemühungen, zu Partnern geworden. So könne der 74. Jom Haazmaut mit Freude und Dankbarkeit gefeiert werden. Nach dem World Happiness Report 2022 rangiere Israel unter den zehn glücklichsten Nationen der Welt.
Carmela Shamir schloss ihre Ansprache mit den Worten: »Nach jeder Nacht geht die Sonne wieder auf. Aufgrund des mutigen Einsatzes unserer Soldaten können wir jetzt unsere Unabhängigkeit feiern. Wir können unser unvergleichliches Land mit seinem wunderbaren Volk feiern. Ich bin stolz auf das, was wir erreicht haben.«
Unter den Menschen, die sich aus München und aus der Gemeinde auf vielfältige Weise für Israel einsetzen, waren einige auserwählt, um die Kerzen für die zwölf Stämme Israels zu entzünden. An erster Stelle stand Ludwig Spaenle, Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe – und der Gemeinde seit vielen Jahren eng verbunden. Ihm folgte Generalkonsulin Carmela Shamir.
kerzen Die dritte Kerze entzündeten Daniel Salzer und Slava Satanovsky zusammen mit weiteren Mitgliedern des Gemeindevorstands. Es folgten Gemeinderabbiner Shmuel Aharon Brodman mit seiner Frau Shoshana. Für die Synagogen Possartstraße und Georgenstraße zündeten Roman Habermann und Thomas Münz jeweils eine Kerze an.
Rena Spiegelstein und Erdal Pembeci wurden stellvertretend für die Helfer für die ukrainischen Flüchtlinge geehrt. Für den Jüdischen Nationalfonds Keren Kayemeth LeIsrael (KKL) wurde Katja Tsafir aufgerufen, für die Zionistische Jugend in Deutschland (ZJD) Carmel Razansky, Ilana Mendelev und Avrum Judanin. Baruch Grüngras wurde von Keren Hayesod aufgerufen. Für den Verband Jüdischer Studenten in Bayern (VJSB) kamen Michael Movchin und für Neschama Chen Jakobi aufs Podium.
Die Ehre der zwölften Kerze wurde Robby Rajber zuteil – der der Gemeinde seit Jahren viel zurückgibt: unter anderem als Präsident des TSV Maccabi München.
Charlotte Knobloch hatte in ihrer Rede Israel als ein normales Land unter anderen Ländern bezeichnet. »Das können, das dürfen und das müssen wir hier in der Diaspora feiern. Israel ist ein andauerndes Geschenk an die Welt – es ist ein Segen unserer Zeit und ein Ort, wie es unter der Sonne keinen zweiten gibt. Deswegen lade ich Sie jetzt zum Abschluss dazu ein, dass wir gemeinsam dieses fantastische große kleine Land feiern.«
geburtstagstorte Zum Ende des offiziellen Teils schnitt Charlotte Knobloch gemeinsam mit der Generalkonsulin die riesige traditionelle Geburtstagstorte an. Anschließend wurde mit Musik und Tanz gefeiert – unter musikalischer Begleitung von Shaul Naim und musikalischen Einlagen von Daniel Pruzansky.
Auch einige derer, die vor dem Krieg aus der Ukraine geflüchtet waren, kamen zur Feierstunde.
Der Kreis der Feiernden war bunt gemischt, auch einige der Kriegsflüchtlinge waren gekommen. Die Zuwanderer von vor 30 Jahren waren ebenso anwesend wie Gemeindemitglieder aus der Nachkriegszeit. Das ergab eine Altersmischung von 0 bis über 90 Jahren. Der jüngste Gast, nur wenige Wochen alt, schlief fest geborgen im Tragetuch an der Brust seiner Mutter.
Nach so langer Zeit ohne persönliche Begegnungen saßen die Älteren meist unter sich zusammen und konnten sich einmal wieder ohne Telefon oder Computer austauschen. »Wir treffen uns doch bald einmal?«, war da weniger eine Frage als eine Aufforderung. Auch auf der Tanzfläche herrschte noch lange ein buntes Treiben – endlich wieder gemeinsam feiern. Und so konnten sich alle über Israels 74. Geburtstag freuen.