An diesem Mittwochabend wird der große Saal des Berliner Gemeindehauses in der Fasanenstraße in Blau-Weiß eingedeckt. Wie jedes Jahr hat Taglit Deutschland zu einem Abend anlässlich des Unabhängigkeitstages Israels, des Jom Hatzmaaut, eingeladen.
Die neue Direktorin des »Birthright«- Austauschprogramms, Antonia Yamin, begrüßt die ersten Gäste, die in Abendrobe in den Saal kommen. An der Decke kreisen leuchtenden Davidsterne. Eine Dame in langem Kleid stöckelt hinein, ihr Blick wandert nach oben. »Schau mal!«, sagt sie.
Ihr Mann und sie stehen einen Moment da und folgen der kreisenden Bewegung. Festlich beginnt dieser Abend in Berlin, aber auch ein wenig sentimental.
Draußen vor der Tür hängen die Plakate mit den Bildern der Geiseln, die noch immer in Gaza gefangen sind. Als alle da sind, die Rabbiner Yehuda Teichtal und Yitshak Ehrenberg, der israelische Botschafter Ron Prosor, Vertreter der Jüdischen Gemeinde und des Zentralrats, wird ein Musikvideo abgespielt: »Habaita, habaita!« ruft ein Chor, »Nach Hause!«.
Omnipräsente Botschaft
Von Trommeln und Trompeten begleitet lautet die Botschaft: »Bring them back home«. Auch an einem fröhlichen Tag wie dem Jom Haatzmaut ist sie omnipräsent.
Reshef Almog trägt die Botschaft, wie so viele, am Anzug: eine Gelbe Schleife, als Zeichen der Solidarität. Der junge Israeli, mit einem Bart wie Theodor Herzl, ist 2012 nach Deutschland gezogen. Der Jom Haatzmaut sei daher für ihn auch mit einer gewissen Sehnsucht verbunden. »Es ist wirklich ein ganz besonderer Tag«, sagt er, »gerade in diesen Zeiten.«
Jeweils zum 5. Ijar begeht Israel diesen fröhlichen Feiertag, der an die Proklamation des jüdischen Staates durch David Ben Gurion 1948 erinnert. »In Israel gibt es viele Bühnen und Festlichkeiten, zu denen ich früher gegangen bin«, erzählt Almog.
Verbindung mit Jom HaSikkaron
»Es ist aber auch ein Tag, der direkt mit dem Jom HaSikkaron verbunden ist, der Gedenktag für die getöteten Soldaten und Anschlagsopfer, der nur einen Tag davor stattfindet.« Auch in Berlin stehen nun die Gäste auf, für eine Schweigeminute, um der Opfer des 7. Oktober und des Krieges zu gedenken.
Später ergreift Antonia Yamin, die neue Direktorin des Taglit Programms, in einem zitronengelben Kleid das Wort. »Die meisten von euch kennen mich aus dem Fernsehen, einige aus dem israelischen Fernsehen, andere aus dem deutschen Fernsehen«, stellt sie sich vor.
Yamin war 15 Jahre lang Reporterin, unter anderem für die Bild und den Fernsehsender Kanal 12. »Dann kam der 7. Oktober und hat alles verändert.« Sie habe eine Tochter und sei nicht bereit, dass sie in Deutschland als Jüdin aufwächst, die Angst hat zu sagen, dass sie Jüdin ist. »Ich habe mir die Aufgabe gestellt, Taglit Deutschland zu leiten, um meine Tochter, aber auch um eure Kinder zu retten.«
Noch mehr verbunden
Seit dem Ausbruchs des Krieges melden sich viele junge Menschen bei Taglit, nicht um eine der bekannten Jugendreisen zu unternehmen, sondern weil sie dem Land helfen wollen, erzählt Anna S., die die Reisen koordiniert. »Die meisten wollen nicht am Strand liegen, sondern beispielsweise bei der Ernte mit anpacken.«
Viele Deutsche mit jüdischen Wurzeln fühlten sich dem Land nun noch mehr verbunden – und mit diesem Gefühl in Deutschland zunehmend isoliert. Eine Taglit Reise helfe ihnen, zu verstehen, dass sie nicht allein sind, sagt Anna S. Das stärke auch in der Diaspora das jüdische Selbstbewusstsein.
Der Geschäftsführer des Zentralrats der Juden, Daniel Botmann, betont ebenfalls die Bedeutung Israels für Juden überall: »Seit Jahrzehnten bezeichnen Juden weltweit Israel als ihre Lebensversicherung, eine Garantie dafür, dass Juden keine Angst vor Verfolgung und Vernichtung haben müssen. Und wenn es hart auf hart kommt, gibt es einen kleinen Fleck auf dieser Erde, wo ein Jude immer willkommen ist.«
Das Schicksal Israels und das der Juden in der Diaspora seien unweigerlich miteinander verbunden, so Botmann. »Wenn Israel leidet, leiden wir. Wenn es Israel gut geht, geht es uns auch gut.«