Vor dem Feiern steht das Gedenken: Am 4. Ijar, der in diesem Jahr auf den 1. Mai fällt, ist Jom Hasikaron, der Tag, an dem der gefallenen israelischen Soldaten und der Terroropfer gedacht wird. Am 5. Ijar wird gefeiert, nämlich Jom Haazmaut, der Unabhängigkeitstag.
David Ben Gurion nannte den jungen israelischen Staat 1948 einen »Fels für die Zuversicht der Juden«. Als Fels gilt das Land den deutschen Juden auch heute noch, entsprechend wird in vielen Gemeinden der Unabhängigkeitstag festlich begangen.
»Obwohl ich einen deutschen Pass habe und Deutschland meine Heimat ist, fehlte mir ohne Israel – meine andere Heimat – der Sicherheitsfaktor«, sagt Rami Suliman, Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Pforzheim. In Israel geboren, kann sich Suliman noch gut an den ersten Unabhängigkeitstag erinnern, den er als Kind bewusst miterlebte. »Ich war vielleicht fünf Jahre alt und habe vom Strand aus der Militärparade zugeguckt, das war natürlich ungeheuer spannend.«
Start-up-Nation In der Pforzheimer Gemeinde werden die Erinnerungstage immer begangen, betont er. Es gibt eine Party, bei der auch über das Land und seine Entwicklung informiert wird. Der Unterschied zwischen seinen beiden »Heimatländern« sei schon sehr groß: »Innovation, neue Ideen, die Welt zu verbessern, das ist Israel«, sagt Suliman und fügt lachend hinzu: »Aber wenn man zum Beispiel was mit einem exakten 90-Grad-Winkel machen möchte, dann wird es kompliziert, das macht man besser in Deutschland.« Ideal wäre eine Kombination: »die deutsche Genauigkeit, der Fleiß, die Industrie und die Innovationsfreudigkeit und der israelische Ideenreichtum«.
»Was mir Israel bedeutet? Das kann ich in wenigen Worten erklären: sehr, sehr viel«, sagt Simone Graumann, Präsidentin von WIZO Deutschland. »Israel ist die Garantie, dass wir Juden weiter bestehen werden, unsere ewige Zuflucht, unser Rettungsanker – und ich bin richtig stolz, dass dieses kleine Land in so kurzer Zeit so viel erreicht hat.«
Als Kind war sie zum ersten Mal in Israel, »und wie oft ich seither dort war, kann ich gar nicht zählen, nicht nur im Rahmen der ehrenamtlichen Arbeit für die WIZO, wir haben auch Familie dort«. Nach Israel zu reisen, betont Simone Graumann, »ist für mich wie das Gefühl, nach Hause zu kommen. Allein schon, wenn man beim Landeanflug die Küste sieht: Das ist ein ganz besonderes Gefühl.« Und so wünscht sie dem Land neben Frieden vor allem eines: »Noch unendlich viele Unabhängigkeitstage feiern zu können.«
Existenzsicherung Wadim Laiter, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Magdeburg, sagt: »Israel ist alles, denn: Ohne die Existenz des Staates kann das Judentum nicht existieren, davon bin ich fest überzeugt.« Er besuchte das Land 1994 zum ersten Mal. »Der Anlass war nicht erfreulich, meine Mutter lag im Sterben, und so habe ich in Jerusalem die zwei schwierigsten Monate meines Lebens verbracht und sie dann zu Grabe getragen. Seither ist Jerusalem für mich auch meine private heilige Stadt.« Nun lebt der Vater noch dort. »Wir besuchen ihn jedes Jahr.«
Aufgewachsen ist Laiter auf der Krim. Dort konnte die Familie von Israel lange Jahre »nicht einmal träumen«, erinnert sich Wadim Laiter. »Die erste Welle der Alija war in den 70er-Jahren, als der sowjetische Staatschef Leonid Breschnew um 1969 herum den Juden erlaubte, auszureisen. Aber wer es plante, musste mit Anfeindungen rechnen. Ich erinnere mich noch genau, dass Leute deswegen beschimpft und attackiert wurden. Wir haben natürlich in der Familie darüber gesprochen, aber wir hatten keine Vorstellung von dem Land, denn es gab ja in der Sowjetunion noch kein Internet und keine Bücher darüber. Alles war heimlich – man musste Angst haben, als sogenannter Zionstenvertreter im Gefängnis zu landen.«
Propaganda Mit zwölf, 13 Jahren, erzählt Laiter weiter, habe ihn dann die Frage beschäftigt, warum Israel in den sowjetischen Medien immer so negativ dargestellt wurde. »Die Propaganda sprach beispielsweise von den israelischen Aggressoren, die ein Flüchtlingslager bombardiert und dabei einen Menschen verletzt hatten. Ich habe mich dann immer gefragt, wie Bomben so wenig anrichten können – bis ich später erfuhr, dass die Bewohner vor den Terror-Vergeltungsangriffen gewarnt wurden, aber das wurde in der Sowjetunion verheimlicht.« Anfang der 90er-Jahre konnte die Familie schließlich ausreisen.
»Israel wird – wie gesagt – bei uns in der Gemeinde ganz großgeschrieben, alle zwei Jahre unternehmen wir eine Bildungsreise dorthin, öfter können wir uns das leider nicht leisten«, sagt Laiter. »Aber den Unabhängigkeitstag, den werden wir wie immer gebührend feiern.« Die Gemeinde sei »schließlich für Israelis in Magdeburg eine Insel«, sagt Laiter stolz, insgesamt zehn studieren oder arbeiten in der Stadt.
Unterstützung Auch in der Jüdischen Gemeinde Mönchengladbach ist Israel nicht nur am Unabhängigkeitstag ein Thema: »Wir unterstützen das Land, wo wir nur können, und zwar in Wort und Tat«, sagt die Vorsitzende Leah Floh. »Wenn etwas passiert, wie Naturkatastrophen oder bewaffnete Auseinandersetzungen, dann sammeln unsere Mitglieder spontan Geld. Israel ist schließlich die einzige Versicherung, die wir haben. Solange es den Staat gibt, geht es uns in der Diaspora auch gut.«
Floh ist im Ural aufgewachsen. »Ich habe aber immer eine Sehnsucht nach Israel gehabt, und als ich dann mit 30 Jahren endlich ausreisen durfte, hatte ich, als das Schiff in Netanya anlegte, gleich das Gefühl: Hier gehöre ich hin.« Dass sie sofort wählen durfte, begeistert sie noch heute: »Ich ging in der Sowjetunion nie zur Wahl, wen sollte man auch wählen? Aber in Israel, da war es mir eine Herzenssache, da war ich sofort stolze israelische Bürgerin. Am Israel Chai!«
Michael Kashi verbindet mit dem Unabhängigkeitstag nicht nur Schutz für die Juden in aller Welt, sondern auch »eine große Ehre für mich persönlich: Ich bin nämlich einen Monat nach der Gründung 1948 geboren und damit eines der ersten Kinder, die im Staat Israel zur Welt kamen«.
Nach der Schule ging das heutige Vorstandsmitglied der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg zur Armee. »Ich habe als Fallschirmjäger am Sechstagekrieg teilgenommen. Dass es Krieg geben würde, war uns allen schon lange vorher klar, es gab den Versuch, die Quellen des Jordans abzuleiten und Israel verdursten zu lassen, täglich kamen aus Jordanien Terroristen.«
Wenn er Fotos der heutigen israelischen Soldaten sieht, denkt er oft: »Das sind ja fast noch Kinder! Was können die schon ausrichten? Aber wir waren ja auch solche Kinder, und wir haben es geschafft, wir glaubten aber auch wirklich fest daran.«
Sechstagekrieg Im Sechstagekrieg, in dem er an der Wiedereroberung Jerusalems beteiligt war, habe er erlebt, dass »unsere Soldaten immer die Menschenrechte achteten, Zivilisten halfen und für die Gefangenen sorgten. Heute ist das nicht anders, deswegen tut mir auch diese Negativpropaganda gegen Israel so weh.« Nach Stuttgart kam Kashi »durch Zufall«. Er war auf Familienbesuch, habe im Geschäft mitgeholfen und blieb. »Das hat sich einfach so ergeben.«
Den Geburtstag verbringt er aber jedes Jahr in Israel. »Der älteste Sohn lebt mittlerweile in Jerusalem.« Und in Stuttgart wird es – wie in jedem Jahr – ein Fest zum Unabhängigkeitstag geben. »Da kommen immer bis zu 150 Leute. Am Israeltag, dem 11. Mai, veranstalten wir mitten in der Stadt zusammen mit der Deutsch-Israelischen Gesellschaft eine öffentliche Feier, mit großer Bühne, Reden, Musik und Tanz, an der nicht nur die geladenen Gäste, sondern auch die Passanten teilnehmen.«