Das jüdische Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk (ELES) hat am Montag seinen 15. Geburtstag gefeiert. Seit der Gründung 2009 habe die Einrichtung mehr als 1200 junge Jüdinnen und Juden mit einem Stipendium gefördert, teilte das Studienwerk mit. Wir haben ehemalige und jetzige Stipendiaten gefragt, was sie mit ELES verbindet.
Jonas Fegert (31), Berlin
Meine erste Begegnung mit ELES liegt 15 Jahre zurück. Damals, 2009, fand in der Aula des Berliner Jüdischen Gymnasiums die feierliche Eröffnungsveranstaltung statt. Als Schüler ahnte ich nicht, dass dieses Studienwerk mein Leben prägen würde. Nur ein Jahr später wurde ich Stipendiat. ELES hat mich durch mein Studium begleitet und meine Perspektiven erweitert. Es war der erste Raum, in dem ich jüdische Positionen und Erfahrungswelten kennenlernen durfte, die ich – in Deutschland aufgewachsen – bis dahin nicht für möglich gehalten hatte. Über die Jahre hinweg durfte ich ELES aus verschiedenen Blickwinkeln erleben – als Stipendiat, Mitarbeiter, später als Vertrauensdozent und Beiratsmitglied.
Was ich besonders an ELES schätze? Seine Rolle als Ort des Austauschs und der jüdischen Streitbarkeit, oder wie es meine ehemalige Mitstipendiatin Hannah Peaceman nennt: Machloket (Debatte). ELES ist ein Raum für Dialog und Kontroversen, der dazu beiträgt, neue Ideen zu entwickeln und gesellschaftliche Fragmentierung zu überwinden. Gerade in diesen herausfordernden Zeiten nach dem 7. Oktober 2023 wird ELES mehr denn je gebraucht: als Rückzugsort, der Stipendiaten und Stipendiatinnen stärkt und damit dem schwierigen und oftmals rauen gesellschaftlichen Klima etwas entgegensetzt. Zum 15. Jubiläum wünsche ich ELES, dass man sich weiterhin unbequemen, aber relevanten Themen stellt – sei es der Reflexion jüdischer Perspektiven in der deutschen Erinnerungskultur, der Auseinandersetzung mit Antisemitismus und Demokratiefragen oder der Förderung religiöser jüdischer Pluralität. Ich wünsche mir, dass ELES nicht nur Stipendien vergibt, sondern ein lebendiger Impulsgeber für die jüdische Gemeinschaft bleibt – ein Ort, der inspiriert, stärkt und verbindet. Mazal tov, ELES!
Or Yosefov (31), Israel/Berlin
ELES bietet eine seltene Kombination aus akademischer Exzellenz und jüdischer Gemeinschaft. Die Förderung durch ELES ist eine herausragende Chance, die eigene wissenschaftliche Ausbildung zu vertiefen, eingebettet in ein außergewöhnlich unterstützendes Netzwerk. Das Stipendienprogramm umfasst neben finanzieller auch ideelle Unterstützung, die den Austausch mit anderen Stipendiaten und Stipendiatinnen sowie Referenten und Referentinnen, deren Perspektiven und Erfahrungsschatz anregt und mir stets wertvolle neue Einsichten verschafft. Als Stipendiat aus Israel hat mir ELES zudem einen Zugang zur deutsch-jüdischen Diaspora eröffnet, ihrer Geschichte, ihren Stärken und den Herausforderungen, mit denen sie heute konfrontiert ist. Zum einen ermöglicht ELES fokussiertere Studien- und Dissertationsjahre, in denen sich Stipendiaten und Stipendiatinnen der eigenen Forschung intensiv widmen können. Zum anderen schafft ELES einen Raum für Begegnungen und interdisziplinären Austausch, der weit über das rein Fachliche hinausgeht. Der offene Dialog über Jüdischsein und Judentum in der Gegenwartsgesellschaft sowie über Vergangenheit wie auch Zukunft ist ein Bestandteil der ELES-Gemeinschaft, den ich besonders schätze und der in Zeiten zunehmenden Antisemitismus an Aktualität gewinnt. ELES-Grundwerte des pluralistischen Meinungs- und Ideenaustausches, des respektvollen Miteinanders und der Erkenntnis suchenden Wissenschaftlichkeit, die von Vergangenem über das Gegenwärtige Neues lernen kann, sind über die Jahre prägend für ihre Gemeinschaft geworden.
Dimitar Dimitrov (26), Berlin
Ich arbeite an meinem Masterabschluss im Konzertfach Orgel an der Universität der Künste und bin seit Oktober 2023 Stipendiat des Studienwerks. Die Förderung hat für mich eine große Bedeutung. Es wird sowohl mein studentischer Weg zum Beruf finanziell gefördert als auch meine jüdische Identität unterstützt. Das gibt mir die großartige Möglichkeit, mich durch viele Veranstaltungen und gemeinsame Aktivitäten mit anderen jüdischen Studierenden zu vernetzen, auszutauschen und miteinander in Kontakt zu bleiben.
Das Studienwerk erwartet im Gegenzug gesellschaftliches Engagement. Das hat mir viele neue Perspektiven eröffnet, und ich konnte weitere eigene Kompetenzen entwickeln. Das ELES-Stipendium gibt mir eine finanzielle Sicherheit während meines Studiums, sodass ich mich auf meine Ausbildung, meine musikalische Entwicklung, aber auch auf mein gesellschaftliches Umfeld konzentrieren kann. In jüngster Zeit haben sich viele neue Themen und Diskussionen entwickelt – beispielsweise, wie wir als jüdische Studierende auf schwierige Situationen reagieren und auf welche Weise die Dozentinnen und Dozenten uns dabei unterstützen können. Nach dem 7. Oktober 2023 hat sich die Atmosphäre an den Berliner Universitäten radikal verändert. Als ELES-Stipendiat fühle ich mich in Zeiten von zunehmendem Antizionismus und Antisemitismus nicht allein.
Vivien Golub (19), Berlin
Das Studium der Medizin war seit jeher ein großer Traum von mir. Aber der Weg in ein Medizinstudium ist auch mit finanziellen und persönlichen Hürden verbunden. Umso glücklicher bin ich, dass ich die Möglichkeit habe, als Stipendiatin von ELES meinen Traum zu verfolgen und gleichzeitig in einer fördernden Gemeinschaft zu wachsen. ELES ist ein Netzwerk, das Menschen zusammenbringt, die nicht nur akademisch ambitioniert sind, sondern auch gesellschaftlich etwas bewegen wollen. Die Förderung hat mein Leben auf vielerlei Weise bereichert. Neben der finanziellen Unterstützung bietet ELES ein einzigartiges Umfeld, in dem ich mich sowohl persönlich als auch intellektuell weiterentwickeln kann. Dank des Stipendiums von ELES kann ich mich ohne ständige finanzielle Sorgen auf mein Studium fokussieren. Es ermöglicht mir, meinen Traum zu leben und gleichzeitig ein Stück Unabhängigkeit zu bewahren. ELES ermutigt mich, interdisziplinär zu denken und mich mit Themen auseinanderzusetzen, die über die Medizin hinausgehen.
Eine der schönsten Erfahrungen bei ELES ist die Begegnung mit anderen Stipendiaten und Stipendiatinnen. Wir kommen alle aus ganz unterschiedlichen Fachrichtungen, Hintergründen und Lebensrealitäten. Diese Vielfalt ist eine unglaubliche Bereicherung. In der Gemeinschaft von ELES habe ich auch ein starkes Netzwerk aufgebaut, das mich inspiriert und motiviert. Ein zentrales Thema bei ELES ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität und Religion. Die Workshops, die ELES anbietet, sind besonders bereichernd. Sie eröffnen mir neue Wege, meine Religion im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen zu verstehen.
Ich träume davon, nicht nur als Ärztin tätig zu sein, sondern auch einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten – sei es durch interkulturelle Projekte, wissenschaftliche Arbeit oder ehrenamtliches Engagement. ELES hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, nicht nur für sich selbst zu leben, sondern auch Verantwortung für andere zu übernehmen. Diese Werte werde ich auf meinen weiteren Weg mitnehmen – und hoffe, dass ich dadurch andere genauso inspirieren kann, wie ich selbst inspiriert wurde.
Moritz Amos Rinaldo (25), Berlin
Ich bin seit Herbst 2022 in der Förderung bei ELES, war bereits ein Jahr lang Sprecher der Regionalgruppe Ost und bin nun seit Juli Gesamtsprecher des Studienwerks. Da meine Familie nicht über allzu große finanzielle Mittel verfügt, bedeutet die Förderung für mich auch ein Stück zusätzliche Lebensqualität während des Studiums. Darüber hinaus hat mir ELES in den zwei Jahren aber auch schon so viel mehr ermöglicht. Als ich zum Beispiel Ende 2022 ein Semester in New York verbringen wollte, hat meine damalige Betreuerin trotz verstrichener Fristen alles in Bewegung gesetzt, um mir eine zusätzliche Auslandsförderung zu ermöglichen. In wichtigen Situationen ist auf die tollen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von ELES immer Verlass. Darüber hinaus schätze ich insbesondere die Pluralität und die Umgangskultur. Während man selbstverständlich einer Vielzahl postsowjetischer Juden und Jüdinnen begegnet, finden sich in der Förderung auch Israelis, Juden und Jüdinnen aus Nord- und Südamerika und darüber hinaus aus aller Welt.
Bei den regelmäßigen Sitzungen des Stipendiatischen Rates kommen die spannendsten Gespräche zustande. Ich würde sogar behaupten, in keinem anderen deutschen Begabtenförderwerk kann man so viele verschiedene Sprachen hören wie bei ELES. Mein bisheriges Highlight war eine Reise, die ich in die Heimat meiner Familie, nach Italien, organisieren durfte: Im April dieses Jahres erkundeten wir gemeinsam Ferrara und seine bedeutende jüdische Geschichte. Für all diese Möglichkeiten bin ich ELES überaus dankbar.
Chana Marks (24), Mainz
Seit 2021 bin ich Stipendiatin bei ELES. In dieser Zeit hat ELES mir nicht nur in ideeller, sondern auch in finanzieller Hinsicht geholfen, mein Studium erfolgreich zu gestalten. Die Förderung, die ich durch ELES erfahre, bedeutet für mich weit mehr als nur eine materielle Unterstützung – sie ist eine Quelle der Motivation und eine Bestätigung für meine akademischen Ziele. Als Studentin der Humanmedizin bietet ELES mir die Möglichkeit, mich intensiver auf meine akademischen Ziele zu konzentrieren. Was ich an ELES besonders schätze, ist die ideelle Unterstützung, die mir das Gefühl gibt, nicht allein auf meinem Weg zu sein. Die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft von engagierten jüdischen Studierenden ist für mich eine wertvolle Erfahrung. Die vielen Angebote von ELES, sei es durch regelmäßige Veranstaltungen oder die Möglichkeit, sich mit anderen Studierenden auszutauschen, fördern nicht nur das persönliche Wachstum, sondern auch das Zugehörigkeitsgefühl.
Gerade als jüdische Studentin, die sich in einer überwiegend nichtjüdischen Umgebung bewegt, ist es besonders wichtig, eine solche Plattform zu haben, die mich stärkt und mich in meinem Glauben unterstützt. Es ist beeindruckend und von unschätzbarem Wert, wie ELES stets ein offenes Ohr für die Anliegen der Studierenden hat und gezielt auf individuelle Bedürfnisse eingeht. Besonders schätze ich auch die Weiterbildungsangebote von ELES, die mir ermöglichen, mich sowohl fachlich als auch persönlich weiterzuentwickeln. Die Organisation von Workshops und Seminaren gibt mir die Möglichkeit, mich in Bereichen zu stärken, die über das Studium hinausgehen und mich als Mensch weiterbringen. Ich bin unglaublich dankbar dafür, was mir in den vergangenen Jahren durch ELES alles ermöglicht wurde, und für die Unterstützung, die ich weiterhin erfahren darf. Die ideelle und finanzielle Förderung hat mir nicht nur geholfen, mein Studium zu meistern, sondern mich auch als Mensch wachsen lassen.
Zusammengestellt und aufgezeichnet von Christine Schmitt