Die Tür vom »Koscherland« in Köln geht ständig auf und zu. »In diesem Jahr kommen mehr Kunden zu uns als im vorigen«, sagt Geschäftsführer Kambiz Alizadeh. Denn vor einem Jahr, zu Beginn der Pandemie, hatten die Menschen Angst, sich beim Einkaufen mit dem Virus anzustecken.
Nun habe er den Eindruck gewonnen, dass sich viele Kunden für den Sederabend zu Hause in einem kleinen Kreis eindecken. Vollkorn-, Zwiebel-, Eier- und die »normalen« Mazzen hat er im Angebot, ebenfalls würden wieder Gefilte Fisch, Wein, Kuchen, israelische Oliven und Makronen nachgefragt.
»Es ist schwierig für alle, ich hatte gehofft, dass die Pandemie abklingen würde und wir die Synagoge öffnen können.«
Rabbiner Elischa Portnoy
Die großen Feiern fallen auch in diesem Frühling aus, denn die Situation lässt keine Menschenansammlungen zu, und auch die Politik verhindert diese mit strikten Kontaktbeschränkungen. Rabbiner Elischa Portnoy, der in Halle und Dessau amtiert, hatte am vergangenen Montag noch ein Online-Seminar zu Pessach angeboten. Aber eine Feier werde es in den Synagogen nicht geben.
Inzidenzen Speziell Halle weist eine hohe Inzidenz an Neuinfektionen auf, weshalb die Tür geschlossen bleibt. Die Gemeindemitarbeiter haben deshalb Pakete an ihre Mitglieder geschickt, sodass diese alles Nötige für die Feier haben dürften. »Ich rufe sie auch an und frage nach, wie es ihnen geht. Ich möchte den Kontakt halten«, erzählt der Rabbiner.
Aus halachischer Sicht ist es nicht erlaubt, über die Pessachtage den Computer anzuschalten und sich per Zoom mit anderen zu treffen. Das gelte für ihn auf jeden Fall. »Ich werde vorher Pessachgrüße austauschen, dann bleiben von Freitag bis Montag die Computer aus, und danach frage ich, wie das Fest war.« Er selbst werde gemeinsam mit seiner Familie feiern. »Seit zwölf Jahren das erste Mal unter uns zu Hause.«
Dass einige Gemeindemitglieder allein in ihren vier Wänden feiern, bedauert er, aber Corona lasse nun einmal nichts anderes zu. Die Gesundheit, Vorsicht, dass man sich nicht ansteckt – all das gehe vor. Sein Tipp: Auch allein könne man ein schönes Gericht genießen, die Haggada in Ruhe lesen, über die Geschichte nachdenken und für sich entscheiden, was für einen wirklich interessant ist. »Es ist schwierig für alle, ich hatte gehofft, dass die Pandemie abklingen würde und wir die Synagoge öffnen können.«
Familienfeier Das letzte Mal hat Sarit Friedman, Religionslehrerin an der John-F.-Kennedy-Schule in Berlin, ihren Vater im Januar vor einem Jahr gesehen. Er – wie auch ein großer Teil ihrer Verwandten – lebt in Israel. Da der Vater kein Smartphone besitzt, kann die Tochter nicht auf Facetime oder WhatsApp zurückgreifen. Aber mit ihren Verwandten will sie per Chat Grüße austauschen. »Ich möchte auch an diesen Tagen den Kontakt aufrechterhalten, das ist mir wichtig.«
Die Lehrerin plante ursprünglich, mit ihrem Ehemann und ihrer 18-jährigen Tochter ihre Mutter, die ebenfalls in Berlin lebt, zu besuchen, um den Sederabend gemeinsam zu verbringen. Möglicherweise sei dies aber nach den neuesten Beschlüssen von Bund und Ländern vom Montag nicht mehr möglich. Nun habe sich die Seder-runde sehr verkleinert. »Auch die Freunde müssen wir schützen, denn sie gehören der Risikogruppe an.«
Aber sie würden es sich schön machen und die Feier genießen. Immerhin lebe ihre Tochter wieder bei ihnen zu Hause. Da sie in den Niederlanden studiert und die Uni coronabedingt nur online stattfindet, kann sie von Berlin aus lernen. Nun wartet die Lehrerin erst einmal auf einen Impftermin.
Mustergültig Rostock könnte derzeit als Musterstadt bezeichnet werden, was die Pandemie angeht. Sogar ein Fußballspiel fand nun vor einem reduzierten Publikum statt. »Wir haben uns dennoch entschieden, nichts zu machen«, sagt Juri Rosov, Gemeindevorsitzender. Bei einem Gemeinde-Sederabend würden 80 Prozent der Mitglieder der Risikogruppe angehören.
Beim Essen könne man aber keine Masken tragen, und viele Gespräche, bei denen auch Wein getrunken wird, könnten zu einem gefährlichen Abend werden. »Schweren Herzens haben wir uns entschieden, dass nur zu Hause gefeiert werden kann, und das noch vor der Entscheidung der Ministerpräsidenten.« An ältere Mitglieder gingen Pessachpakete raus. Die Sederabende gehörten sowieso der Familie, sagt der Gemeindechef, auch wenn der Kreis jetzt schrumpft.
Das Gelsenkirchner Jugendzentrum bietet ein Pessach-Quiz an.
Rostocks Gemeinderabbiner Yuriy Kadnykov telefoniert mit den Mitgliedern, bietet Hilfe an und verleiht Haggadot. »Leider gibt es auch viele, die ganz alleine sein werden. Aber da müssen nun alle durch.« Für ältere Mitglieder hatte die Gemeinde Computerkurse angeboten, und so hätten sie die Möglichkeit, per Chat im Kontakt zu bleiben.
Es könne nun auch jeder selbst entscheiden, ob er über die Feiertage per Internet Grüße austauscht. Er sei noch unsicher, ob er mit seiner Mutter, die in Israel lebt, über Facetime spricht. Mit seiner Lebensgefährtin und deren Mutter werde er den Sederabend in einem kleinen Kreis verbringen.
Großeltern Auch Dan Schwarz aus Gelsenkirchen will gemeinsam mit seinen Geschwistern und den Eltern die Tage schön gestalten. »Es ist ja ein Familienfest, aber es ist schade, dass nicht alle kommen können.« Denn für seine Großeltern, die auch in der Stadt wohnen, wäre es nicht sicher, so der 20-Jährige, der dem Leitungsteam des Jugendzentrums angehört. Sie werden deshalb am Sederabend nur zu zweit sein. Er will ihnen auf jeden Fall schöne Grüße ausrichten, wahrscheinlich per Zoom.
Im Jugendzentrum wird es am Sonntag per Zoom ein Pessach-Quiz geben und »Skribbl« gespielt. Dabei zeichnet eine Person einen Begriff auf dem Laptop, und die anderen müssen raten, was die Zeichnung bedeuten soll.