Was ist dir heilig? Für mich ist das nicht nur eine persönliche Frage, sondern auch ein Arbeitsauftrag. Denn das ist die Überschrift zu einem partizipativen Element in der Dauerausstellung des neuen Frankfurter Jüdischen Museums, das ich gestalten darf.
Damit geht ein lang gehegter Traum in Erfüllung: Ich darf in einem jüdischen Haus arbeiten und das kreativ umsetzen, was ich während meines Studiums gelernt habe – Innenarchitektur mit dem Schwerpunkt auf Museums- und Ausstellungsdesign. Die Museumsdirektorin Miriam Wenzel bot mir außerdem den Job einer Projektmanagerin für die neue Dauerausstellung des Museums an. Damit sitze ich praktisch an der Schnittstelle zwischen den Architekten und Kuratoren.
Ich bin stolz, Teil dieses Teams zu sein und eigene Gedanken einzubringen. Vor allem sind dabei sowohl mein kreatives Auge als auch meine jüdische Emotion gefordert – das also, was mir außer meiner Familie am wichtigsten ist und mich als Person ausmacht.
schwester Parallel dazu hatte ich gerade damit begonnen, eine andere Idee, die mich schon lange beschäftigt, wieder aufzugreifen und in die Tat umzusetzen. Mich haben diese kitschigen und altmodischen Karten, die es traditionell in der jüdischen Kultur bei den verschiedenen Anlässen und Feiertagen zum Verschicken gibt, immer schon genervt.
Meine jüngere Schwester Michal, die in Singapur lebt, gab den Anstoß. »Warum entwirfst du nicht selbst Karten, in einem modernen jüdischen Design?«, fragte sie mich, und ich dachte: Warum eigentlich nicht?
Ein Jahr hat es gedauert, bis ich ganz alleine meine eigene Firma »seven cards« und die Website dazu aufgebaut hatte. In dieser Zeit saß ich beinahe jeden Abend daheim am Computer und habe mit meinen Grafikprogrammen ein Set für den kompletten Jahrkreis entworfen: Grußkarten für Rosch Haschana, Chanukka und Pessach, Glückwunschkarten für die Barmizwa und Karten mit »Masal tow!«, die man für unterschiedliche Anlässe verwenden kann.
weihnukka Bis eine Karte fertig ist, erstelle ich bis zu 40 Vorentwürfe. Es muss alles stimmen – die abgerundeten Ecken, die Farbgebung und auch die Qualität des Papiers. Lange habe ich herumexperimentiert, bis ich eine Oberfläche gefunden habe, die sich gut beschreiben lässt, ohne dass die Tinte verwischt oder verschmiert.
Ich arbeite sehr eng mit einer Frankfurter Druckerei zusammen. Am Anfang sagte ich mir: Gut, erst einmal lasse ich 100 Stück von jeder Sorte drucken. Wenn keiner sie kaufen will, habe ich eben Grußkarten für mich selbst bis ans Ende meines Lebens.
Aber es kam anders, und das habe ich kurioserweise auch dem Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann zu verdanken. Er riet mir, eine »Weihnukka«-Karte zu gestalten, die also von Christen und Juden gleichermaßen verwendet werden kann. Und tatsächlich ist dies das erfolgreichste Motiv von allen, das sich am besten verkauft. Natürlich habe ich den Prototyp mit einem Dankeschön ins OB-Büro geschickt. Und jetzt wächst die Nachfrage nach meinen Karten und wird immer größer, sodass ich mit dem Marketing gar nicht hinterherkomme.
supermarkt Sogar ein Judaica-Store in Südafrika hat Interesse bekundet, Bestellungen kommen auch von mehreren jüdischen Museen, zum Beispiel aus London und München. Ein koscherer Supermarkt in Wien zählt ebenso zu meinen Kunden wie natürlich auch mehrere Schreibwarenläden hier in Frankfurt.
Wo immer ich hingehe und meine Karten präsentiere, ist die Resonanz äußerst positiv, auch in nichtjüdischen Geschäften. Das freut mich sehr. Vor allem aber bestellen auch viele Privatleute online Karten bei mir, über meine Website, sogar aus den USA treffen Orders ein. Da ist dann der Versand manchmal teurer als die Karten. Ich habe den Eindruck, es gilt im Augenblick wieder als schick, Glückwunschkarten selbst zu schreiben und per Post zu versenden, statt immer nur über WhatsApp jemandem zu gratulieren. Ja, im Augenblick bin ich keine One-Man-Show, aber eine Ein-Frau-Firma, auch wenn ich in meiner Familie fleißige Helfer habe.
Mein Tag ist voll: tagsüber im Museum, und abends, wenn die Kinder schlafen, sitze ich zu Hause in meinem Arbeitszimmer und bringe mein kreatives Kartenprojekt voran. Natürlich hat das Museum im Augenblick Priorität, aber das andere möchte ich dennoch nicht aufgeben. Im Gegenteil, ich habe noch so viele Ideen: Servietten, Platzsets, Pappteller, für alles könnte man Entwürfe mit zeitgemäßen jüdischen Motiven gestalten!
machane Meine Mutter bekommt alle meine Entwürfe als Erste zu sehen. Ihr habe ich meine kreative Ader zu verdanken. Sie hat mit meinen Schwestern und mir viel zu Hause gebastelt. Das hat mich sicher sehr geprägt. Später habe ich als Bastel-Chugistin auf Machane in Bad Sobernheim mit Kindern gearbeitet. So kam es dazu, dass ich auch im Jüdischen Museum das Kinderprogramm mitgestaltet habe.
Zurzeit konzipiere ich dieses Programm gemeinsam mit dem Museumspädagogen Manfred Levy vom Pädagogischen Zentrum Frankfurt, einer Kooperation des Fritz Bauer Instituts mit dem Jüdischen Museum. Wir bieten Kindern ab dem Alter von sechs Jahren ein abwechslungsreiches Programm an, mit altersgerechter Anleitung, kreativem Basteln und Spielen. Ich finde es toll, den Kleinen bereits in diesem Alter das Museum oder überhaupt Kultur schmackhaft zu machen. Mit meinen beiden Söhnen gehe ich auch oft ins Theater, oder wir besuchen zusammen verschiedene Ausstellungen.
Nach meinem Studium habe ich allerdings erst einmal etwas ganz anderes gemacht und als Visuelle Merchandiserin gearbeitet, das heißt, ich habe unter anderem für ein großes Modekaufhaus die Schaufenster gestaltet. Das ist in Wien gewesen, wohin ich wegen meines Mannes Joav gezogen war. Joav ist Banker und hat dann ein Jobangebot in meiner Heimatstadt Frankfurt erhalten, sodass wir hierhergezogen sind. In Frankfurt wurden auch unsere beiden Söhne Ben und Gil geboren. Sie sind fünf und drei Jahre alt. Meine Eltern sind beide in Israel aufgewachsen, so wie ich und zwei meiner drei Schwestern auch. Aber vor rund 30 Jahren sind wir nach Deutschland gezogen.
unterstützung Mein Mann Joav ist mir eine große Unterstützung bei meinem Kartenprojekt, wie auch mein Vater Chaim. Joav kümmert sich um die Buchhaltung, und mein Vater hat sich bereit erklärt, beim Versand zu helfen. Oder er hütet die Kinder, damit ich mehr Zeit habe.
Denn ich verschicke die Karten nicht einfach so: Jede Klappkarte wird akkurat gefaltet, in einen Umschlag gelegt und in einer ebenfalls von mir entworfenen Papiertüte verpackt, die wiederum mit einem Band geschlossen wird. Denn ich packe immer auch ein Stück Liebe mit ein, wenn ich eine Bestellung versende.
Seit Neuestem habe ich auch eine »Goldfine-Collection« im Angebot, dabei handelt es sich um Klappkarten mit Folienprägungen in Roségold. Und meine Auflage hat sich gesteigert: Jetzt lasse ich nicht mehr nur 100 Stück drucken, sondern gleich 1000.
Aufgezeichnet von Barbara Goldberg