Bremens Landesrabbiner Netanel Teitelbaum saust in die Wohnküche der neuen Pflege-Wohngemeinschaft. Gerade noch war er auf einer Hochzeit, nun bringt Teitelbaum eine Mesusa neben der Glastür des hellen Gemeinschaftsraums an. Der Segen gelte für das ganze Haus, für alle seine Bewohner und Mitarbeiter, sagt der Rabbiner.
Seit vergangenem Freitag beherbergt die Wohnanlage für alte Menschen im Bremer Stadtteil Hemelingen die jüdische Pflege-Wohngemeinschaft »Hillel«. 13 pflegebedürftige Menschen können hier einziehen. »Diese Einweihung ist ein wichtiger Schritt, den Rest des Weges müssen wir jetzt zusammen machen«, sagt Ulrike Scheer, die das Hemelinger Stiftungsdorf der Bremer Heimstiftung leitet. Nach jahrelanger Erfahrung sowohl in der Pflegeorganisation wie in der praktischen Betreuung älterer Menschen habe sie sich »erst einmal schlau gelesen«, sagt Scheer. »Wir müssen von der jüdischen Gemeinde an die Hand genommen werden.«
Impulse Wie schon bei einer Einrichtung für muslimische Senioren, die vor gut fünf Jahren eröffnet wurde, basiert auch die Geschichte von Hillel auf einer Kooperation des sozialen Trägers und der Gemeinde. »Die Lebendigkeit der jüdischen Gemeinde hat uns während der ganzen Planung sehr beeindruckt«, sagt Alexander Küntzel, Vorsitzender des Vorstands der Bremer Heimstiftung.
So könne Heimat im hohen Alter aussehen. Diese Einrichtung sei eine Chance für die Entwicklung der Altenpflege insgesamt, sagt Küntzel. Und Hillel könne dabei Impulse geben: »Das Konzept der Pflege-Wohngemeinschaften gibt es bei der Bremer Heimstiftung schon länger«, sagt Elvira Noa, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde im Land Bremen. »Das stößt auch bei Kolleginnen aus Frankfurt oder Berlin auf viel Interesse.«
Hier haben die Bedürfnisse mit der demografischen Entwicklung der Bremer jüdischen Gemeinde zu tun, die nach dem Zuzug aus der ehemaligen Sowjetunion mehr als 1.000 Mitglieder zählt. Viele sind alt – und leben auch an der Weser in der russischen Sprache. So ist neben der koscheren Küche und der Möglichkeit den Schabbat gemeinsam zu begehen, auch der Empfang russischsprachiger TV-Sender ein wichtiges Kriterium. »Diese Frage kam sehr häufig bei den bisherigen Besichtigungsterminen«, sagt Ulrike Scheer.
Samowar Das Pflegepersonal ist durchgängig russischsprachig, fachlich qualifiziert und nimmt in Sachen Küche und Religion gerade Nachhilfe im Gemeindehaus an der Schwachhauser Heerstraße, das wie die Synagoge im August 50 wird. »Es geht nicht darum, sich abzuschließen, sondern um das Recht der Menschen, auch im Alter ihre Kultur zu leben – damit man dann nach draußen gehen kann.« Einen passenden Namenspatron hat man mit dem Ethiker Hillel gefunden.
Ihre individuelle Heimat im Alter müssen die Bewohnerinnen und Bewohner selbst bestimmen. »Ob da ein Samowar aufs Zimmer muss oder nicht, können die alten Menschen schließlich selbst entscheiden«, sagt Ulrike Scheer.