Der Streit um eine Immobilie auf der Hamburger Rothenbaumchaussee 19 ist noch nicht beendet. Seit Jahren sind die Eigentumsverhältnisse des Gebäudes, das seit 1945 im Besitz der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist, unklar. 1935 hatte der NS-Lehrerbund die Immobilie der jüdischen Familie Hallgarten zum auffallend niedrigen Preis von 40.000 Reichsmark abgekauft. Deutliche Anzeichen für eine Arisierung sagten Kritiker und forderten schon lange die Rückgabe des Gebäudes an die jüdische Gemeinde.
Vorwürfe Jetzt soll ein neuer Bieter das Haus von der GEW erwerben, der in enger Verbindung zur jüdischen Gemeinde steht. Doch Chabad Lubawitsch, die ebenfalls an einem Kauf des Gebäudes interessiert sind, halten dagegen. Ihr Rabbiner Shlomo Bistritzky erhebt schwere Vorwürfe gegen die Gemeinde. Von Vorteilsnahme und Amtsmissbrauch ist die Rede. Im Hamburger Abendblatt wird Bistritzky mit den Worten zitiert, Gemeindevorsitzender Ruben Herzberg lasse »wertvolle Immobilien an seine Günstlinge verschachern«. Dieser nannte dies Vorwürfe »völlig haltlos«. Er verwahre sich gegen diese Vorwürfe und erwäge ernsthafte Schritte gegen diese »falschen Anschuldigungen«, sagte Herzberg der Jüdischen Allgemeinen.
Wie jetzt aus der Presse zu erfahren ist, handelt es sich bei dem aktuellen Bieter, der ursprünglich bis zur offiziellen Vertragsunterzeichnung anonym bleiben wollte, um Burton Feingold, den Ehemann der stellvertretenden Gemeindevorsitzenden Karin Feingold. Er sei der einzige Kaufinteressent, gewesen, der bereit war, das Konzept der Gemeinde voll zu unterstützen.
Rückgabe Zu den Plänen von Chabad, die in dem Gebäude ein eigenes Zentrum und Wohnräume für Bistritzky und seine Familie unterbringen wollten, sagte Herzberg: »Mit welcher Berechtigung erhebt eine Gruppierung wie Chabad Lubawitsch, die nur einen ganz kleinen Teil des Spektrums des Judentums repräsentiert, Anspruch auf dieses Gebäude?« In Hinblick auf die Geschichte des Hauses ginge es doch darum, »dass hier mit einer großzügigen Geste der GEW den Juden Hamburgs dieses Gebäude zurückgegeben wird und Raum für Dialog geschaffen wird.« Die GEW hatte auf einen Teil des Kaufpreises verzichtet, damit der Käufer die Räume im Erdgeschoss für mindestens zehn Jahre mietfrei der Jüdischen Gemeinde überlassen kann.
Die Gemeinde hofft, hier Büroräume für die Gemeindeverwaltung zu finden, da durch die Erweiterung der Joseph-Carlebach-Schule die Räumlichkeiten in der alten Talmud-Tora-Schule knapp werden. Damit trage die GEW entscheidend dazu bei, dass der Wiederaufbau eines jüdischen Schulwesens in Hamburg erleichtert wird, sagt Herzberg. In dem Gebäude soll unter anderem die Akademie der Weltreligionen sowie eine Dauerausstellung zur jüdischen Geschichte Hamburgs unterkommen. Dieses Konzept sei ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der Jüdischen Gemeinde, und ganz nebenbei, so Herzberg, werde so der alten Jugendstilvilla ihre jüdische Geschichte wiedergegeben.