Mein Leben ist durch zwei Migrationen bestimmt: Geboren wurde ich in Rumänien. 1970, als ich zwölf Jahre alt war, sind wir nach Israel ausgewandert, ganz offiziell. In Rumänien musste ja alles, was mit der jüdischen Identität zu tun hatte, ausgespart werden. Es wurde darüber einfach nicht gesprochen. Die Zeit in Israel war wunderbar für mich. Ein helles, warmes Land, in dem ich mich aufgehoben fühlte. Nach vier Jahren haben wir unser neues Zuhause allerdings wieder verlassen, diesmal in Richtung Deutschland. Denn meine Mutter bekam wegen des Klimas gesundheitliche Probleme.
Sprachlich war die Umstellung kein Problem: Deutsch konnte ich gut, weil ich damit aufgewachsen bin. Ich habe in meiner Familiengeschichte nachgeforscht – das mache ich seit etwa fünf Jahren sehr intensiv. Die Spuren meiner Familie reichen bis ins 15. Jahrhundert zurück.
So habe ich etwa herausgefunden, dass ein Teil meiner Familie großmütterlicherseits aus Wien stammt. Meine Großmutter selbst sprach gar kein Rumänisch: Bei uns zu Hause wurde sowohl Deutsch als auch Ungarisch gesprochen, Rumänisch nur in der Schule. Später in Israel kam dann natürlich Hebräisch dazu.
Im Zuge der zwei Migrationen habe ich zwei Schuljahre übersprungen. Mein Abitur habe ich in Offenbach gemacht und bin dann zum Studieren wieder nach Rumänien gegangen. In Deutschland hätte ich wegen des Numerus clausus zwei Jahre warten müssen. Doch ich wollte möglichst schnell Zahnmedizin studieren. 1982 habe ich mein Examen gemacht und ein Jahr später in der Praxis angefangen, in der ich noch immer arbeite.
beruf Meine Schwerpunkte sind Implantologie und Endodontie, also Wurzelbehandlung. Meine Frau arbeitet mit mir zusammen, insgesamt sind bei uns 14 Mitarbeiter beschäftigt. Das größte Kunststück besteht für mich darin, eine Praxis zu führen und meinen Trainingsplan einzuhalten. Denn ich bin leidenschaftlicher Sportler.
Sport ist fester Bestandteil meines Lebens, und das schon seit meiner Kindheit. Ich bin mit elf Jahren Segelflugzeuge geflogen und Gokart gefahren, habe später Basketball gespielt, gefochten und eine Zeit lang Motorsport betrieben. Vor mehr als 20 Jahren entdeckte ich dann den Triathlon. Grund dafür war eine Rückenverletzung – bei Zahnärzten ein sehr verbreitetes Phänomen. Die immerzu gebeugte Arbeitshaltung schadet auf Dauer dem Rücken.
Der Orthopäde, bei dem ich zur Behandlung war, sagte mir, ich müsse mein Leben und meinen Beruf ändern. Das konnte ich nicht akzeptieren. Denn ich liebe meinen Beruf. So habe ich mich belesen und bin in der Bücherei auf den Bericht einer Physiotherapeutin gestoßen: Sie hatte einen Bandscheibenvorfall und konnte nach einem Jahr gezielten Trainings sogar einen Marathon laufen. Ich wusste damals nicht einmal, wie lang ein Marathon überhaupt ist. Für mich waren zehn Kilometer schon eine große Distanz. Doch ihre Geschichte ermutigte mich.
wettkämpfe Angefangen habe ich mit Laufen, das war mir auf Dauer aber zu eintönig. Dann habe ich die anderen Disziplinen dazu genommen und nach und nach ausgebaut. Dabei habe ich mir immer realistische Ziele gesetzt. Schwimmen war für mich das Allerschwierigste. Nur mit viel, viel Geduld bin ich vorangekommen. Doch es hat sich gelohnt. Denn ein Ergebnis meines kontinuierlichen Trainingsprogramms war: Ich wurde nach und nach beschwerdefrei und bin es bis heute geblieben.
Inzwischen habe ich viele Wettkämpfe absolviert, bin zehnfacher Ironman-Finisher, einmal bin ich sogar in Hawaii gestartet. Mein schönstes Erlebnis war der New-York-Marathon 1999. Die nächsten Wettkampf-Termine stehen im Sommer bevor: erst der Ärzte-Triathlon in Niedernberg im Juli, dann im August die europäische Makkabiade in Berlin.
Dabei hatte ich die EMG ursprünglich gar nicht eingeplant. Eigentlich hatte ich mich schon für den Triathlon in Maastricht angemeldet. Doch dann fragten mich die EMG-Veranstalter, ob ich nicht als Sportler an den European Maccabi Games teilnehmen wolle. So eine Gelegenheit ist einzigartig und sehr besonders. Es ist eine ganz große Ehre für mich, dass ich in Berlin dabei sein kann. Natürlich erhoffe ich mir auch einen guten Platz in der Altersklasse.
Sportler wie ich trainieren immer mit Blick auf das Ziel. Der Wettkampf ist mir wichtig. Zu trainieren um des Trainierens willen, das ist für mich weniger reizvoll – ich brauche eine Herausforderung. Denn ohne Ziel funktioniert es nicht, weder im Sport noch im Leben – dann wird man nachlässig, hat mal heute keine Lust, dann auch morgen nicht, und so geht es dann weiter.
Zeit Ich habe gelernt, ein Gefühl für die Zeit zu entwickeln und ein Zeitgerüst zu verinnerlichen, an dem ich mich orientiere. Ich plane nicht nur die nächsten Wochen und Monate, sondern sogar Jahre im Voraus. Meine Woche ist genau durchstrukturiert und rund um meinen Trainingsplan aufgebaut: Montags bin ich vormittags in der Praxis, donnerstags auch nachmittags; dienstags, mittwochs und freitags habe ich vormittags frei.
Die Arbeitszeit in der Praxis habe ich so organisiert, dass ich meine langen Trainingseinheiten an Werktagen absolvieren kann, damit am Wochenende auch genug Zeit für die Familie bleibt: meine Frau, meine beiden Töchter und auch meine Mutter, die wie wir in Offenbach lebt und bald 90 Jahre alt wird.
Mein Wecker klingelt meist um fünf Uhr. Das Training beginnt um sechs oder sieben Uhr, je nachdem, welches Pensum ich mir vorgenommen habe. Vor der Arbeit laufe ich, in der Mittagspause fahre ich zum Schwimmen. Die lange Trainingseinheit besteht aus Radfahren, Laufen und Schwimmen. Der Sport ist ein Ausgleich zu meinem Beruf. All das unter einen Hut zu bringen – Berufliches, Privates und den Sport –, ist eine große Herausforderung. Um die Zeit auszugleichen, die ich mir für das Training zugestehe, arbeite ich in der dunklen Jahreszeit auch samstags.
Außerdem habe ich an der Universität Münster eine Zusatzausbildung zu Psychosomatik in der Zahnheilkunde begonnen. Eine spannende Ausbildung! Psychologie interessiert mich sehr, aber auch Philosophie und Literatur. Ich lese sehr gerne. Zu meinen Lieblingsautoren gehören Arthur Schnitzler und Franz Kafka. Was Literatur betrifft, gab es eine Lücke in meiner Schulzeit, denn als wir in Israel lebten, besuchte ich ein naturwissenschaftliches Gymnasium.
interessen Eine weitere Leidenschaft ist das Theater. Meine Frau und ich gehen oft ins Schauspiel Frankfurt; ab und an fahren wir auch nach München ins Theater. Auch sonst verreisen wir gerne. In der ersten Juniwoche fahren wir nach Südtirol. Wir werden dort unseren Hochzeitstag und meinen Geburtstag feiern. Meiner Frau zuliebe machen wir auch manchmal Golfurlaub. Aber das ist sonst keine Sportart, mit der ich etwas anfangen kann. Dann schon lieber Triathlon! Zweimal im Jahr fahre ich für zehn Tage ins Trainingslager nach Frankreich. Ich versuche also, all meinen Interessen intensiv nachzugehen.
So etwas wie »Chillen« kenne ich eigentlich gar nicht. Ein ganz großer Luxus ist es für mich, wenn ich am Wochenende lesen oder meditieren kann. Ob ich mir zu viel zumute? Zweimal im Jahr lasse ich mich sportmedizinisch untersuchen. Solange meine Werte in Ordnung sind, nehme ich weiter an Wettkämpfen teil.
Aufgezeichnet von Canan Topçu