Live-Schalten über Schokoladenhasen mit Mundschutz bis hin zu Pandabären im Berliner Zoo: Sportjournalist Uri Zahavi hat in den vergangenen Monaten so einiges miterlebt. Die Corona-Krise hat seine Tätigkeit auf den Kopf gestellt.
Statt in Fußballstadien vor der Kamera zu stehen und für den Fernsehsender rbb über Tore, Spieler und Fans zu berichten, verschlug es ihn in Confiserien, auf Spargelfelder und in Buchhandlungen. Täglich ab halb sechs morgens war er mit seinem Kamerateam in Berlin und Brandenburg unterwegs, um etwas über die Sorgen der Menschen zu erfahren.
Die gegenwärtige Ausnahmesituation mache aber auch erfinderisch.
»Die Aufgabe war ein Privileg und eine Herausforderung zugleich«, sagt der 29-Jährige, »aber ich war auch froh, als es nach zwei Monaten zum Sport zurückging. Mir hat das wirklich gefehlt, bestimmt auch anderen Menschen.«
Stadion Doch auch in der Sportberichterstattung ist nichts, wie es einmal war. »Ins Stadion dürfen wir nicht mehr, auch Pressekonferenzen finden nur noch per Videokonferenz statt«, sagt Uri Zahavi. Seinen Gesprächspartnern nicht mehr direkt in die Augen zu blicken, sei eigenartig. »Die journalistische Grundlage besteht ja darin, mit einem Menschen zu reden, ihm tatsächlich zu begegnen.« Den Gesprächspartnern nicht mehr direkt in die Augen blicken zu können, sei eigenartig.
Die gegenwärtige Ausnahmesituation mache aber auch erfinderisch. Da er über das DFB-Pokalfinale zwischen Bayer 04 Leverkusen und dem FC Bayern München im Berliner Olympiastadion Anfang Juli nicht direkt berichten durfte, folgte er den Fans ins Autokino. »Das war auch eine interessante Erfahrung«, sagt er.
In den vergangenen drei Jahren hat Zahavi als Berichterstatter die Endspiele aktiv mit begleitet. »Für gewöhnlich liegen sich die Fans in den Armen, tröten und trinken das eine oder andere Bier.« Doch dieses Mal »war alles völlig absurd«. »Es herrschte eine bedächtige Stimmung, aus Rücksicht vor den Nachbarn waren nur Lichthupen erlaubt. Das hat beim ersten Tor aber auch nicht viel gebracht, da war es noch hell«, sagt der Journalist. »Ich hoffe, dass die Erfahrungen einmalig bleiben und dass das soziale und gesellschaftliche Leben bald wieder hochgefahren werden kann.«
Praktikum Der Journalist arbeitet seit 2016 für den rbb. Ein Jahr zuvor absolvierte er dort ein fünfmonatiges Praktikum. Am Ende sagte ihm der Chef: »Melde dich bei uns, wenn du mit deinem Studium fertig bist.« Ein Satz, der dem jungen Journalistikstudenten nicht mehr aus dem Kopf ging. »Kaum hatte ich meine Bachelor-Arbeit eingereicht, griff ich zum Hörer und rief in der Redaktion an«, sagt Uri Zahavi.
Eine Redaktionsassistenz wurde ihm angeboten, er sagte zu, packte seine Sachen und zog von Hannover zurück nach Berlin. Hier wohnt er mit Unterbrechungen, seit er drei Monate alt ist. »Geboren wurde ich in Tel Aviv, das ist noch immer mein zweites Zuhause«, sagt der Journalist.
Zahavi besuchte die Heinz-Galinski-Grundschule, »nicht aus religiösen Gründen, ich sollte Hebräisch schreiben und lesen lernen, das war meinen Eltern wichtig. Mündlich beherrschte ich die Sprache bereits.« Sein Abitur absolvierte er dann an einem bilingualen Gymnasium mit den Schwerpunkten Englisch und Deutsch.
Makkabi Neben der Sprachaffinität war auch Sport stets ein wichtiges Moment in seinem Leben. Beim Verein TuS Makkabi Berlin spielte er über viele Jahre in der Fußball-Abteilung. Seine Teilnahme an der Makkabiade im Jahr 2009 – der größten jüdischen Sportveranstaltung, die ähnlich konzipiert ist wie die Olympischen Spiele – sei für ihn ein persönlicher Höhepunkt gewesen. Er erinnert sich noch gut an das Einlaufen ins Ramat-Gan-Stadion in Tel Aviv, die vielen Tausend Zuschauer, die den Sportlern zujubelten. Noch heute steht er gern auf dem Rasen und kickt, »aber in der Medienliga, das heißt ich spiele zum Beispiel gegen Teams vom Tagesspiegel oder Sat1«.
Vor der Kamera zu stehen, ist für Uri Zahavi aufgrund seiner frühen Kindheitserfahrungen nicht neu. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Art Familientradition: Seine Schwester Lili Zahavi ist Schauspielerin; sein Vater Dror Zahavi ist TV- und Kinoregisseur, der vor allem Filme fürs deutschsprachige Publikum dreht.
TV Beispielsweise inszenierte er zwischen 1997 und 2006 mehrere Folgen der Krimiserie Doppelter Einsatz und erhielt 1999 für die Folge »Die Todfreundin« den Deutschen und den Bayerischen Fernsehpreis. Mit seinem Film Alles für meinen Vater feierte Zahavi senior 2008 sein Kinodebüt. Der Film wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem dem Publikumspreis des 30. Internationalen Filmfestivals Moskau.
Mit am Set zu sein, zu sehen, wie dort mit der Kamera gearbeitet wird – all das hat Zahavi junior beeinflusst. »Ich glaube, deshalb bringe ich eine gewisse Natürlichkeit mit«, sagt er. Sein Ziel: »Ich will ›ich sein‹ vor der Kamera.«
An der Makkabiade teilzunehmen, war ein persönlicher Höhepunkt.
Ein Vorhaben, das nicht einfach ist. »Ich gestikuliere unheimlich gern und viel, das ist in einem Bericht aber nicht immer angebracht.« Er erinnert sich an eine Kurzmitteilung seiner Chefin, kurz nachdem sein Beitrag ausgestrahlt wurde. »›Jetzt hätte ich dir gern mal die Arme angebunden‹, hat sie geschrieben, solche Kritik nehme ich mir schon zu Herzen.« Sie sei wichtig, um weiterzukommen, davon ist er überzeugt.
Biathlon Mit seiner quirlig-neugierigen Art hat es Zahavi schon weit gebracht – bereits seit 2016 berichtet Uri Zahavi als Social-Media-Reporter für die ARD vom Biathlon. »Ich hatte bis dato nichts damit am Hut, es war – wie so oft im Journalismus – ein Sprung ins kalte Wasser«, sagt er. Heute ist er begeistert von diesem Kosmos, in den er jährlich von Dezember bis März eintaucht.
»Man glaubt gar nicht, was dort abgeht, die Fans stehen bei minus zehn Grad Celsius mit Thermoskannen stundenlang an verschneiten Pisten, da ist so viel Herzlichkeit.« Auch massenhysterische Momente, die ausgelöst wurden, als Zuschauer die ehemalige Biathletin Magalena Neuner entdeckten, hat er beobachtet.
»Mich erkennen sie auf der Straße«, sagt Uri Zahavi. Eine Sache, die ihm aus Berlin völlig fremd sei. »Es ist unheimlich spannend, was ich bereits alles erleben durfte«, schwärmt er.
Er sei glücklich darüber, beruflich das machen zu dürfen, was ihm Spaß bereite. Umso mehr hofft er, dass es nach der Sommerpause mit der Berichterstattung »normal« weitergeht.