Auszeichnung

Im Sinne des Stifters

Am Mittwoch vergangener Woche wurden erstmalig die »ELNET Awards« vergeben. Das European Leadership Network zeichnete damit »außergewöhnliches Engagement für jüdisches Leben in Deutschland sowie für deutsch-israelische Beziehungen« in den Kategorien gesellschaftliches, politisches und kulturelles Engagement aus. Jeder Preis ist mit 5000 Euro dotiert.

Geladen wurde zu einer Gala in die renommierte Amano Rooftop Conference in Berlin-Mitte. Coronabedingt musste die Gala kleiner ausfallen als ursprünglich geplant. So war es eine überschaubare Zahl an Teilnehmern, die der Verleihung beiwohnten und anschließend israelische Delikatessen genießen durften.

GÄSTE Die siebenköpfige Jury reichte von Felix Klein, dem Bundesbeauftragten für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, bis zur Gesellschaftsreporterin Beate Wedekind. Den Vorsitz hatte Axel Wallrabenstein, Mitglied des Beirats von ELNET Deutschland, übernommen. Er unterhielt sich mit Tom Corby, dem Präsidenten der Erwin Rautenberg Foundation, der aus Los Angeles zugeschaltet wurde.

Der langjährige Chefbuchhalter informierte über die Motive von Erwin Rautenberg, Sohn eines jüdischen Kaufmanns aus Bückeburg, der als Einziger seiner Familie die Schoa überlebte. Trotz des Schmerzes und des Verlustes seiner Familie habe er einen Sinn darin gesehen, weltweit die Lage der Juden zu verbessern – möglicherweise sogar gerade wegen dieses Schmerzes und dieses Verlustes.

Denn trotz der überaus tragischen Geschichte seiner Familie gab Erwin Rautenberg seine Beziehung zu Deutschland auch in seiner neuen Heimat Kalifornien nie auf und engagierte sich lebenslang bei der Aufarbeitung der Naziverbrechen sowie der Aufklärung der deutschen Jugend. Der Preis ist also ganz im Sinne des Stifters, der im Februar 2011 im Alter von 90 Jahren verstarb.

grussansprache Bundesministerin Christine Lambrecht war an diesem Abend Schirmherrin. In dieser Eigenschaft nutzte sie die Grußansprache, um auf Aktivitäten der Bundesregierung gegen Rassismus und Antisemitismus hinzuweisen. Etwa auf das Gesetz gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität, das im April in Kraft getreten ist. Damit würde die Verfolgung von Hasskommentaren insbesondere im Netz erleichtert.

Ferner habe man im Strafgesetzbuch ausdrücklich festgeschrieben, dass antisemitische Beweggründe bei der Strafzumessung zu berücksichtigen seien. Zwei Gesetze, die sich im juristischen Alltag erst noch bewähren müssen. Die Ministerin räumte auch gleich ein, dass Strafgesetze allein nicht ausreichen, den erstarkenden Antisemitismus zurückzudrängen, es komme auf die Zivilgesellschaft an. Genau deshalb war man zusammenkommen, um deren Menschen und Institutionen mit dem neuen Preis auszuzeichnen.

VIELFALT Der Preis für herausragendes kulturelles Engagement wurde präsentiert von Nicola Galliner, der Gründerin und langjährigen Leiterin des Jüdischen Filmfestivals Berlin & Brandenburg (JFBB). Passenderweise ist der erste Preisträger der Regisseur Arkadij Khaet. Sein Kurzfilm Masel Tov Cocktail zeige die Vielfalt jüdischen Lebens »im komplexen Spannungsfeld zwischen Geschichte und Gegenwart«, so die offizielle Begründung der Jury. Bei der Laudatorin Nicola Galliner klingt das so: »Er bringt das Jüdische in die deutsche Filmlandschaft zurück, und das mit einer unglaublichen Treffsicherheit. Dieser Film hat bereits jetzt deutsche Filmgeschichte geschrieben.«

Der Preis für herausragendes gesellschaftliches Engagement wurde laudatiert von Serap Güler, Staatssekretärin für Integration im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen. Übergeben wurde er an Johannes Böing vom Lernzentrum von Borussia Dortmund, das junge Fans des Bundesligavereins »niederschwellig für eine offene und vielfältige Gesellschaft« begeistern möchte.

Tenor des Abends: Es kommt auf die Zivilgesellschaft an.

Der Verein, der in der Vergangenheit mit rechtsradikalen Tendenzen in den Fankurven zu kämpfen hatte, möchte nun gerade Rechtsradikalismus, Islamismus und Antisemitismus bekämpfen, und Johannes Böing nannte ohne festes Redemanuskript als Beispiel die außerschulische politische Jugendbildung, womit man sich in der Ruhrgebietsmetropole vor allem an bildungsferne Jugendliche aus sozial schwierigen Familien wende.

»Es geht immer darum, methodisch abwechslungsreich zu arbeiten, aktivierend zu arbeiten und immer am Erleben und am Alltag der Jugendlichen anzusetzen«, sagte Böing. »Es ist uns ein Herzensanliegen, für die Demokratie einzustehen, und bei der Zielgruppe, für die wir das tun, ist das von besonderer Wichtigkeit.« Es gelte, weitere Themen zu »beackern«, ganz oben auf der Liste stünden Sexismus und Homophobie.

KLARSTELLUNG Für die Laudatio zum Preis für herausragendes politisches Engagement wurde aus Hamburg die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank zugeschaltet. Gerade ein Jahr alt ist die Organisation »democ« – ein Kürzel, das für den Verein »Zentrum Demokratischer Widerspruch« steht. Fegebank beschreibt, was democ für den Preis qualifizierte. Die Organisation »beobachtet, dokumentiert und analysiert demokratiefeindliche Bewegungen. Sie schauen hin, wenn andere wegschauen«.

Der Publizist Rafael Seligmann übergab den Preis und nutzte die Gelegenheit, die Vertreterin von democ danach zu fragen, welche ihrer Aktionen besonders hervorzuheben seien. Das, was Katharina Fegebank in ihrer Laudatio noch »propalästinensische Demonstrationen« genannt hat, rückt die Vertreterin der prämierten Organisation nun mit dem Begriff »anti-israelische Demonstrationen« ins richtige Licht. Es gehe democ darum, darüber aufzuklären, dass es dabei zu antisemitischen Vorfällen kommt und entsprechende Narrative bedient werden, denn man wolle »Antisemitismus in all seinen Facetten abbilden«.

Die eigentliche Nachricht des Abends aber war neben den drei ausgezeichneten Preisträgern der Umstand, dass die Jury die Qual der Wahl hatte. Es waren nämlich noch 37 weitere Organisationen und Einzelpersonen als potenzielle Preisträger nominiert.

München

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