Bad Segeberg

Im Norden angekommen

Einen einzigen Cent spendete Shoshana Lasowski. Sie glaubte nicht an den Traum, dass aus der alten, verfallenen Lohmühle in Bad Segeberg ein Zentrum für eine neue lebendige jüdische Gemeinde werden würde. Sollte es doch 1,6 Millionen Euro kosten.

Das war vor zehn Jahren. Shoshana Lasowski hatte Unrecht. Und freut sich darüber wohl selbst am meisten. Aus der vermüllten Mühle wurde mitten in der Stadt ein lebendiges Gemeindezentrum, die neue Synagoge Mishkan Ha’Zafon, die Synagoge des Nordens.

Neubeginn 28 Juden in Segeberg gründeten am 17. Februar 2002 die erste jüdische Gemeinde, und am 20. April hielt Rabbiner Walter Rothschild die erste Toralesung nach dem Holocaust. Die Gemeinde wuchs schnell. Bei der Eröffnung der Synagoge 2007 hatte sie bereits 170 Mitglieder, und jetzt sind es mehr als 200, die meisten Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion.

Jetzt ist die Lohmühle eine Begegnungsstätte mit Kindergarten und Jugendzentrum, der einzigen Mikwe in Schleswig-Holstein, Bibliothek, koscherer Küche, Unterrichts- und Versammlungsräumen, Synagogensaal, einer Gedenkstätte für Segebergs Holocaustopfer und einem grünen Spielplatz.

Normalität »Wir sind zurückgekehrt in eine neue Normalität mit freundlichem Umfeld«, sagt Walter Blender, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Segeberg. Blender ist der Visionär, der Mann, der seine Mitstreiter motivierte, wieder eine neue jüdische Heimat zu bauen.

»Was hier geleistet wurde, ist unfassbar«, sagte Charlotte Knobloch, ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden, bei ihrem Besuch 2009. Um das zu erreichen, packten alle Gemeindemitglieder mit an und mauerten, fliesten, hobelten und sägten, pflanzten Bäume, säten Rasen, nähten Gardinen und bauten aus altem Mobiliar Toraschrank und Bima.

»Die Weihung der Synagoge ist ein historischer, ein bewegender Tag für unser ganzes Land«, sagte Peter Harry Carstensen bei der Eröffnung des Zentrums im Juni 2007. Schleswig-Holsteins damaliger Ministerpräsident lobte vor allem den Vorsitzenden der Gemeinde: »Walter Blender gebührt Dank und Anerkennung für seine Beharrlichkeit!«

Hilfestellung Der Segeberger hatte zeitgleich Juden in Ahrensburg, Pinneberg, Elmshorn und Kiel bei der Gründung einer Gemeinde unterstützt und nach langen Auseinandersetzungen mit der damaligen Jüdischen Gemeinde Hamburg den Landesverband Schleswig-Holstein geführt. Der 50-Jährige sorgte auch dafür, dass die Zuwanderer betreut wurden, Deutsch und Hebräisch lernten, und machte sie wieder mit ihrer Religion vertraut.

»Wir haben keine Hypothek, wir sind schuldenfrei«, sagt Blender. Vorstandsmitglied Stephan Aaron Weckwerth ist dankbar. Er fühle so etwas wie Genugtuung, dass sie es trotz vieler Widrigkeiten geschafft haben. »Wir sind endlich zu Hause angekommen, und wir vergessen nie, wie uns die Segeberger Verwaltung, das Land, die Kirche, die Firmen und die Nachbarn geholfen haben«, sagt Ljudmila Budnikov, zweite Vorsitzende.

»Es ist ein Wunder und hat aus uns eine starke Gemeinschaft gemacht«, sagen Gabi und Peter Siegfried, das erste Paar unter der Chuppa in Bad Segeberg. Der Traum ging in Erfüllung. Shoshanas Centstück klebt an der Spenderwand mit den Namen vieler Unterstützer.

Chanukka-Umfrage

»Wir brauchen das Licht«

Was für Lieblingssymbole haben Gemeindemitglieder? Und wie verbringen Familien das Fest, wenn ein Partner Weihnachten feiern möchte? Wir haben nachgefragt

von Brigitte Jähnigen, Christine Schmitt  25.12.2024

Berlin

Wenn Hass real wird

Die Denkfabrik Schalom Aleikum beschäftigt sich mit dem gesellschaftlichen Einfluss sozialer Medien

von Alicia Rust  23.12.2024

Interview

»Wir sind neugierig aufeinander«

Amnon Seelig über die erste Konferenz des Kantorenverbandes, Lampenfieber und das Projekt Call a Kantor

von Christine Schmitt  22.12.2024

Porträt der Woche

Ein Signal senden

David Cohen ist Geschäftsführer eines Unternehmens und setzt sich gegen Judenhass ein

von Matthias Messmer  22.12.2024

Soziale Medien

In 280 Zeichen

Warum sind Rabbinerinnen und Rabbiner auf X, Instagram oder Facebook – und warum nicht? Wir haben einige gefragt

von Katrin Richter  20.12.2024

Hessen

Darmstadt: Jüdische Gemeinde stellt Strafanzeige gegen evangelische Gemeinde

Empörung wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024 Aktualisiert

Debatte

Darmstadt: Jetzt meldet sich der Pfarrer der Michaelsgemeinde zu Wort - und spricht Klartext

Evangelische Gemeinde erwägt Anzeige wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024

Hessen

Nach Judenhass-Eklat auf »Anti-Kolonialen Friedens-Weihnachtsmarkt«: Landeskirche untersagt Pfarrer Amtsausübung

Nach dem Eklat um israelfeindliche Symbole auf einem Weihnachtsmarkt einer evangelischen Kirchengemeinde in Darmstadt greift die Landeskirche nun auch zu dienstrechtlichen Maßnahmen

 19.12.2024

Ehrung

Verdiente Würdigung

Auf der Veranstaltung »Drei Tage für uns« wurde der Rechtsanwalt Christoph Rückel ausgezeichnet

von Luis Gruhler  19.12.2024