Purim 2021: Seit einem Jahr schränkt die Corona-Pandemie das öffentliche Leben ein. Auch die üblichen Kostümwettbewerbe und das gemeinsame Festmahl zum Losfest fallen aus. »Ich hatte immer noch gehofft, dass dieses Fest, das vor einem Jahr das letzte war, das wir noch normal gefeiert haben, diesen Februar das erste sein wird, an dem Normalität wieder möglich sein könnte«, sagt Thüringens Landesrabbiner Alexander Nachama. Doch die Pandemie hat andere Pläne. Der Rabbiner wird dennoch seinen Anzug mit Batman-Logos aus dem Schrank holen und sich bemühen, so viel Purim-Atmosphäre wie möglich herzustellen.
»Eventuell wird es nicht so feierlich wie sonst. Leider fehlen ja auch die Kinder«, bedauert Nachama. Je 20 Männer und Frauen dürfen mit Abstand zum Gottesdienst in der Synagoge Platz nehmen. Gemeindemitglieder, die lieber in den eigenen vier Wände bleiben wollen, können sich online zuschalten. Gesungen werden darf in der Synagoge nicht, die Gebete werden ausschließlich gesprochen. Die traditionelle Feier im Anschluss an den Gottesdienst mit Essen und Trinken entfällt.
Aber: Wer sich verkleiden möchte, kann natürlich als Mordechai, Batman oder Königin Esther am Gottesdienst teilnehmen. Und es darf auch jede Menge Krach mithilfe von Rasseln gemacht werden, wenn der Name Haman fällt, nur selbst laut rufen oder gar schreien, das geht nicht. »Ich denke, wir können froh sein, überhaupt feiern zu können«, sagt der Erfurter Rabbiner. Im nächsten Jahr wird die Situation wieder eine »alte« sein, hofft er. »Wir müssen Schritt für Schritt gehen.«
Online-Gottesdienste In der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg finden in diesen Monaten alle Gottesdienste und Veranstaltungen ausschließlich online statt, so auch das Purimfest, sagt Vorsitzende Elisabeth Schlesinger. Ausnahmsweise werden an Purim einige wenige Beter zum Gottesdienst in der Synagoge sein, um ihn mitzugestalten. Das hat in der Oldenburger Gemeinde Tradition, denn hier werde der Gottesdienst immer von einem Team umgesetzt. So wird die Esther-Rolle von mehreren Gemeindemitgliedern in verschiedenen Muttersprachen vorgetragen und jetzt online verbreitet.
Die Synagoge in Dortmund soll auf jeden Fall geschmückt werden, Kantor Arie Moses will sich einen lustigen Hut aufsetzen und mit maximal 50 Betern die Rettung der Juden feiern. Verkleidungen und Rasseln sind erwünscht, Gesang ist auch hier verboten. Und natürlich gilt: Abstand einhalten, auch wenn es schwerfällt.
senioren Und: Mischloach Manot, Essensgeschenke mit Gebäck und Obst – das geht in diesem Jahr nur auf dem Postweg. Viele ältere Gemeindemitglieder hätten ohne diese Geschenke kaum die Möglichkeit, Purim zu feiern. In Dortmund wurden 700 Pakete an Senioren versandt und 200 an Familien mit Kindern. »Wir möchten den Kontakt halten«, hieß es aus der Gemeinde. Hamantaschen, Wein, Saft und Süßigkeiten wurden eingepackt.
Mit den Purim-Paketen möchten die Gemeinden das jüdische Leben zu Hause stärken.
Auch in Oldenburg war die Gemeindemanagerin Claudia Lehmann fleißig und packte Pakete zusammen. »Mit dieser Aktion möchten wir das jüdische Leben zu Hause stärken«, sagt Gemeindevorsitzende Schlesinger. Anfang dieser Woche wurden sie an 30 kranke und ältere Gemeindemitglieder verteilt. Eingepackt wurden ein Fläschchen koscherer Wein, Traubensaft, ein Anschreiben der Gemeinderabbinerin Alina Treiger und eine Purim-Broschüre des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen. In diesem Corona-Krisen-Jahr kommen noch FFP2-Masken hinzu, die der Landesverband zur Verfügung gestellt hat.
Bastelmaterial An etwa zehn junge Familien mit Kindern gingen Päckchen mit Bastelmaterial zum Thema Purim, koscheren Knabbereien, darunter auch Bamba, die beliebten Erdnussflips, sowie mit Rasseln für die Online-Lesung der Esther-Geschichte, Purim-Liedern, Backrezepten und weiteren Informationen. Die Familien werden von der Gemeinde unterstützt, in der Corona-Krise die jüdischen Traditionen verstärkt zu Hause zu leben, sagt Schlesinger.
»Zum Sommer hin hoffen wir, wieder zunehmend und schrittweise zu den gewohnten Präsenzveranstaltungen zurückkehren zu können, denn die hilfreichen Online-Angebote ersetzen natürlich nicht die unmittelbare menschliche Begegnung«, weiß Schlesinger.
»Wir raten allen, zu Hause zu bleiben und nicht zum Gottesdienst zu kommen«, sagt Friedrich Thull, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Aachen. Zwei Tage im Voraus müssen sich die Beter, die an einem Gottesdienst teilnehmen möchten, anmelden. Es seien nicht viele. Auch in Aachen kann der Gottesdienst an Purim digital mitgefeiert werden. Krach sei selbstverständlich erwünscht, Klopfen auf das Pult ebenfalls.
Normalität Seit Frühjahr vergangenen Jahres amtiert Rabbiner Michael Jedwabny in Aachen und hatte seitdem kaum Möglichkeiten, einen »normalen« Gottesdienst zu leiten. Alle Mitglieder werden mit Paketen versorgt. Hamantaschen, Wein, Saft, Süßigkeiten und kleines Spielzeug – es wurde an alles gedacht. »Wie können wir sonst in Verbindung bleiben mit unseren Betern?«, fragt Friedrich Thull. Auf diese Weise könnten alle, so hofft er, etwas Purim-Atmosphäre schnuppern.
Die Menschen brauchen langsam wieder einen normalen Alltag.
In der Aachener Gemeinde selbst sei es sehr ruhig. Es gibt keinen Küchenbetrieb, die Kinder fehlen, und nicht nur Gottesdienste werden anders gestaltet, Veranstaltungen fallen aus. »Viele Aktivitäten sind nicht mehr möglich«, bedauert Thull.
Corona-Auflagen In Frankfurt gebe es genügend Möglichkeiten, an einem Gottesdienst unter Corona-Auflagen teilzunehmen, sagt Gemeinderabbiner Avichai Apel. Es würden extra mehr angeboten. »Jeder, der will, kann kommen.« Er selbst werde sich auf jeden Fall verkleiden. »Ich darf aber nicht verraten, als was«, gibt sich Apel geheimnisvoll. In den vergangenen Jahren habe er sich immer kostümiert.
Auch in Frankfurt erhalten ältere Gemeindemitglieder, Bedürftige und Familien Mischloach Manot. Außerdem werden am Freitag Mahlzeiten verteilt. »Für die nächsten Monate wünsche ich mir, dass Corona endlich verschwindet«, sagt Rabbiner Apel. Das sei sein einziger Wunsch. Die Pandemie beeinträchtigt das Leben auf vielen Ebenen, und die Menschen brauchen langsam wieder einen normalen Alltag.