Die Vorbereitungen, die Arbeit, die Anspannung, die Vorfreude: All das soll nicht umsonst gewesen sein. Dieser Gedanke steht hinter der »Jewrovision Video Show«, die am vergangenen Sonntag Premiere feierte. Am 7. März 2020 wollten 15 jüdische Jugendzentren in Berlin bei der Jewrovision unter dem Motto »Be Yourself« gegeneinander antreten. Die heraufziehende Coronavirus-Pandemie sorgte für eine kurzfristige Absage des vom Zentralrat der Juden in Deutschland organisierten und ausgerichteten Gesangs- und Tanzwettbewerbs. In der »Jewrovision Video Show« konnten die Kinder und Jugendlichen zumindest die für die »Jewro« 2020 produzierten Vorstellungsvideos einem breiten Publikum zugänglich machen. Interviews mit Organisatoren und Beteiligten des Wettbewerbs ergänzten die »Video Show«. Sie ist nach wie vor auf dem YouTube-Kanal der Jewrovision und sowie auf jewrovision.de abrufbar.
Die Vorbereitungen für Berlin im kommenden Jahr laufen schon an.
Im Frankfurter Jugendzentrum »Amichai« schauten sich am Sonntag die Jugendlichen die Filmausschnitte vor Ort an. Im großzügigen, locker bestuhlten Festsaal des Ignatz-Bubis-Gemeindezentrums versammelten sich am Nachmittag Kinder und Jugendliche im Alter von elf bis 16 Jahren, um die Premiere der »Jewrovision Video Show« auf einer großen Leinwand mitzuerleben. Als sie den Saal gegen 15 Uhr betraten, war es so weit: Benny Solovei, Moderator der Jewrovision 2018, eröffnete die Show.
Zum Auftakt sprach er mit Marat Schlafstein vom Zentralrat. »Alles war schon vorbereitet«, berichtete dieser über die Jewrovision 2020. »Es wäre die größte Jewro aller Zeiten geworden«, sagte er. Die Zeit nach der Absage sei von »ganz viel Hoffnung« geprägt gewesen. Die zweite und dritte Pandemiewelle machten jedoch die Pläne, die Jewrovision 2020 nachzuholen, obsolet.
»Wir können nicht länger warten«, betonte Schlafstein. Daher finde jetzt die »Video Show« statt. Und diese verband er wiederum mit Hoffnung: »Wir stehen schon mitten in den Vorbereitungen für die Jewro 2022.« Sie soll, so Schlafstein, im März 2022 in Berlin stattfinden. Er versprach eine »nie dagewesene, bombastische Jewrovision«.
Vorstellungen Jetzt waren die Vorstellungsvideos an der Reihe. Applaus brandete im Saal auf, nachdem auf der Leinwand zuerst das Video des Jugendzentrums »Jewesch« des Landesverbands Nordrhein lief. Den Beitrag von »Kadima« aus Düsseldorf würdigten die Frankfurter Chanichim mit ausgiebigem Applaus. Die kurzen Videos der 15 Jugendzentren zeugten von erstaunlicher Kreativität. Musikalisch reichte die Bandbreite von Rap und Soul über Pop bis hin zu Rock.
Einige Jugendzentren verzichteten auf Gesang und griffen stattdessen zu einer Reportage-Ästhetik, andere ließen sich von Werbevideos inspirieren. Hier und dort klangen inhaltliche Bezüge zur Purim-Geschichte an. Der Tenor einiger Videos war bisweilen ironisch-augenzwinkernd, andere schlugen einen ernsteren Ton an. Die jungen Teilnehmer stellten ihre selbstbewusste jüdische Identität und die starke Verbundenheit zu ihrer Stadt, Region und Gemeinde in den Mittelpunkt, schließlich lautete ja das Motto: »Be Yourself«.
»Als die Nachricht kam, dass die Jewro verschoben wird, war das schon ein Schock«, bekannte Dan im Gespräch mit Benny Solovei. Der Nachwuchs-Rapper, der im Gelsenkirchener Jugendzentrum aktiv ist, sollte die Jewrovision 2020 moderieren. »Dieses Ungewisse hat uns alle geplagt«, blickte Dan auf die Anfangsphase der Pandemie zurück. Es folgte das Video seines Jugendzentrums »Chesed« – ein rockiger Song, der sich am deutsch-jüdischen Verhältnis abarbeitet und zur Erinnerung mahnt.
Generationen Die Jüdische Jugend Baden (JuJuBa) rückte das Band zwischen den Generationen in den Blick. In ihrem Video erzählten jüngere wie auch ältere Menschen über die Tradition, Vornamen verstorbener Verwandter weiterzugeben. »München ist unsere Heimat, der Jakobsplatz unser Zuhause. Im Herzen der Stadt, die Stadt in unseren Herzen«: Mit diesen Worten brachten die Chanichim des Jugendzentrums »Neshama« in ihrem Video die enge Verbindung zur bayerischen Landeshauptstadt und der Israelitischen Kultusgemeinde zum Ausdruck. »Einmal Hannover, immer Hannover«, lautete das Motto des Beitrags des dortigen Jugendzentrums »Chai«.
Die Jugendlichen zeigen sich in den Videos stolz und selbstbewusst.
Ein großer Applaus und ein Aufschrei der Freude erklang im Saal, als Zvi Bebera, der Leiter des Frankfurter Jugendzentrums, auf der Leinwand als Interviewpartner erschien. Er berichtete von seiner Weltreise im vergangenen Jahr, auf der er von der Absage der Jewrovision erfuhr. Es habe die Madrichim und Chanichim schwer getroffen. »Aber sie haben es sehr gut gemeistert«, sagte Bebera im Gespräch mit Benny Solovei. Die Chanichim hätten ihre für Berlin einstudierte Performance an Purim im heimischen Gemeindezentrum vor Eltern und Jugendlichen gezeigt.
Bebera wies zudem auf die »Amichai«-App hin, mit der Videos und Challenges hochgeladen werden konnten, als das Jugendzentrum wegen der Corona-Einschränkungen keine Live-Treffen mehr anbieten konnte. Gleichwohl betonte er: »Wir brauchen das Zwischenmenschliche.« Seit drei Wochen finde das Frankfurter Jugendzentrum wieder vor Ort statt. »Man sieht Kinder, Lachen, Lächeln und Freude«, sagte Bebera und erntete viel Applaus im Saal.
Ein regelrechter Vulkan der Begeisterung brach dort aus, als das eigene Video auf der Leinwand lief. Zu lautstarken »Amichai Olé«-Rufen schwenkten die Frankfurter Jugendlichen Fahnen ihres Jugendzentrums. »Amichai versteckt sich nicht, verstellt sich nicht, verstelle auch du dich nicht, be yourself«, lautete die Kernbotschaft ihres Videobeitrags. Der alte und neue Jewrovision-Gastgeber präsentierte sein Video zuletzt. »Berlin, meine Stadt, ick liebe dir«, sangen die »Olam«-Jugendlichen zum Ausklang dieses stimmungsvollen »Jewro«-Nachmittags.