Die Sanierungspläne sind Teil der baulichen und sozialen Aufwertung des Hospitalviertels», sagt Susanne Jakubowski. Lange ein architektonisches Stiefkind in Stuttgarts Mitte, habe sich das Viertel in den vergangenen Jahren vom vernachlässigten Hinterhof zum vorzeigbaren Vorgarten gewandelt, erzählt die Architektin und Vorsitzende der Baukommission der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW).
Das Hospitalviertel ist ein Teil der Stuttgarter Oberen Vorstadt und erstreckt sich bis zur zentralen Einkaufsmeile, der Königstraße. Das Quartier wird als geschlossenes, abgegrenztes Viertel betrachtet. Im Hospitalviertel wird mehr gearbeitet als gewohnt. Etwa 1000 Menschen leben im Quartier.
Diakonie Hier stehen die Hospitalkirche, drittgrößter Sakralbau im Spätmittelalter, das 1960 erbaute evangelische Bildungszentrum Hospitalhof, das inzwischen abgerissen und neu gebaut wurde, das Haus der Diakonie, 1978 erbaut, ein Theater mit Gastronomie und neben weiteren Gebäuden wie dem Versorgungsamt die von Ernst Guggenheimer in den Jahren 1951 und 1952 erbaute Synagoge.
Unauffällig fügt sich der Komplex aus Betraum, Gemeindezentrum und Sitz des Landesrabbinats bis heute in das Geviert zwischen Hospital- und Firnhaberstraße. Die Stuttgarter Synagoge war bis zum Neubau der Ulmer Synagoge im Jahre 2012 das einzige jüdische Gebetshaus in Württemberg, das nach 1945 neu entstanden war. Sie wurde auf den Grundmauern des Vorgängerbaus errichtet.
Mit der Neugestaltung vor allem des Vorplatzes wird ihre städtebauliche Komponente stärker als bisher in Erscheinung treten. Von der Königstraße, dem ehemaligen Großen Graben, gelangt der Fußgänger am schnellsten durch die unterirdische Straßenüberquerung der Theodor-Heuss-Straße ins Hospitalviertel.
Szeneviertel Die für Stuttgart relativ breit angelegte Straße, von Gästen seiner Szenekneipen und Bars «Theo» genannt, hatte vor allem vor der Sanierung Folgen für das Viertel: Autofahrer suchten hektisch nach Parkplätzen, so mancher Kneipenbesucher nutzte sie als Pissoir. «Leider betrifft uns das auch», sagt Susanne Jakubowski. Direkt neben der Hospitalstraße 36, der offiziellen Adresse von Synagoge und Gemeindezentrum mit Grundschule und Kindertagesstätte, erleichtere sich das Partyvolk am Eingang der Tiefgarage.
«Mit der Umgestaltung lässt sich das verhindern», so das IRGW-Vorstandsmitglied. Seit 2007 ist das Viertel offiziell Sanierungsgebiet. Das «Forum Hospitalhof» lenkte gemeinsam mit der Kommune Bürgerproteste und -wünsche. Und was sich seither verändert hat, kann sich sehen lassen. Durch Absenken der Bordsteine, eine großzügige Aufpflasterung und Baumpflanzungen fühlen sich Fußgänger und Radfahrer sicher.
Dienstleister wie Friseure, Bistros und Restaurants haben sich angesiedelt und nutzen in der warmen Jahreszeit die neu entstandenen Plätze zum Verweilen.
Schutzmassnahmen «Es gab einen Ideenwettbewerb, den Joseph Abiry gewann», erklärt Jakubowski. Er habe Themen wie Sicherheit, Schutz vor Vandalismus und nächtlichen unliebsamen Besuchern der nahe liegenden Partymeile am schlüssigsten umgesetzt, sagt sie. Europas Erschütterung durch die Terrorakte in Paris, Brüssel und Kopenhagen hätten ihre Wirkung auf die Gestaltung des Synagogenvorplatzes eben nicht verfehlt. Der aktuelle Entwurf beinhaltet die Fassadensanierung; in den vergangenen Tagen entschied man sich, einen Naturkalkstein, Travertin, zu verbauen.
Umgestaltet wird der Rasenplatz, die Bagger haben das Gelände bereits aufgegraben. Der Umbau der Pforte wird gewährleisten, dass Besucher von Synagogenführungen oder den Jüdischen Kulturwochen sich nicht mehr vor dem offiziellen Eingang des Gebäudes drängeln müssen, sondern großzügig Ein- und Auslass finden. Während der Bauarbeiten müssen Besucher noch den Eingang Firnhaberstraße nutzen. «Und auch der Einbau eines barrierefreien Lifts ist fällig», sagt Susanne Jakubowski. Über eine Schräge gelangt man im Inneren vom Synagogenvorplatz zum Lift, der mit zwei Zwischenstopps Familien mit Kinderwagen, Menschen mit Rollator und Rollstuhlfahrer bis ins vierte Obergeschoss bringt.
Sicherheit Eine Mauer wird den Vorplatz schützen. Die Einfahrt zur Tiefgarage wird mit einem Tor auf Straßenebene gesichert. Die Pflasterung des bereits fertiggestellten Teils des Hospitalviertels wird dann auch am Synagogenkomplex fortgeführt. Positiv aufgenommen von der Wettbewerbsjury wurde auch der Vorschlag Jossi Abirys, die zwölf Stämme Israels als Motive auf Platten vor dem Gemeindezentrum einzubetten. In einer Größe von etwa 44 mal vier Zentimetern würden die beleuchteten Platten in den Straßenbelag eingelassen. Vorstellbar ist auch das Grußwort «Schalom» auf der Mauer. «Wir wären dann deutlicher als bisher architektonisch in der bürgerlichen Stadtgesellschaft angekommen», sagt Susanne Jakubowski.
Leider werde man auf die Straßensanierung – die Kosten dafür übernimmt die Stadt – noch warten müssen. Der Nachbar, die Gesellschaft für Wohnungs- und Gewerbebau Baden-Württemberg AG, habe ebenfalls Baupläne angemeldet. «Es wäre toll, wenn in dessen Neubaukomplex Platz für ein Bistro ist, das nicht nur Passanten, sondern auch uns nützen würde», denkt Susanne Jakubowski in die Zukunft. Zwar beherberge man das Restaurant «Teamim» mit den neuen Pächtern in der IRGW. Das sei auch für jedermann zugänglich. Da es sich aber mitten im Gebäude befindet, habe es abends aus sicherheitstechnischen Überlegungen nicht geöffnet. So bleibt für die Stuttgarter und ihre Gäste ein koscheres Restaurant weiterhin ein Wunsch.
«Wir werden die Bauarbeiten zur Umgestaltung bis zu den Hohen Feiertagen zügig zu Ende bringen, und wir hoffen, dass die Stuttgarter Bürger künftig nicht mehr nur wissen, dass es in der Stadt eine Synagoge gibt, sondern dass sie auch wissen, wo genau die Stuttgarter Synagoge steht», wünscht sich die Vorstandssprecherin der IRGW, Barbara Traub.
Denn so, wie vor Jahren der Chanukkaleuchter aus der Gemeinde auf den Schlossplatz gebracht worden sei, um die Lichter nicht mehr versteckt, sondern öffentlich zu zünden, so sei es im Jahr 65 nach der Fertigstellung der neuen Stuttgarter Synagoge Zeit, dass sie endlich wieder Eingang ins Stadtbild dieser liebenswerten Stadt findet, meint Traub.