Solidarität

»Ihre Zeilen haben uns bewegt«

Pro-Israel-Kundgebung in Düsseldorf Foto: Roland Geisheimer / attenzione

»Wir sind überwältigt von der Anteilnahme und den Solidaritätsbekundungen, die wir anlässlich des Brandanschlages auf unsere Synagoge vom 29.7.2014 erhalten haben«, bedankt sich die Jüdische Kultusgemeinde Wuppertal in einer E-Mail an die Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal. »Ihre Zeilen und Anrufe haben uns tief bewegt«, so die Erklärung weiter. Es sei jetzt viel zu tun, dennoch wolle man diesen »sehr, sehr herzlichen Dank aus der Synagoge« schicken.

Wie Wuppertal ergeht es in diesen Tagen einigen jüdischen Gemeinden. Doch den Beistand haben sie auch bitter nötig. Infolge des Gaza-Konflikts war es auf deutschen Straßen zu massiven Schmähungen Israels gekommen. Doch nicht genug, dass der Staat als Kindermörder bezeichnet wurde, Juden in Deutschland sahen sich undifferenziert mit dem Staat gleichgesetzt und stellvertretend antisemitisch beschimpft und persönlich attackiert.

Zivilgesellschaft Die Solidarität der Zivilgesellschaft ließ jedoch lange auf sich warten. Das bemängelte auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann. »Das sind die schlimmsten judenfeindlichen Parolen, die seit der Nazizeit auf deutschen Straßen zu hören waren! Unsere schlimmsten Albträume sind übertroffen worden«, sagte Graumann in einem Interview mit der Badischen Zeitung.

Es sei bedauerlich, dass der Zentralrat der Juden »erst auf diese widerlichen Anfeindungen aufmerksam machen musste«, doch dann hätten Politiker wie Medien »wirklich vorbildlich reagiert«.

Der vor allem von jungen Muslimen auf den Straßen und in den Schulen zu vernehmende Judenhass bereite ihm Sorge, so der Zentralratspräsident weiter. Muslime sollten sich nicht von Islamisten als Geiseln nehmen lassen. Hier fordere er die muslimischen Verbände auf, mehr Einfluss zu nehmen.

Juden hätten immer und zuerst an der Seite von Muslimen gestanden, zum Beispiel im Falle des Buches von Thilo Sarrazin, Deutschland schafft sich ab, oder wenn im Zusammenhang mit den NSU-Morden von »Döner-Morden« die Rede war. Jetzt fordere er mehr Rückhalt von muslimischen Verbänden, so Graumann.

Gelsenkirchen
Den Rückhalt in der Zivilbevölkerung vermisste auch die Gelsenkirchener Gemeinde lange. »Die Stille danach war noch lähmender als der Anschlag«, sagt Judith Neuwald-Tasbach. Rund 20 vermummte Personen hatten in der Nacht nach dem WM-Finale die Jüdische Gemeinde angegriffen und mit einem schweren Gullydeckel eine Scheibe zerstört. Es dauerte quälend lange, bis es eine Reaktion gab. »Dann hat die Zeitung darüber geschrieben. Nach einiger Zeit, in der wir uns selbst überlassen blieben, erreichte uns eine überwältigende Welle der Solidarität.«

E-Mails von Privatpersonen, Anrufe von Bürgermeistern aus den umliegenden Städten, in der vergangenen Woche besuchte der Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Gelsenkirchen und Wattenscheid die Gemeinde. »Rüdiger Höcker hat uns die Spenden aus einer Kollekte überbracht«, erzählt Neuwald-Tasbach. Die christlichen Gemeinden begannen ihre Sammlung, nachdem im Mai ein Hakenkreuz an die Synagogenfassade geschmiert worden war, dessen Beseitigung erhebliche Kosten verursachte.

Schalke 04 Und vor wenigen Tagen meldete sich ein weiterer großer Unterstützer. »Der Finanzvorstand des FC Schalke hat angerufen. Der Verein will die Kosten für die Reparatur der Sicherheitsscheibe übernehmen«, erzählt Neuwald-Tasbach. »Es hat mich sehr gerührt, dass wir ihnen so sehr am Herzen liegen.«

Auch in Duisburg zeigen die Bürger Verantwortung. Nachdem bekannt wurde, dass ein Mann mehrfach in der Gemeindeverwaltung angerufen und Beleidigungen wie »Kindermörder Israel« ausgest0ßen hatte, meldeten sich zahlreiche Bürger im Gemeindezentrum. »Wir bekamen Briefe mit Blumen, Anrufe aus dem In- und Ausland, sogar eine E-Mail aus der Türkei von einem Mann, der früher in Duisburg gelebt hat«, erzählt Geschäftsführer Michael Rubinstein.

Die Duisburger richteten ihre Solidaritätsbekundungen aber nicht nur an die Gemeinde, sondern trugen sie auch in die Öffentlichkeit. Auf die Ankündigung einer Demonstration unter dem Titel »Freiheit für Palästina« hin meldeten private Veranstalter eine Kundgebung unter dem Motto »Kein Fußbreit für Antisemitismus und Antizionismus« an. »Dass wir gegen Antisemitismus sind und uns mit dem israelischen Staat solidarisieren, erklärt sich von selbst. Aber dass auch andere zu Solidarität aufrufen, unsere Mitbevölkerung, das ist wichtig«, betont Rubinstein.

Mönchengladbach In Mönchengladbach hätte man sich über ein solches Zeichen in der Öffentlichkeit gefreut. Die Gemeinde habe sich an die Stadt gewandt und darum gebeten, gemeinsam eine Solidaritätskundgebung für Israel zu veranstalten.

Diese allerdings lehnte ab, erzählt Gemeindevorsitzende Leah Floh. »Wir haben Hunderte E-Mails und Anrufe von Mönchengladbachern und Viersenern bekommen, von Bürgern, aber kein Wort von den Parteien oder religiösen Organisationen«, klagt Floh.

Anders die Situation in Düsseldorf: Gabriel Goldberg, ehemaliger Jugendreferent im Landesverband Nordrhein, hatte spontan eine Solidaritätskundgebung organisiert und fand zahlreiche Unterstützer. Die gab es nicht nur von der Gemeinde, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und der Zionistischen Organisation Deutschlands, sondern auch durch Bürgermeister Günter Karen-Jungen, den SPD-Fraktionschef im Landtag, Norbert Römer, und Indola Schmitz, die für die FDP im Landtag sitzt.

»Darüber bin ich sehr glücklich. Und ich habe mich auch sehr über die Unterstützung der israelsolidarischen Linken gefreut«, betont Goldberg. »Die haben einen großartigen Job in der Mobilisierung gemacht.« An der dritten Veranstaltung hätten rund 500 Menschen teilgenommen. »Es ist sehr schön, dass so viele politische Strömungen zusammengekommen sind.«

Kirchen Auch die Kirchen riefen ihre Gläubigen zur Solidarität auf. Nach dem Brandanschlag in Wuppertal und weiteren Vorfällen hatten sie am vergangenen Freitag zum Widerstand gegen Antisemitismus gemahnt.

Der Angriff auf die Synagoge sei ein »erschütternder Gewaltakt, der den inneren Frieden unserer Gesellschaft gefährdet«, sagte der Beauftragte der westfälischen evangelischen Kirche für den christlich-jüdischen Dialog, Ralph van Doorn. Juden dürften nicht den Eindruck bekommen, sie stünden der dumpfen Gewalt allein gegenüber, so van Doorn weiter.

Der Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Christoph Pistorius, rief alle Kirchengemeinden schriftlich auf, judenfeindlichen Äußerungen zu widersprechen und sich zur jüdisch-christlichen Tradition zu bekennen. Zudem bat er die Gemeinden, »den Kontakt zu den jüdischen Geschwistern vor Ort zu suchen«.

Frankfurt/Main In Frankfurt sehen sich Juden zunehmend Angriffen, Drohungen und Beleidigungen ausgesetzt. In der Nacht zum 31. Juli warf ein Unbekannter eine volle Bierflasche in das Badezimmerfenster einer Wohnung. Der Mann soll der Bewohnerin »Du Judenschwein« zugerufen haben.

Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) verurteilte den Vorfall scharf. Für ihn sei klar, »dass die Stadtgesellschaft mit den jüdischen Mitbürgern Solidarität zeigen muss«.

Nürnberg Auf dem Sebalder Platz in Nürnberg fanden sich am vergangenen Donnerstag ebenfalls mehr als 2000 Menschen zu einer Kundgebung zusammen. In der Altstadt, inmitten historischer Gebäude, wollten sie ein Signal gegen Antisemitismus setzen.

Oberbürgermeister Ulrich Maly verurteilte die judenfeindlichen Auswüchse scharf: »Nichts«, betonte er, »rechtfertigt den Einsatz antisemitischer Parolen im politischen Diskurs.« Mit Blick auf muslimische Kundgebungsteilnehmer formulierte er: »Wir wenden uns auch gegen Islamophobie.«

Der bayerische Finanzminister Markus Söder zeigte sich betroffen über die Ereignisse der letzten Wochen. »Wir wünschen uns Frieden dort (in Nahost, Anm. d. Red.), und ich bin mir sicher, dass auch der Staat Israel das wünscht.« Er forderte, nicht nur rechtsextreme Gruppen zu verbieten, sondern auch »andere extrem-religiöse Gruppen, die zu Gewalt aufrufen gegenüber anderen Religionen«.

Grenzüberschreitung Der Vorsitzende der IKG Nürnberg, Rudi Ceslanski, machte deutlich, dass Kritik an israelischer Politik legitim ist, aber »wenn aus Israelkritik antisemitische Hetze wird, ist eine Grenze klar überschritten«. Es sei erschreckend, dass Ressentiments auch in Teilen der gesellschaftlichen Mitte einen fruchtbaren Boden finden.

Ali-Nihat Koç, Sprecher der »Begegnungsstätte Medina« in Nürnberg, äußerte Bestürzung über den militärischen Einsatz Israels in Gaza, betonte aber gleichzeitig: »Ich empfinde es als meine Verantwortung als Muslim, gegen den Judenhass aufzustehen.«

Regionalbischof Stefan Ark betonte: »Juden, Muslime, Christen, Menschen verschiedener Weltanschauungen vereinen sich und sagen ›Nein‹ zur Gewalt in Auseinandersetzungen«, sie erheben »gemeinsam ihre Stimme für die Achtung der Würde des anderen, für Respekt vor dem, was dem anderen heilig ist.«

Doch wie notwendig diese Solidarität ist, zeigte sich am Rande der Kundgebung. Ein etwa 30-jähriger Mann beschimpfte die Teilnehmer der Solidaritätskundgebung und stieß Morddrohungen aus. Gegen ihn wurde Anzeige erstattet. (mit epd)

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