»Hawdala – Hawdala – Hawdala«, skandierten am Samstagabend Dutzende Kinder und Jugendliche in ausgelassener Stimmung. Sie riefen ihre Altersgenossen dazu auf, sich der Zeremonie zum Schabbatende anzuschließen, die an diesem Tag symbolisch auch das Ende der Jewrovision einleitete.
Seit Donnerstag waren die über 1000 jungen Jüdinnen und Juden zusammen im Estrel-Hotel in Berlin. Ereignisreiche Tage liegen hinter ihnen: ein Mini-Machane mit Gottesdiensten und Workshops, die große Show des Musik- und Tanzwettbewerbs der Jewrovision, sie haben gefeiert und neue Freunde gefunden. An diesem Samstagabend kam nun eine letzte Aufgabe auf sie zu: einen gewaltigen Kreis bilden, um gemeinsam den Schabbat zu verabschieden.
Abschlussrede Einige Zeit und viele »Scheket Bewakascha« später stand der Zirkel aus Menschen tatsächlich, und Marat Schlafstein, Leiter des Referats Jugend und Gemeinden beim Zentralrat der Juden und zuständig für die Organisation der Jewrovision, konnte gut hörbar auf einem kleinen Podium in der Mitte des Saals die Abschlussrede halten.
Schlafstein ließ die letzten Jahre im Schatten der Corona-Pandemie Revue passieren. »Einer der schwersten Tage meines Lebens war, als wir die Jewro vor zwei Jahren absagen mussten«, sagte er. Ihm sei damals bewusst gewesen, wie sehr dies die Jugendlichen treffen würde.
»Unser Akku an Jüdischkeit war auf Rot nach zwei Jahren Pause«, fasste Schlafstein die Zeit der Entbehrung zusammen. »Doch nun hatten wir die Möglichkeit, den Akku wiederaufzuladen.« Schlafstein wünscht sich, dass die Kinder und Jugendlichen diese neu gewonnen Energie nach Hause mitnehmen. »Die Jewrovision muss nicht nur einmal im Jahr sein. Ihr könnt sie 365 Tage im Jahr in euren Gemeinden haben – es liegt in eurer Hand!«
»Die Jewrovision muss nicht nur einmal im Jahr sein. Ihr könnt sie 365 Tage im Jahr in euren Gemeinden haben – es liegt in eurer Hand!«
Marat Schlafstein, Leiter des Referats JUgend und Gemeinden beim Zentralrat
Stolz und berührt blickte Schlafstein auf Hunderte junge Menschen um ihn herum. »Ihr seid die Zukunft der jüdischen Gemeinden in Deutschland«, sagte er, »und um diese Zukunft mache ich mir keine Sorgen.« Damit übergab er an Rabbiner Avichai Apel, der, unterstützt von einem Chor junger Männer, die Hawdala leitete. Bei den Segenssprüchen begann sich der große Kreis im Rhythmus hin- und herzubewegen, und aus Hunderten Mündern schallte ein lautes »Amen!«.
Gottesdienst Die jungen Teilnehmer der Jewrovision brachten sehr unterschiedliche Voraussetzungen mit. Einige sind jedes Wochenende in ihren Heimatgemeinden im Gottesdienst, andere haben das erste Mal in größerer Runde Schabbat gefeiert. Der 17-jährige Michael aus Wiesbaden lebt am Stadtrand und schafft es daher nicht oft zum Gottesdienst in die Synagoge. Für ihn ist der Jewrovision-Schabbat ein außergewöhnliches, religiöses Erlebnis. »1200 Leute – das ist schon krass«, sagt Michael. »Die Stimmung ist einfach super hier.«
Michael engagiert sich als Madrich im Jugendzentrum seiner Gemeinde und ist mit ein paar weiteren jungen Mitgliedern angereist. Er meint, für sie alle habe die Erfahrung der Jewrovision »einen echten Unterschied gemacht« und die eigene jüdische Identität gestärkt.
Es sei ein »unglaubliches, herrliches Gefühl«, einen Gottesdienst mit Hunderten Jugendlichen abzuhalten, sagte Rabbiner Avichai Apel.
Davon ist auch Rabbiner Apel überzeugt. Es sei ein »unglaubliches, herrliches Gefühl«, einen Gottesdienst mit Hunderten Jugendlichen abzuhalten. Er habe das »Feuer in ihren Augen gesehen«, meint der Rabbiner der Frankfurter Gemeinde. Bei der Jewrovision stünden die Jugendlichen im Mittelpunkt, und hier erlebten sie, dass »Gottesdienst nicht nur etwas für ältere Menschen ist«.
Für viele war an diesem Abend aber auch nach der Hawdala noch nicht Schluss. Wer noch Kraft hatte – und das waren die meisten der jungen Jewrovision-Teilnehmer –, konnte sich im Anschluss auf dem Dancefloor der Aftershow-Party austoben. Nach einem gemeinsamen Fototermin am Sonntagvormittag am Brandenburger Tor ging es dann für die 1200 Kinder und Jugendlichen zurück in ihre Heimatstädte. »Sie gehen gestärkt nach Hause«, glaubt Rabbiner Apel. Er ist überzeugt: »Sie sind der Wegweiser für die jüdischen Gemeinden.«