Der Pianist Igor Levit (36) fordert alle Menschen in Deutschland auf, unmittelbar und direkt auf judenfeindliche Vorfälle zu reagieren. Er höre jeden Tag aus verschiedensten Richtungen, wie wichtig der Kampf gegen Antisemitismus sei, wie wichtig es sei Haltung zu zeigen und wofür alles kein Platz sein dürfe, sagte er am Sonntag im Mainz bei der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille.
Aber wenn er diese hehren Worte glauben solle, so Levit weiter, müsse eine Reaktion auf Judenhass »vor Ort und sofort erfolgen, auch wenn sie gegen das geplante Protokoll verstößt«. Dabei sei es egal, ob es sich um Vorfälle »auf der Bühne eines großen Kulturfestivals oder auf der Bühne des Bundeskanzleramts« gehe.
Wenn aber die Reaktion erst zwei Tage später erfolge »durch vom Büro vorformulierte Statements, nachdem es einen Super-Shitstorm gegeben hat, und man fand alles ganz schrecklich zwei Tage vorher, dann glaube ich nicht so viel!«
»Ein wenig absurd«
Levit nannte es »ein wenig absurd«, dass er als Jude für den Kampf gegen Judenhass geehrt werde, und rief alle zum Mitmachen auf: »Es sollte nicht nur mein Kampf sein, gegen Antisemitismus aufzustehen. Es ist vor allem Ihre Aufgabe«. Nur wenn alle Menschen zusammenstünden, könne eine demokratische Gesellschaft erhalten bleiben.
Levit erhielt die Auszeichnung im Rahmen der zentralen Eröffnungsfeier zum Jahr der christlich-jüdischen Zusammenarbeit (früher »Woche der Brüderlichkeit«). Bei der Veranstaltung würdigte der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR) Levits langjähriges Engagement »gegen jede Form der Menschenfeindlichkeit, seien es Antisemitismus, Rassismus oder andere Formen der Diskriminierung und für eine freie, demokratische und vielfältige Gesellschaft«.
Für den Musiker gehörten Musik und politisches Engagement zusammen. Er sei ein Ausnahmekünstler, der sich nicht einschüchtern lasse und die Würde und Freiheit jedes Einzelnen in den Mittelpunkt stelle, hieß es weiter: »Nach dem größten Massaker an Jüdinnen und Juden seit dem Ende der Schoah am 7. Oktober 2023 hat Igor Levit mit Solidaritätskonzerten, Demonstrationen und Besuchen in Israel seine Stimme erhoben gegen das Schweigen der Mehrheitsgesellschaft.«
Frei und liberal
Levit selbst nannte es eine große Ehre, die Medaille zu erhalten, und rief zum gemeinsamen Kampf gegen alle Formen von Judenhass auf: »Am Ende wird sich auch an dieser Frage entscheiden, ob unsere freie Gesellschaft und unsere liberale Demokratie frei und liberal bleiben oder nicht.«
Levit wurde 1987 in der Sowjetunion geboren. Als er acht war, siedelte seine jüdische Familie nach Hannover über. Der Pianist gibt weltweit Konzerte und positioniert sich immer wieder gegen Extremismus, für Menschenwürde oder Klimaschutz.
Die Buber-Rosenzweig-Medaille würdigt seit 1968 Verdienste um eine Verständigung zwischen Christen und Juden. Sie ist nach den jüdischen Philosophen Martin Buber (1878-1965) und Franz Rosenzweig (1886-1929) benannt.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) forderte bei der Verleihung dazu auf, dem Beispiel Igor Levits zu folgen und sich auch zu engagieren: »Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sind ein Verrat an unserer freiheitlichen Demokratie.« kna