Hommage

Ignatz Bubis zum 90. Geburtstag

Udo Samel übernimmt in der Dokumentation die Rolle des Ignatz Bubis. Foto: HR/AVE

Deutschland 1991. In Hoyerswerda greift eine Gruppe von Neonazis vietnamesische Straßenhändler an. Die noch zu DDR-Zeiten ins Land geholten Vertragsarbeiter flüchten in ein Wohnheim, das am Tag darauf von Neonazis umringt wird, die ausländerfeindliche Parolen grölen und das Wohnheim mit Steinen und Molotowcocktails bewerfen. Wenig später feiern die Neonazis Hoyerswerda als erste »ausländerfreie Stadt«.

Das Pogrom in den 90er-Jahren war der Auftakt zu einer Reihe von Ausschreitungen, die ein Jahr später in den blutigen Krawallen von Rostock-Lichtenhagen gipfelten. Der damalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, nahm frühzeitig eindeutig Stellung und stellte sich an die Seite der Angegriffenen. Als er den Tatort in Rostock-Lichtenhagen besuchte, konnte er seine Bewegung kaum verbergen. Ignatz Bubis war schockiert und erschüttert angesichts der Gewalt. Doch ein lokaler CDU-Politiker merkte an, dass Bubis hier nichts zu suchen habe, seine Heimat sei doch schließlich Israel.

Bilanz Es sind unter anderem Erfahrungen wie diese gewesen, die Bubis 1999 im letzten Interview kurz vor seinem Tod dazu veranlassten, eine bittere Bilanz seines politischen Wirkens zu ziehen: »Ich habe gedacht, vielleicht schaffst du es, dass die Menschen anders über einander denken, anders miteinander umgehen. Aber, nein, ich habe fast nichts bewegt.« Das von dem Journalisten Rafael Seligmann geführte Gespräch erschien in der Zeitschrift »stern« und löste eine heftige Debatte aus. Bubis sprach darin über Angst, Schuld, den Holocaust und was es bedeutet, als Jude in Deutschland zu leben. Bis heute gilt dieses Interview als sein Vermächtnis.

Diese unmittelbare Enttäuschung von Bubis und seine Einsamkeit ist nun Ausgangspunkt der Dokumentation Bubis – Das letzte Gespräch über den langjährigen Zentralratsvorsitzenden, der am 12. Januar 90 Jahre alt geworden wäre. Den Rahmen des Beitrags bildet ebenjenes »stern«-Interview, das mit dem Burgtheater-Schauspieler Udo Samel (Die Manns – Ein Jahrhundertroman, Alles auf Zucker!) als Ignatz Bubis in Szene gesetzt wurde. Zu Wort kommen in den dokumentarischen Passagen Angehörige und zahlreiche Weggefährten. Salomon Korn, Daniel Cohn-Bendit und Bubis’ Tochter Naomi in Tel Aviv entwerfen ein ebenso persönliches wie vielschichtiges Porträt des Frankfurters, der ein hochgradig engagierter Bürger war und seine Autorität als Zentralratschef mit vollem Einsatz dem Engagement für die offene Gesellschaft widmete.

Hass Bubis – Das letzte Gespräch ist eine intensive Annäherung an einen streitbaren, engagierten Deutschen, der die deutsche Gesellschaft zu Lebzeiten nicht in Ruhe ließ, der auch unbequem war, der sich angesichts von ausländerfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Äußerungen, Ausschreitungen und rechtsradikalen Wahlerfolgen einmischte und seine Stimme erhob.

Die Dokumentation von Johanna Behre und Andreas Morell ist aber auch eine Auseinandersetzung mit der Bundesrepublik von heute, ein Nachdenken über Heimat, Fremdsein und Zugehörigkeit. Bubis’ damalige Analyse, was eine Gesellschaft dem Hass und der Gewalt entgegensetzen kann, ist aktueller denn je. Es ist auch die Gegenwart Deutschlands im Jahr 2017 – und macht die Dokumentation umso wichtiger. ja/ppe

»Bubis – Das letzte Gespräch«. Dokumentation von Johanna Behre und Andreas Morell.
Am Donnerstag, 12. Januar, Hessischer Rundfunk, 23.15 Uhr

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Kaiserslautern

»Jetzt beginnt etwas Neues«

Mehr als fünf Jahre hat sich die Sanierung des Gemeindehauses der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz in Kaiserslautern hingezogen. Am Sonntag wurde das Zentrum mit der neu gestalteten Synagoge seiner Bestimmung übergeben

von Joachim Schwitalla  11.04.2025 Aktualisiert

Feiertage

Pessach ist das jüdische Fest der Freiheit - und der Frauen

Die Rolle und Verdienste von Frauen würdigen - dafür ist Pessach eine gute Gelegenheit, sagen Rabbinerinnen. Warum sie das meinen und welchen Ausdruck diese Perspektive findet

von Leticia Witte  11.04.2025

Erinnerungen

Als Charlotte Knobloch ihren ersten Kaugummi aß

Als jüdisches Mädchen überlebte sie die Nazizeit in einem Versteck, bis die Amerikaner ins Dorf kamen. Für Charlotte Knobloch ist das Kriegsende mit süßen und dramatischen Erinnerungen verbunden

 11.04.2025

Pessach

Lang, länger, Seder

Schnell mal eben feiern? Von wegen. Für den ersten Abend muss man sich Zeit nehmen – warum eigentlich? Und wie kommen alle gut unterhalten bis zum Afikoman? Wir haben nachgefragt

von Katrin Richter  11.04.2025

Pessach

Kraft und Zuversicht

Das jüdische Volk war von jeher stark und widerstandsfähig – wir werden auch die Herausforderungen der heutigen Zeit bestehen

von Charlotte Knobloch  11.04.2025

Spenden

Mazze als Mizwa

Mitarbeiter vom Zentralratsprojekt »Mitzvah Day« übergaben Gesäuertes an die Berliner Tafeln

von Katrin Richter  10.04.2025

Kaschern

Vor Pessach muss der Schammes ran

In der Synagogenküche reinigt Leonid Golzmann Töpfe und Behälter für die ganze Gemeinde

von Alicia Rust  10.04.2025

Frankfurt

Tanzen für Tirza

30 Gruppen aus jüdischen Gemeinden in ganz Deutschland trafen sich beim fünften ZWST-Tanzfestival

von Eugen El  10.04.2025