Porträt der Woche

»Ich studiere meine Kinder«

»Ja, sicher, irgendwann werde ich in meinen Beruf zurückkehren, aber das wird noch dauern«: Inbal Drukker Foto: Christian Rudnik

Es mag ein bisschen sonderbar klingen, aber es ist wirklich so gewesen: Als wir vor eineinhalb Jahren von Palo Alto, Kalifornien, nach München zogen, haben wir uns nicht zuerst nach einer Wohnung umgesehen. Nein. Wir haben uns zuerst auf die Suche nach einem zweisprachigen Kindergarten gemacht. Gefunden haben wir dann beides, Kindergarten und Wohnung, und zwar in Bogenhausen, nicht weit entfernt vom Prinzregententheater.

Mit drei kleinen Kindern – Lotem (fast 6), Omer (bald 4) und Dindin (beinahe 2) – bin ich eine Vollzeitmutter, und das sehr gern. Die ersten Jahre sind prägend für das Kind – und auch für die Mutter. Im Nu ist diese Zeit vorbei. Ich möchte für die Kinder da sein, wann immer sie mich brauchen. Ja, sicher, irgendwann werde ich in meinen Beruf zurückkehren. Aber das wird noch dauern.

Bilderbücher Geboren wurde ich 1975 in Israel. Dort habe ich auch studiert. Linguistik. Meine Mutter ist ebenfalls Linguistin. Sie lehrt hebräische Grammatik. Mein Vater leitete eine Highschool. Wenn ich mich an meine Kindheit in Ramat Gan erinnere – das tue ich sehr gern –, dann sehe ich Bilderbücher über Bilderbücher. Ich bin mit den israelischen Kinderbuchklassikern groß geworden. Wir haben daraus gesungen, gelesen und die Reime aufgesagt. Heute mache ich es mit meinen Kindern nicht anders, nur dass natürlich neue Bücher hinzugekommen sind.

An der Bar-Ilan-Universität habe ich meinen Ph.D. gemacht, habe mich in meiner Doktorarbeit mit Bilingualismus beschäftigt, und deshalb weiß ich ziemlich genau, was sich gerade in den Köpfen meiner Kinder abspielt. Ich höre ihnen zu, merke mir, wann sie in welche Sprache wechseln, und denke darüber nach, warum sie das an genau dieser Stelle tun. Ich studiere meine Kinder.

Israel Nachdem wir also vor anderthalb Jahren Kindergarten und Wohnung in München gefunden hatten, machte ich mich auf den Weg zur Gemeinde, weil ich unbedingt mit israelischen Leuten, die in München leben, Kontakt aufnehmen wollte. Ich will, dass meine Kinder ihre Verbindung zu Israel spüren. Ich sorge dafür, dass wir uns immer wieder mit anderen israelischen Eltern treffen. Meine Kinder lieben Israel, und jetzt haben sie also auch in München israelische Freunde. Ich liebe Israel natürlich auch, dort leben unsere Familien. Einmal im Jahr sind wir dort.

Besonders wohl habe ich mich allerdings in Kalifornien gefühlt. Palo Alto ist von den Städten, in denen ich bisher gelebt habe, die kleinste. Eine kleine Stadt mit Universität. Ich nenne sie »meinen kleinen Himmel«. Die Atmosphäre dort ist so entspannt. Ich arbeitete für Google in Silicon Valley, hatte mit Menschen von überall her zu tun und die Möglichkeit, große Persönlichkeiten zu treffen. In München komme ich mir noch ein bisschen fremd vor. Aber es war auf jeden Fall richtig, herzukommen. Mein Mann ist Biologieprofessor und hat am Münchner Helmholtz-Zentrum eine sehr gute Stelle im Bereich der Stammzellenforschung bekommen.

Niemand von unseren Eltern und Großeltern hatte etwas dagegen, dass wir nach Deutschland gegangen sind. Meine Großeltern sind Holocaust-Überlebende, und wir vergessen nichts. Aber wir müssen nach vorn schauen.

In Kalifornien gab es ein großes jüdisches Zentrum, dort bin ich mit den Kindern oft hingegangen, besonders gern zu Musikveranstaltungen auf Hebräisch. So etwas habe ich in München vermisst. »Dann biete ich es eben selbst an«, habe ich mir gedacht.

Seit ein paar Monaten leite ich in der Europäischen Janusz-Korczak-Akademie eine hebräische Musikgruppe für kleine Kinder. Wir treffen uns zweimal im Monat am Sonntagmorgen. Ich bringe meine israelischen Kinderbücher mit, und wir singen und spielen auf Hebräisch. Wir begehen auch zusammen die Feiertage. Regelmäßig kommen so etwa fünf bis sechs Familien mit Kindern im Vorschulalter. Aber an den Feiertagen kann es auch mal so richtig voll werden.

Kinderlieder In Kalifornien habe ich übrigens ein Buch mit meinen 25 liebsten Kindergedichten und Kinderliedern gemacht. Auf der einen Seite stehen die Texte auf Hebräisch, auf der anderen in Englisch, und hinten steckt die CD. Es hat mich ziemlich viel Zeit gekostet, alles so zu übersetzen, dass sich der englische Text gut auf die alten Melodien singen lässt, ohne dass dabei etwas vom Inhalt verloren geht.

Gut, dass ich mich mit Rhythmus, Metren und so weiter auskenne. Neben Linguistik habe ich nämlich auch Musik studiert und Klavierunterricht gegeben. Auch das wäre vielleicht eines Tages wieder möglich. Irgendwann wird es Freiräume geben. Im Moment allerdings bin ich zu jeder Tageszeit gefragt, mal mehr, mal weniger.

Am Morgen ist Omer der Erste. Er wacht gegen sechs auf und kommt dann zu uns ins Bett. Er ruft nach seinem Papa, will mit ihm kuscheln und raufen. Ich habe da erst einmal nichts zu melden. So um 7.30 Uhr stehen wir alle auf. Mein Mann bringt die zwei Großen mit dem Auto zum Kindergarten, ich spiele mit der Kleinen. Ich lese ihr vor, wir singen zusammen. Ich höre ihr zu, und sie hört mir zu. Mittags hole ich Omer und Lotem vom Kindergarten ab. Ich mache das zu Fuß mit Dindin im Kinderwagen. Überhaupt gehe ich gerne zu Fuß. Wann immer das Wetter gut genug ist, sind wir draußen.

Vor ein paar Monaten hat uns mein Vater für zwei Wochen besucht, und wir waren, weil wir gerade Ferien hatten, rund um die Uhr zusammen. Wir sind viel an der frischen Luft, auf dem Spielplatz und an der Isar, manchmal mit den Rädern, manchmal ohne. Mein Vater ist mir eine große Hilfe, wenn er da ist. Er beschäftigt sich so gerne und so sinnvoll mit den Kindern. Als das Wetter dann mal schlecht war, sind wir ins Deutsche Museum gegangen, aber mehr als das »Kinderreich« im untersten Stock haben wir nicht gesehen. Die Kinder konnten sich nicht von dort trennen.

Sport Von meinem Vater habe ich auch meine große Liebe zum Sport. In Israel bin ich jeden Tag geschwommen. Mein Vater macht das bis heute. Vor ein paar Monaten habe auch ich wieder damit angefangen. Ich gehe, nicht weit von hier entfernt, ins Sportzentrum. Es gibt dort auch einen Pool. Meine Kinder sind ebenfalls – Opa sei Dank! – Wasserratten. Vielleicht werden wir ihnen bald das Schwimmen beibringen.

Mein Vater ist wieder abgereist, aber von den Datteln, die er mitgebracht hat, sind noch einige übrig. Die Kinder mögen sie sehr. Ich bin keine wirklich gute Köchin. Kochen interessiert mich nicht besonders. Ich weiß, dass man essen muss, also bereite ich etwas zu essen. Gesund soll es sein.

Wenn ich die zwei Großen vom Kindergarten abhole, haben die bereits zu Mittag gegessen. Wir können uns also Zeit lassen und machen einen Umweg über den Spielplatz oder besuchen eine der Bibliotheken. Dort habe ich wieder Gelegenheit, meine Kinder zu beobachten. Sie wissen genau: »Wir sind in der Bücherei, also schauen wir die Bücher von rechts nach links an.« Zu Hause blättern sie dann wieder von links nach rechts.

Wir verbringen gemütlich den Nachmittag miteinander, bis mein Mann am Abend von der Arbeit kommt. Er kocht übrigens sehr gern und tut das auch öfters. Und weil er das Auto hat, macht er auch die Großeinkäufe.

Vor Kurzem waren mein Mann und ich im Prinzregententheater bei Avi Avital, dem großartigen Mandolinenspieler. Er hatte uns eingeladen, weil seine Schwester eine gute Freundin von mir ist. Mein Mann und ich haben das sehr genossen. Und daheim spielten die Kinder mit dem Babysitter.

Aufgezeichnet von Katrin Diehl

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