Herr Dulaine, der Kinofilm »Dancing in Jaffa« porträtierte Sie bei Ihrem Tanzprojekt, in dem Sie jüdische und muslimische Kinder zum gemeinsamen Tanzen bewegten. Jetzt waren Sie an Berliner Schulen im Einsatz. Was ist Ihre Strategie, die Kinder zu motivieren?
Ich möchte ein Geschenk überreichen, denn ich habe so viel bekommen und will nun etwas davon zurückgeben. Wir werden Spaß zusammen haben, sage ich den Kindern immer, unabhängig von Hautfarbe, Herkunft oder Religion. Ich respektiere sie und das spüren sie. Die politischen Konflikte müssen Politiker lösen.
Kann man durch Tanzen etwas bewegen?
Ja, der Tag, an dem ein arabisches Kind ein jüdisches berührt, ändert schon etwas. Als ich 14 Jahre alt war und mit meiner Familie nach Belfast zog, war ich schüchtern. Bis ein Mädchen mich in die Tanzschule mitnahm. Das Tanzen veränderte mein Leben – diese Erfahrung will ich weitergeben.
Jungs wollen nicht mit Mädchen tanzen, Mädchen nicht mir Jungs. Und schon gar nicht den nackten Arm oder die Hand des anderen berühren. Wie gehen Sie damit um?
Ich schlage sie mit meiner Krawatte, weshalb ich über 100 Stück besitze. Nein, das war ein Witz. Ich führe sie langsam, sehr langsam ans Tanzen heran. Erst einmal danke ich ihnen, dass sie gekommen sind. Ich versuche, ihnen schlechte Gedanken auszureden und ihnen zu zeigen, wie viel Spaß das Tanzen bringt. Und ich mache Witze. Am Anfang stehen die Jungs und Mädchen hintereinander in Reihen, erst mit der Zeit machen wir Übungen, bei denen sie näher zueinander kommen müssen. Es geht darum, Berührungsängste abzubauen.
Wie kamen Sie auf die Idee, das Projekt »Dancing Classrooms« auf die Beine zu stellen?
Es war während einer Show am Broadway in New York. Abends war Aufführung, aber tagsüber hatte ich genügend Zeit, weshalb ich in Schulen in der Bronx ging und Tanzunterricht gab. Das ist 20 Jahre her. Die Jugendlichen kannten nur Hip-Hop, ließen sich bald auf Rumba, Foxtrott, Cha-Cha-Cha oder Swing ein und lernten dadurch eine ganz andere Kultur kennen. Darüber wurde übrigens der erste Film gedreht, der so viel Beachtung fand, dass ich motiviert wurde, weiterzumachen.
Was wollen Sie mit Ihren Projekten erreichen?
Die Kinder sollen fürs Leben lernen. Sie bekommen durch das Tanzen eine elegantere Haltung, mehr Selbstbewusstsein und machen gute Erfahrungen. Die Tanzpartner werden regelmäßig gewechselt, und so kommen alle miteinander in Kontakt. Wenn du jemanden anfasst beim Tanzen, dann ist etwas im Kopf passiert. Ich lehre so den Kindern Toleranz, und dass es nicht so schlecht ist, mit einem Jungen zu tanzen. Es ist auch nicht so schlecht, mit einem Schwarzen, Moslem, Christen oder Juden zu tanzen.
Könnte diese Erziehung auch in Schulen stattfinden?
Das kann keine Schule. Beim Tanzen lernt man sich gut kennen. Führen und Folgen erfordern Respekt und Vertrauen. Haltung, Auftreten, Weltanschauung – der ganze Mensch ändert sich.
Wie viele Menschen haben Sie erreicht?
Bisher haben 400.000 Kinder das zur Hälfte durch die beteiligten Schulen und zur Hälfte durch Spenden finanzierte Programm absolviert. Meine Non-Profit-Organisation hat mittlerweile Ableger in Kanada, in der Schweiz, Jordanien und in Israel. Wir haben schon auf der ganzen Welt unterrichtet.
Sie sind der Sohn einer katholischen Palästinenserin und eines evangelischen Iren. Sind Sie deshalb so sehr an Religion interessiert?
Vielleicht. 1948, als ich vier Jahre alt war, verließen wir Palästina. Bis dahin hatten meine Eltern mit einer Orangenplantage unseren Lebensunterhalt verdient. Wir hofften, dass wir wiederkommen könnten, was nicht geschah. Als ich 14 war, gingen wir nach Belfast zur Familie meines Vaters. Sie lehnten meine Mutter und uns Kinder ab, aber meine Eltern ließen sich davon nicht beeindrucken. Sie blieben zusammen. Wir zogen schließlich nach Amman zu einer Schwester meiner Mutter, wo ich eine katholische Schule besuchte.
Es ist zu hören, dass Sie ein Projekt mit dem West-Eastern Divan Orchestra und dessen Leiter Daniel Barenboim planen.
Nun, eine Zusammenarbeit wäre wundervoll. Ich könnte in Israel mit arabischen und jüdischen Kindern tanzen, während er mit seinen Musikern Cha-Cha-Cha spielt. Ich finde, das hört sich gut an. Ich sollte ihn einladen.
Können Sie die Schuhe zählen, die Sie in ihrem Leben bereits abgetanzt haben?
Nein, ich glaube nicht. Meine Tanzschuhe sind sehr weich, sie halten lang, etwa zehn Jahre. Am Anfang meiner Karriere hatte ich nicht so viel Geld, aber ich leistete mir den Luxus, 500 bis 600 Dollar für Schuhe auszugeben.
Was ist Ihr Lieblingstanz?
Rumba! Der Klang erinnert mich an meine Heimat, den Mittleren Osten.
Mit dem ehemaligen Weltklassetänzer sprach Christine Schmitt.