Herr Neubauer, Sie haben vor 15 Jahren die Jewrovision nach Deutschland geholt. Wie kamen Sie darauf?
Angeregt von einigen europäischen Bnei-Akiwa-Freunden, die auf europäischer Ebene jährlich einen jüdischen Song Contest austragen, dachten wir, dass dies doch auch in Deutschland möglich sein müsste. Gleichzeitig wussten wir, welchen Erfolg der Eurovision Contest (ESC) hatte. Von beiden Ideen haben wir, mein Freund Henk Meijer und ich, uns inspirieren lassen.
Und wie haben Sie die Idee umgesetzt?
Wir haben ja mehrere Tausend jüdische Jugendliche und viele Jugendzentren in Deutschland. Da haben wir uns gesagt, dass wir es einmal ausprobieren wollen, eine Art jüdischen Gesangswettbewerb ins Leben zu rufen. Dessen Gewinner starteten dann auf europäischer Ebene.
Vor 15 Jahren, bei der ersten Jewrovision, waren sechs Jugendzentren in Bad Sobernheim dabei. Was denken Sie heute, wenn rund 20 Jugendzentren auftreten – also mehr als dreimal so viele?
Ich finde es phänomenal. Das hätten wir damals nicht für möglich gehalten. Beim ersten Mal waren es nur die großen Jugendzentren. 2002 zum Beispiel hatten wir ein Budget von 500 Euro für alles, einschließlich der gesamten Technik. Das war auch der Charme der ersten Jewrovision – die Leuten saßen damals auf dem Boden, die Eltern waren gar nicht mit eingeladen. Damals war man auch ein bisschen stolz, das eigene Jugendzentrum zu unterstützen, und das hat dann auch das jeweilige Jugendzentrum gestärkt.
Das ist heute ganz anders?
Ich finde es manchmal schade, dass die Jewrovision heute so groß ist – das ist ein bisschen übertrieben in Bezug auf die Professionalität. Denn gerade für kleinere Städte ist es manchmal schwer, jemanden zu finden, der singen kann.
Worum ging es Ihnen denn?
Die Menschen suchen eigentlich immer ein Vehikel, um sich zusammenzutun, sei es um zu singen, zu spielen oder Sport zu treiben. Wenn jetzt 2000 Leute zusammenkommen, haben wir alles richtig gemacht.
Die Veranstaltung ist schnell gewachsen.
Ja, beim zweiten Mal machten schon neun Jugendzentren mit, und es kamen 180 Leute, der Theatersaal war bereits zu klein, deshalb fand die Show im Speisesaal statt. Dann entstand die Idee, die Ausrichtung der Veranstaltung an die Stadt zu geben, die gewonnen hat. Auch damals gab es ein Mini-Machane, eben mit allen Teilnehmern – heute sind über 1200 Jugendliche dabei. Schön finde ich, dass es jetzt auch ein Mini-Machane für die 18- bis 35-Jährigen gibt. Nostalgie pur! Dass der Zentralrat das Event veranstaltet, ist eine super Sache und zeigt, wie wichtig es im Jahreskalender ist.
Auch die Jury setzte sich heute anders zusammen. Früher waren es die Leiter der Jugendzentren, heute sind es Prominente. Ist das ein besseres Modell?
Nein. Es macht den Teilnehmern mehr Druck, was nicht nötig ist, denn sie sollen ja Spaß haben. Mit dem Jugendzentrumsmilieu kennen sich die Juroren nicht unbedingt aus. Ich erinnere mich noch an einen Beitrag von Bremen, die eine supersüße Show hingelegt haben. Sie waren nicht die besten Sänger, aber sie haben es schön gemacht. Ich habe den Eindruck, die kleineren Jugendzentren gehen ein bisschen verloren – und damit das Jugendzentrumsflair auch.
Mehrere Tausend Jugendliche fiebern diesem Ereignis entgegen. Macht es Sie auch ein bisschen stolz?
Total. Ich freue mich jedes Jahr, wenn ich die Einladung bekomme. Ich finde es schön, dass es neben den Machanot noch eine weitere Sache gibt, die ein fester Bestandteil ist und auf die sich die Kinder freuen. Heute machen das meine ehemaligen Madrichim, und sie werden es auch weitergeben. Vielleicht kommt die nächste Generation ja auch noch mit einer tollen Idee.
Mit dem Wirtschaftswissenschaftler sprach Christine Schmitt.