Interview

»Ich bin zufrieden, dass es ein Urteil gibt«

Uwe Dziuballa vor seinem Restaurant »Schalom« Foto: Getty Images / istock

Herr Dziuballa, am vergangenen Mittwoch fand vor dem Amtsgericht Chemnitz der Prozess gegen einen 30-jährigen Mann aus Niedersachsen statt, der beschuldigt wurde, Ihr Restaurant am 27. August 2018 angegriffen zu haben. Wie haben Sie den Tag im Gerichtssaal erlebt?
Ich hatte gemischte Gefühle: zum einen eine gewisse Genugtuung, weil etwas ermittelt wurde, sodass der Prozess stattfand. Ich spürte aber auch eine Beklemmung, eine der Personen zu sehen, die mich als dunkle Gestalten mit hasserfüllten Augen über die Jahre beschäftigten. 

Was hat diese Begegnung in Ihnen ausgelöst?
Wenn man mit der Zeit immer daran denkt, kriegen diese Augen, dieser Hass eine Art dämonischen Charakter. Wenn man so jemanden bei Tageslicht sieht, ist es im Prinzip auch nur eine arme Gestalt. Mir hat es gut getan, dass der junge Mann keinen Blickkontakt halten konnte. 

Wie beurteilen Sie die Ermittlungsarbeit und die Prozessführung?
Ich empfand einen Dank an die Polizei, die Ermittlungsbehörden und den Staatsanwalt, der es vernünftig vorbereitet hat. Das hat seine Zeit gedauert, der Gerichtstermin wurde zwei Mal verschoben. Das war ein Stück weit nervig. Als Zeuge habe ich mich ordentlich behandelt gefühlt. Es war eine dem Ganzen angemessene Atmosphäre. 

Mussten Sie während des Prozesses wieder an den 27. August 2018 zurückdenken?
Es kam immer wieder hoch, hat mich immer wieder beschäftigt und runtergezogen. Dieses Erlebnis soll eine Randnotiz in meiner Geschichte und der Geschichte des »Schalom«-Restaurants sein. Ich will das nicht noch einmal wieder erleben.

Der Angeklagte wurde wegen gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruch zu einem Jahr Haft, ausgesetzt auf Bewährung, verurteilt. Wie bewerten Sie das Urteil?
Der Angeklagte hat aus meiner Sicht weder Reue noch Einsicht gezeigt. Ich bin mit dem Urteil nicht zufrieden, aber ich bin zufrieden, dass es überhaupt ein Urteil gibt. Wenn es rechtskräftig ist, dann habe ich die Möglichkeit, damit abzuschließen.

Könnte sich ein solcher Angriff heute wieder ereignen?
Ich glaube, ja. Wegen des Verhärtens und Auseinanderdriftens der Gesellschaft, unter anderem im Zuge der Corona-Pandemie, denke ich, dass bestimmte Dinge explosionsartig wieder entstehen können. In unserer Region hat sich ein Nährboden für gewisses Gedankengut gebildet. Es kann sich aber überall ereignen, auch aufgrund des Gewalttourismus, den wir 2018 gesehen haben.

Welche Lehren hat Chemnitz aus den damaligen Ereignissen gezogen?
Diese ganze Radikal- und Hetzgesellschaft ist hier ein Stück weit gescheitert. Neben dem Wegducken gab es auch jede Menge Zivilcourage. Wir haben viel positive, zivilgesellschaftliche Solidarität gespürt. Das ist auch ein Signal. Und ich glaube, dass die Polizei mittlerweile eine höhere Sensibilität an den Tag legt. 

Sind Angriffe auf Ihr Restaurant alltäglich?
Ob Hakenkreuze an der Wand, Schweineköpfe, die vor der Tür abgelegt werden, oder Sachbeschädigungen: Das ist nicht das, was meinen Alltag permanent widerspiegelt. Jeder einzelne Vorfall ist furchtbar und inakzeptabel, ist aber nicht das prägende Bild. 

Was prägt den Alltag in Ihrem Lokal?
Die positiven Erlebnisse überwiegen – wenn etwa Gäste aus New York, Frankreich oder Schoa-Überlebende hier sind, einen tollen Abend hatten und den Geschmack der jüdischen Hühnersuppe von ihrer Mamme wiedererkennen, wenn mein Bruder am Tisch etwas über Schabbes und jüdische Feiertage erzählt und die Gäste mit mehr Wissen über die jüdische Küche und Alltagskultur nach Hause gehen. Ich will mich eher an dem Positiven aufrichten als von dem Negativen niedermachen lassen.

Mit dem Inhaber des Chemnitzer Restaurants »Schalom« sprach Eugen El.

Interview

»Wir reden mehr als früher«

Rabbiner Yechiel Brukner lebt in Köln, seine Frau Sarah ist im Herbst nach Israel gezogen. Ein Gespräch über ihre Fernbeziehung

von Christine Schmitt  13.03.2025

Bundeswehr

»Jede Soldatin oder jeder Soldat kann zu mir kommen«

Nils Ederberg wurde als Militärrabbiner für Norddeutschland in sein Amt eingeführt

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Hamburg

Hauptsache kontrovers?

Mit der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille wurde die »Christlich-Jüdische Zusammenarbeit 2025 – 5785/5786« eröffnet. Die Preisträger sind in der jüdischen Gemeinschaft umstritten

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Purim

Schrank auf, Kostüm an

Und was tragen Sie zum fröhlichsten Fest im jüdischen Kalender? Wir haben uns in der Community umgehört, was in diesem Jahr im Trend liegt: gekauft, selbst gemacht oder beides?

von Katrin Richter  13.03.2025

Feiertag

»Das Festessen hilft gegen den Kater«

Eine jüdische Ärztin über Alkoholkonsum an Purim und die Frage, wann zu viel wirklich zu viel ist

von Mascha Malburg  13.03.2025

Berlin

Persien als Projekt

Eigens zu Purim hat das Kunstatelier Omanut ein Wandbild für die Synagoge Pestalozzistraße angefertigt

von Christine Schmitt  13.03.2025

Wilmersdorf

Chabad Berlin lädt zu Purim-Feier ein

Freude sei die beste Antwort auf die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen, sagt Rabbiner Yehuda Teichtal

 12.03.2025

Purim

An Purim wird »We will dance again« wahr

Das Fest zeigt, dass der jüdische Lebenswille ungebrochen ist – trotz der Massaker vom 7. Oktober

von Ruben Gerczikow  12.03.2025

In eigener Sache

Zachor!

Warum es uns besonders wichtig ist, mit einer Sonderausgabe an Kfir, Ariel und Shiri Bibas zu erinnern

von Philipp Peyman Engel  11.03.2025 Aktualisiert