Auszeichnung

»Ich bin ein Schweriner«

Neuer Ehrenbürger: Landesrabbiner William Wolff Foto: Cornelius Kettler

William Wolff hat sich in die Riege von Bürgermeistern, Reichskanzler Otto von Bismarck, dem Organisator des deutschen Postwesens, Heinrich von Stephan, Unternehmern und dem jüdischen Rechtsanwalt und Parlamentarier Lewis Jacob Marcus eingereiht. Sie alle sind seit Beginn des 18. Jahrhunderts zu Ehrenbürgern der Stadt Schwerin ernannt worden. Diese Auszeichnung wurde nun William Wolff als erstem Rabbiner zuteil.

Seit der Deutschen Wiedervereinigung haben sich Schwerins Stadtvertreter erst zweimal entschlossen, das Ehrenbürgerrecht zu verleihen, zuletzt 2002 an die Blumenfrau Bertha Klingberg, die sich nach der friedlichen Revolution in der DDR in besonderer Weise dafür eingesetzt hatte, dass Schwerin Landeshauptstadt des neuen Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern wird. In jenem Jahr 2002 trat auch William Wolff eher zufällig sein Amt als Landesrabbiner von Mecklenburg-Vorpommern an.

Optimist In der Sondersitzung der Schweriner Stadtvertretung am 27. Januar erinnerte die Laudatorin, die für Kirchenangelegenheiten zuständige Justizministerin Uta-Maria Kuder (CDU), nicht nur an die Lebensstationen William Wolffs, sondern sie drückte ihre besondere Freude darüber aus, dass sich der Rabbiner vor knapp zwölf Jahren entschlossen hatte, nach Deutschland zurückzukehren und ein Amt anzutreten, das zuvor 68 Jahre lang unbesetzt war.

Seither sei es William Wolff mit seiner optimistischen Art gelungen, Juden wie Nichtjuden zu begeistern: »Er vermag es auf einmalige Weise, den Menschen Religion und Lebensfreude zu vermitteln. Sein Lachen ist gütig, sein Händedruck ist fest und leidenschaftlich. Er ist ein wunderbar weiser und menschenfreundlicher Rabbiner«, sagte die CDU-Politikerin und wies darauf hin, dass viele Menschen unsagbar dankbar dafür seien, dass sein Lebensweg ihn in das nordöstliche Bundesland verschlagen habe.

Gewissermaßen war es damals eine Rückkehr in sein Geburtsland, denn Wolff kam am 13. Februar 1927 in Berlin zur Welt. Bereits 1933 flohen seine Eltern mit drei Kindern vor den Nationalsozialisten zunächst nach Amsterdam und 1939 nach England. Dort arbeitete William Wolff später als Zeitungsjournalist, war auch Ende der 60er- und Anfang der 70er-Jahre mehrfach Gast der ARD-Fernsehsendung »Internationaler Frühschoppen«, bevor er im Alter von 57 Jahren Rabbiner wurde.

Landesrabbiner Bereits 1997 gab es erste Kontakte zur Jüdischen Gemeinde in Schwerin, Wolff nahm regelmäßig an den Gedenkfeiern zur Pogromnacht im November teil. Als Landesrabbiner sorgte er sich später vor allem um das religiöse Gemeindeleben der beiden Gemeinden in Schwerin/Wismar sowie in Rostock. Zugleich trat er stets für ein unverkrampftes Verhältnis zwischen Juden und Nichtjuden in Mecklenburg-Vorpommern ein.

Dass die jüdischen Gemeinden inzwischen Normalität geworden sind, daran habe William Wolff großen Anteil, würdigten die Redner am Montag den neuen Ehrenbürger Schwerins. Stadtpräsident Stephan Nolte nannte seine »Haltung als Demokrat und liberaler Jude (...) beeindruckend«, als derjenige, »der uns trotz der von ihm und seiner Familie erlittenen Vergangenheit Zuversicht auf eine gute Zukunft in friedlicher Toleranz vermittelt«. Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow (Die Linke) sprach von einem Glücksfall für die Stadt. William Wolff »steckt uns an mit seinem Lebensmut und seinem Optimismus«.

Der Geehrte selbst sorgte nach den vielen lobenden Worten mit seinem Humor dafür, dass die Feierstunde nicht gar zu staatstragend wurde. Sein Vater wäre wohl angesichts der Ansprachen sehr skeptisch gewesen, seine Mutter hätte jedes Wort geglaubt, so Wolff in seiner Dankesrede. Er erzählte davon, wie ihn der Fall der Mauer im November 1989 zu Tränen gerührt hatte und er damals gemerkt habe, dass ihm sein Geburtsland doch sehr am Herzen liege. Diese Gewissheit ließ ihn dann auch nicht zögern, als Landesrabbiner nach Deutschland zu kommen.

Europäer Obwohl der Rabbiner in Mecklenburg-Vorpommern arbeitet, ist sein Leben eher ein europäisches geworden. Er lebt und wohnt sowohl in Schwerin als auch in London. Im hohen Alter lernte er Russisch, um vor den meist jüdischen Emigranten in den Gemeinden in deren Heimatsprache zu predigen. Er liebt Pferderennen, schnelle Autos, Kirchenmusik und Yoga, liest zahlreiche deutsche sowie britische Zeitungen und kann sich nicht von Büchern trennen.

Wer den kleinen schmächtigen Mann begleitet, muss ihm mit schnellen Schritten folgen, und sein Jackett ist mit Schlüsselbund und Brieftasche um ein Vielfaches schwerer, als es vermuten lässt. William Wolff erhielt in den vergangenen Jahren zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen, so die Ehrendoktorwürde der Greifswalder Universität und das Bundesverdienstkreuz.

Mit dem 27. Januar 2014 – mit Bedacht wurde der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus gewählt – ist er Ehrenbürger der Stadt Schwerin. So bezog sich der gebürtige Berliner in der Feierstunde auf den ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy und dessen Berlin-Rede von 1963 am Schöneberger Rathaus und dankte in abgewandelter Form: »Ich bin ein Schweriner!«.

In eigener Sache

Zachor!

Warum es uns besonders wichtig ist, mit einer Sonderausgabe an Kfir, Ariel und Shiri Bibas zu erinnern

von Philipp Peyman Engel  11.03.2025 Aktualisiert

Buchvorstellung

Parallelen zum BDS-Boykott von heute

Andreas E. Mach untersuchte die Geschichte jüdischer Familienunternehmer in München

von Luis Gruhler  10.03.2025

Interview

»Wir reden mehr als früher«

Rabbiner Yechiel Brukner lebt in Köln, seine Frau Sarah ist im Herbst nach Israel gezogen. Ein Gespräch über ihre Fernbeziehung und eine Spendenkampagne für Familien israelischer Soldaten

von Christine Schmitt  10.03.2025

Antisemitismus

Rabbiner Pinchas Goldschmidt zu Vorfall in München: »Abschieben! Noch heute!«

Drei junge Syrer randalierten am Samstag vor dem jüdischen Gemeindezentrum - in ersten Reaktionen forderten Rabbiner harte Konsequenzen

 10.03.2025

Militärseelsorge

Militärrabbiner Ederberg: Offenes Ohr für Soldaten im Norden

Arbeit bei der Bundeswehr sei Dienst an der Gesellschaft insgesamt, den er als Rabbiner gerne tue, sagt Ederberg

 10.03.2025

München

Hilfe von »Ruth«

Der Jüdische Frauenverein ermöglicht Bedürftigen ein Leben in Würde

von Luis Gruhler  09.03.2025

Berlin

Des Nougats Kern

Yahel Michaeli lädt in ihrer Patisserie zu Kursen ein, in denen sie die Kunst der Schokoladen- und Pralinenherstellung lehrt. Ein Besuch zwischen Mousse und Callets

von Alicia Rust  09.03.2025

Dialog

Buber-Rosenzweig-Medaille wird am Sonntag in Hamburg verliehen

In diesem Jahr geht die Medaille an das Ehepaar Meron Mendel und Saba-Nur Cheema. An der Auszeichnung gab es im Vorfeld scharfe Kritik aus der jüdischen Gemeinschaft

 09.03.2025

Porträt der Woche

Die DNA verändern

Esther Deppe aus Bielefeld studiert Chemie und möchte in der Genforschung arbeiten

von Gerhard Haase-Hindenberg  08.03.2025