Assaf Uni ist völlig begeistert. »Da werden Kindheitserinnerungen wach«, so der israelische Journalist, der in Tel Aviv und Berlin gleichermaßen zu Hause ist. »Als kleiner Junge bin ich jeden Freitag mit meinen Eltern raus nach Ramle gefahren, um bei ›Samir‹ Hummus zu essen. Das war unser Ritual, um das Wochenende einzuläuten.«
Den Geschmack des köstlichen, seidenweichen Kichererbsenbreis in dem kleinen arabischen Restaurant hat er bis heute nicht vergessen. »Und plötzlich bekomme ich hier in der deutschen Hauptstadt fantastisches Hummus, der genauso schmeckt.«
Kein Wunder, denn Jalil Dabit, ein Sohn der Restaurantbetreiber des »Samir« mit seiner Jahrhunderte alten Tradition in Ramle, bewirtet heute Gäste des »Kanaan« in der Kopenhagener Straße im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg mit dem seidenweichen Hummus seiner Familie. Und es ist nicht nur das berühmte Hummus, das auf der Speisekarte steht. Zahlreiche andere kulinarische Klassiker aus der Region finden sich dort ebenfalls wieder: Schakschuka, Burekas mit Ziegenkäse oder Tabouleh-Salat mit Minze und anderen frischen Kräutern.
Aber wer glaubt, das Kanaan sei nur eines der vielen israelischen Restaurants, die neuerdings in Berlin wie Pilze aus dem Boden schießen und mit dem Klassiker Hummus an den Start gehen, der irrt gewaltig. »Schließlich geben wir unseren Gerichten noch einen besonderen Twist«, sagt Oz Ben David, der gemeinsam mit Jalil Dabit den Laden betreibt. Ben David verweist auf die vielen Eigenkreationen. »Zum Beispiel unser ›Hamschuka‹«, so der 36-jährige Israeli, der ursprünglich aus Beer Sheva stammt. »Wir haben zwei verschiedene Gerichte, in diesem Fall Hummus und Schakschuka, kombiniert und daraus etwas ganz Neues geschaffen.« Das Ergebnis kann sich nicht nur sehen lassen, es ist auch noch unglaublich lecker.
mamaliga Das Kombinieren völlig unterschiedlicher Speisen wurde Oz Ben David quasi in die Wiege gelegt. »Ich habe rumänische und marokkanische Wurzeln«, berichtet der Israeli nicht ohne Stolz. »Jeden Schabbat kochten meine beiden Großmütter traditionelle Gerichte aus ihrer alten Heimat. Dabei benutzte die eine immer Zutaten, die typisch für Rumänien waren, zauberte Kartoffelgerichte oder kochte Mamaliga, einen Brei aus Maisgrieß, nicht unähnlich der italienischen Polenta.
Bei der marokkanischen Oma dagegen kamen reichlich scharfe Gewürze aus Nordafrika zum Einsatz.« Oz Ben David liebte die Kochkünste beider Großmütter gleichermaßen. »Bereits als Kind begann ich, auf dem Teller alles zu vermischen. Das Ergebnis war meiner Meinung nach immer wieder eine Überraschung und fantastisch.« Auf diese Weise entdeckte er nicht nur neue Geschmacksrichtungen, sondern auch so etwas wie seine Lebensphilosophie.
Daraus haben Oz Ben David und sein arabischer Partner Jalil Dabit nun ein Konzept entwickelt und es auf das Kanaan übertragen. Das fängt schon bei den Mitarbeitern an: Viele von ihnen stammen aus Israel, Syrien, Deutschland, Australien und Eritrea. Und es geht weiter mit den Gästen: Blonde Kinder toben mit einer Pita in der Hand, aus der bereits das Hummus tropft, über das einer Strandbar mit reichlich Tel-Aviv-Flair nachempfundene Areal; etliche der vielen Franzosen, Italiener und Amerikaner, die in dem Kiez leben, genießen gegrillten Blumenkohl, den Israelis hierzulande ebenfalls populär gemacht haben. »Aber immer eine Spur anders als die anderen«, betont der gelernte Marketing-Experte.
dattelhonig Auf die Unterschiede legt Ben David Wert. »Statt einfach nur mit Tehina, servieren wir den Blumenkohl mit einer Soße, die auf Dattelhonig basiert.« So auch die klassischen deutschen Kartoffelpuffer, die er und sein Geschäftspartner mit einigen orientalischen Gewürzen und Beilagen verändert haben. Oder Knafeh, die traditionelle arabische Süßspeise aus einem warmen, quarkähnlichen Käse, der im Kanaan mit selbstgemachter deutscher Marmelade angereichert wird. »Ein bereits köstliches Dessert wird auf diese Weise noch köstlicher«, finden Ben David und Dabit.
Das Kanaan selbst ist sehr unprätentiös gehalten. Understatement pur: eine einfache Holzhütte, davor viel ehemaliges Mobiliar aus der ehemaligen DDR, unmittelbar neben einer Bahntrasse gelegen. Genau das macht den Charme der Lokalität aus.
Bereits die Eröffnung im Sommer vergangenen Jahres war ein voller Erfolg, gleich mehrere 100 Leute kamen. Seither brummt der Laden. Und man will mehr als nur ein Restaurant sein. Seine Macher wollen das Kanaan zu einer Marke aufbauen, die für hochwertige Salate und andere Köstlichkeiten aus der Region Nahost steht und im Handel zu haben ist. »Unser Lokal soll dabei so etwas wie der Showroom sein«, verrät Oz Ben David. Im Catering-Business hat man ebenfalls bereits Flagge gezeigt und sich zu einer festen Größe gemausert, darunter auf jüdischen Feiern oder Veranstaltungen des Studienwerks ELES.
crossover »Israel ist eine Einwanderungsgesellschaft«, meint Oz Ben David. »Menschen aus aller Welt brachten ihre kulinarischen Traditionen mit, die sich irgendwie auch vermischten. So entstand etwas völlig Neues und Aufregendes.« Dass man vor fremden Einfüssen keine Furcht haben, sondern sie als Bereicherung verstehen sollte – diese Botschaft wollen die Betreiber des Kanaan mit ihren Crossover-Ideen vermitteln. »Deswegen werden wir demnächst auch Kochkurse mit Geflüchteten aus Syrien auf die Beine stellen.«
Ein Kochbuch, das auf diesen Konzepten basiert, ist ebenfalls in Planung. Hummus kann also nicht nur köstlich schmecken, sondern auch eine Brücke zwischen den unterschiedlichsten Menschen sein.