Die Nervosität scheint zu wachsen. Nachdem Rabbiner Walter Homolka bereits über seine Anwälte gegen die Berichterstattung verschiedener Zeitungen vorgegangen ist, will er sich nun auch gegen die Universität Potsdam juristisch zur Wehr setzen. Homolka sieht sich als Opfer des »fälschlich erhobenen Vorwurfs des Machtmissbrauchs«. Mit Spannung wird derweil das Ergebnis einer Untersuchung erwartet, die der Zentralrat der Juden bei der Kölner Anwaltskanzlei Gercke Wollschläger in Auftrag gegeben hat.
Ein Rückblick: Im Mai wurden schwere Vorwürfe gegen Homolka, den Gründer, Geschäftsführer und Rektor des Abraham Geiger Kollegs und zugleich Professor an der Universität Potsdam, bekannt. Zu dem Zeitpunkt hatte die Universität bereits eine Untersuchungskommission zur Aufarbeitung der Vorgänge eingesetzt, ohne dass wahrnehmbare Kritik oder Einwände dagegen laut geworden wären.
gremium Der Bericht des Gremiums wurde Ende Oktober veröffentlicht. Er kommt zu dem Ergebnis, dass sich »die Vorwürfe des Machtmissbrauchs durch Ämterhäufung, durch Schaffung problematischer Studien- und Arbeitsverhältnisse, durch Karriereeingriffe« gegen Homolka bestätigt hätten. Nicht nachweislich bestätigt hätten sich hingegen »Vorwürfe der Duldung sexuell belästigenden Verhaltens seitens seines Lebenspartners«, schlussfolgerte die Kommission.
Im Mai wurden schwere Vorwürfe gegen Homolka, den Gründer, Geschäftsführer und Rektor des Abraham Geiger Kollegs und zugleich Professor an der Universität Potsdam, bekannt.
Noch am selben Tag bezeichnete das Abraham Geiger Kolleg den Bericht in einer Pressemitteilung als »eine wichtige Bestätigung unserer Konzeption« in Bezug auf die Neustrukturierung der Ausbildungsstätte. Die Allgemeine Rabbinerkonferenz (ARK) nahm in einer Stellungnahme »mit Freude« zur Kenntnis, dass nach mehr als sechs Monaten die Untersuchung der Kommission der Universität vorliege. Als entscheidendes Ergebnis sah es die ARK an, dass die Vorwürfe der sexualisierten Belästigung ausgeräumt worden seien.
Wie aus Teilnehmerkreisen verlautete, wurde bei einem Treffen der Union progressiver Juden (UpJ) vor Kurzem ebenfalls hervorgehoben, dass dem Bericht zufolge keine sexualisierte Belästigung durch Homolka stattgefunden habe. Die gesamte Berichterstattung dazu sei vielmehr ein gezielter Angriff auf den Rabbiner und der Versuch der Schwächung des liberalen Judentums gewesen.
interimschefin Bei derselben Sitzung sei auch von einem Bericht von AGK-Interimschefin Gabriele Thöne die Rede gewesen. Der Rechtsanwältin und früheren Berliner Finanzstaatssekretärin war nach dem Rückzug Homolkas von seinen öffentlichen Ämtern im Mai die Leitung des Abraham Geiger Kollegs übertragen worden. Damals hatte Thöne Aufklärung angekündigt: »Das ist mir ganz wichtig, dass ich mir das anhöre, um daraus Schlüsse zu ziehen für den Gesamtprozess.« Den Kreisen zufolge seien zwischenzeitlich interne Dokumente, Studienverträge sowie die Geschäftsordnung des Kollegs auf das Thema Machtmissbrauch untersucht worden. Man habe jedoch keinen Verstoß feststellen können.
In der Wochenzeitung »Die Zeit« hatte Walter Homolka bereits in einem fast zeitgleich mit dem Bericht der Universität veröffentlichten Interview Stellung zu dem Fall genommen und einen angeblichen Rufmord, die Skandalisierung seiner Person sowie eine »Attacke konservativer Kreise auf das liberale Judentum« beklagt.
Auch die UpJ nimmt ihren ehemaligen Vorsitzenden Homolka in Schutz und hat den gegen ihn erhobenen Vorwurf des Machtmissbrauchs einem Bericht von »Zeit Online« zufolge in einem Schreiben als »ehrverletzend« bezeichnet. Die Vereinigung liberaler jüdischer Gemeinden in ganz Deutschland stützt sich offenbar auch auf ein Gutachten des evangelischen Kirchenjuristen Rainer Rausch, welches auf der UpJ-Webseite veröffentlicht ist. Darin heißt es unter anderem, die Untersuchung der Universität Potsdam beachte nicht immer »das dreidimensionale Beziehungsgeflecht zwischen staatlichem Kulturverfassungsrecht, Staatskirchenrecht und Kirchenrecht«.
kommission Die UpJ ist sich nun sicher: »Es war kein Machtmissbrauch!«. Das zumindest schreibt der Verband auf seiner Webseite. »Wir stimmen nicht mit der Annahme der Kommission überein, sie habe Machtmissbrauch am Abraham Geiger Kolleg erkennen dürfen oder an der Universität Potsdam nachweisen können«, so das Statement.
Allerdings ist diese Sichtweise auch verbandsintern umstritten. Seit Längerem ist bekannt, dass sich verschiedene Mitgliedsgemeinden der UpJ von Homolka abgewandt haben und seinen Rückzug fordern. Auch zahlreiche Mitglieder der Allgemeinen Rabbinerkonferenz plädieren mittlerweile dafür, ihn aus dem Verband auszuschließen. Der gehören übrigens verschiedene Absolventen des Potsdamer Kollegs an. Insofern ist es von besonderer Bedeutung, wenn die ARK am Montag in einer Presseinformation klipp und klar »die sexuellen Belästigungen, die am Abraham Geiger Kolleg stattgefunden haben«, verurteilt.
Auch wenn die Bewertung rechtlich und disziplinarisch zu keinen Konsequenzen geführt habe, sei ihm ein »Reputationsschaden« entstanden, so Homolka.
Homolka selbst sagte am Montag laut Katholischer Nachrichten-Agentur, sein Anwalt werde den Untersuchungsbericht der Universität anfechten. Auch wenn die Bewertung rechtlich und disziplinarisch zu keinen Konsequenzen geführt habe, sei ihm ein »Reputationsschaden« entstanden.
»Zeit Online« fragt unterdessen: »Ist das die Wende im Skandal um Walter Homolka?« und spekuliert, ob es richtig gewesen sei, dass der Zentralrat der Juden »noch ein weiteres großes Rechtsgutachten gegen Homolka« in Auftrag gegeben habe.
zentralrat Zentralratspräsident Josef Schuster sagte auf der Ratsversammlung am vergangenen Sonntag in Frankfurt am Main, Rabbiner Homolka habe »unbestritten große Verdienste um das liberale Judentum in Deutschland«. Der Zentralrat habe nichts gegen das liberale Judentum. Es gebe keine Vorbehalte gegen Strukturen des liberalen Judentums, und eine Ausbildungsstätte für liberale Rabbiner sei sehr wichtig und werde gebraucht, so Schuster.
Allerdings brauche es »hundertprozentige Transparenz«, da in Potsdam mit öffentlichen Geldern gearbeitet werde. Und es müssten, wenn es belegbare Hinweise auf Machtmissbrauch gebe, Konsequenzen gezogen werden, betonte Schuster. »Wir warten jetzt den Bericht ab, und dann sehen wir weiter.« ja