Es ist noch dunkel, als der Wagen mit dem Impfstoff vorfährt und die kompakten Behältnisse mit dem wertvollen Inhalt ins Haus gebracht werden. Wertvoll für die Bewohnerinnen und Bewohner des Düsseldorfer Elternheims, wertvoll für das Pflegepersonal und die Angehörigen, die in den vergangenen Wochen und Monaten nur unter sehr strengen Hygienevorschriften das Haus betreten durften.
Um 6.45 Uhr startete am 30. Dezember die Impfaktion im Nelly-Sachs-Haus. Nicht nur für Bert Römgens, Geschäftsführer der Maimonides gGmbH, die das Elternheim betreibt, beginnt damit eine neue Phase in der nun seit fast einem Jahr andauernden Pandemie. »Das war heute Morgen ein ganz besonderer Augenblick, als der Spediteur mit dem tiefgekühlten Impfstoff kam. Wir waren sehr, sehr froh, als der Impfstoff da war, weil wir wussten, heute können wir wirklich impfen«, beschreibt Heimleiter Römgens den Start in diesen besonderen Tag.
Impfstart Seit dem 27. Dezember läuft bundesweit die Impfaktion gegen das Coronavirus, drei Tage später wurden 100 Bewohnerinnen und Bewohner des Nelly-Sachs-Hauses geimpft sowie 109 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Damit liege die Impfbereitschaft des Pflegepersonals bei 77 Prozent, die der Bewohner bei fast 100 Prozent, sagt Bert Römgens. Das jüdische Elternheim war unter den ersten Seniorenheimen Düsseldorfs, in denen der Wirkstoff verabreicht wurde.
Jolanda Schottenfeld-Naor, Internistin und Mitglied im Bundesvorstand Jüdischer Mediziner, und Bert Römgens hatten innerhalb weniger Tage ein Team von sieben Ärzten zusammengestellt, die meisten von ihnen Gemeindemitglieder und dem Nelly-Sachs-Haus verbunden. Trotz der Weihnachtsfeiertage konnte das Team mit weiterem medizinischen Personal rasch mobilisiert werden.
Für die achtstündige Impfaktion wurde der Speisesaal umfunktioniert.
Die Hilfsbereitschaft sei sehr groß gewesen, betont die Medizinerin Schottenfeld-Naor. »Ich glaube, dass alle die Impfaktion nicht nur wie einen Job gesehen haben, den man jetzt erledigen muss.« Es sei auch das Gefühl da gewesen, dass es eine gewisse Ehre und Freude ist, dem Nelly-Sachs-Haus zu helfen und die Bewohner dort zu schützen. »Das war mehr als eine Pflichtübung«, beschreibt Schottenfeld-Naor die Atmosphäre und spricht rückblickend auf den Tag begeistert von Solidarität, Teamgeist und dem Agieren im Geist jüdischer Nächstenliebe.
Acht Stunden dauerte der Impfeinsatz. Zunächst wurden die Bewohner auf den jeweiligen Etagen geimpft, dann das Pflegepersonal sowie ehrenamtliche Helfer. Dafür war der Speisesaal des Elternheims zu einer Impfstation umfunktioniert worden, Einbahnsystem und Abstandsregelung inklusive.
Logistik So war der Tag auch eine logistische und organisatorische Herausforderung. Zum einen musste der Impfstoff nach einem fein abgestimmten Prozedere zubereitet und verabreicht werden, dazu kamen bürokratische Formalitäten und natürlich Gespräche. Nicht nur am Impftag selbst, schon im Vorfeld hatte Schottenfeld-Naor etliche Anrufe von Angehörigen erhalten, die Fragen hatten und Für und Wider der Impfungen abwägen wollten. Auch die Heimleitung rund um Bert Römgens führte zahlreiche Vorgespräche mit Bewohnern und Pflegekräften.
Jeweils ein Mitarbeiter kümmerte sich dann um die Nachbeobachtung von drei Geimpften – falls ein anaphylaktischer Schock oder sonstige gravierende Nebenwirkungen auftreten sollten. Doch es habe keine Komplikationen gegeben. »Es läuft rund und gut, und ich bin froh, dass wir so viele engagierte Ärzte haben und so viele engagierte Mitarbeiter«, freute sich Bert Römgens. Er sei sehr froh, dass er selbst auch geimpft werden konnte. »Ich stehe zu 150 Prozent hinter der Impfung, ich bin der Meinung, sie ist absolut alternativlos, zum einen für uns selbst, zum anderen in Verantwortung und zum Schutz für die Bewohnerinnen und Bewohner, die hier leben.«
Zunächst wird es in dem Elternheim weitergehen wie bisher – mit strengem Hygienekonzept, mit Abstand, Maske und Schnelltests. Erst wenn in drei bis vier Wochen die zweite Impfung erfolgt sein wird, steht die Immunisierung nach weiteren 14 Tagen so weit, dass das Alltagsleben sich wieder normalisieren kann: mit gemeinsamem Essen im Speisesaal, sorgloseren Freizeitaktivitäten, einfacheren Besuchen und vielleicht auch wieder mit Gottesdiensten.