Die ersten Bauspuren sind bis ins 11. Jahrhundert zurückzuverfolgen, und als in Erfurt die dritte Bauphase der Synagoge begann, fing man mit dem Bau jüdischer Gotteshäuser in Prag gerade erst an. Erfurt reklamiert für sich, die besterhaltene mittelalterliche Synagoge zu haben – und möchte deren Einmaligkeit als Unesco-Weltkulturerbe bestätigt wissen.
Im kommenden Monat wird das Unesco-Komitee während seiner Beratungen vom 10. bis 25. September darüber entscheiden, ob Erfurt mit seinen jüdisch-mittelalterlichen Entdeckungen auf die Welterbeliste kommt – nach 14 Jahren Vorarbeit seitens der Thüringer.
besonderheiten Die Chancen, dass mit dem jüdisch-mittelalterlichen Ensemble Erfurt als vierte Stätte Thüringens in die Welterbeliste eingetragen wird, stehen zumindest nicht schlecht, wenn nicht sogar gut. Längst haben die beiden Wissenschaftlerinnen Maria Stürzebecher und Karin Sczech als Unesco-Beauftragte der Stadt die Besonderheiten der Alten Synagoge, der Mikwe und des Steinernen Hauses aufbereitet und teils sogar erst entdeckt.
Und Icomos, der Internationale Rat für Denkmalpflege im Auftrag der Unesco, hat bereits seine Empfehlung ausgesprochen, Erfurts jüdischen Schatz auf die Erbeliste zu setzen. Die 21 Vertreter der Unesco werden in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad darüber entscheiden, ob nach Weimar (Klassisches Weimar und Bauhaus) und Eisenach (Wartburg) tatsächlich Erfurt in die Liste eingetragen werden kann – als erste jüdische Kulturstätte des kleinen Freistaates.
»Wir hoffen das sehr. Denn in Erfurt haben wir die am besten erhaltene Synagoge aus dem Mittelalter mit Bauspuren sogar aus dem 11. Jahrhundert«, so Maria Stürzebecher. Zum Vergleich: Die Synagoge in Prag entsteht erst während der dritten Bauphase der Erfurter Synagoge.
hochzeitsring Natürlich gehören zum Welterbe im Bereich Kultur nur Gebäude. Dennoch sind der Ende des vergangenen Jahrhunderts entdeckte jüdische Hochzeitsring, sind die Silbermünzen und -becher ebenso Belege für jüdisches Leben im Mittelalter – und auch die inzwischen 75 geborgenen und bislang unentdeckten Grabsteine mit Inschriften.
»Wir sind längst noch nicht am Ende mit unseren Entdeckungen und Erkundungen zum jüdischen Leben in der Stadt«, versichert Archäologin Karin Sczech, die zweite Unesco-Beauftragte Erfurts und zugleich die Entdeckerin der Mikwe. Beispielsweise soll die zweite mittelalterliche Synagoge, die unweit des Rathauses gestanden haben muss, irgendwann lokalisiert und freigelegt werden – oder doch zumindest Steine davon.
Eigentlich sollte es einen gemeinsamen Vorschlag von Erfurt und den SchUM-Städten geben.
Vor zwei Jahren wurden Speyer, Worms und Mainz mit ihren jüdisch-mittelalterlichen Stätten in die Erbeliste aufgenommen. Der Erfurter Vorschlag aus den 90er-Jahren, doch gemeinsam den Antrag zu stellen, wurde aus Rheinland-Pfalz abgelehnt. Warum, das bleibt ein Geheimnis. Inhaltlich kooperieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Erfurts und der SchUM-Städte seit Jahren – und der innere Zusammenhang beispielsweise zwischen Erfurt und Mainz ist in jedem Geschichtsbuch nachzulesen.
VORBEREITUNG Derzeit arbeitet Erfurt mit Hochdruck daran, sich auf den möglichen Welterbe-Titel vorzubereiten. Sicher ist dieser aber nicht. Die Entscheidung liegt in der Hand des Welterbe-Komitees. Dennoch deuten viele Zeichen darauf hin, dass Erfurt diesen Titel bekommen könnte. Eigentlich dürfen Deutschland zwei mögliche Erbestätten vorgeschlagen werden, in diesem Jahr ist es nur Erfurt.
Eine kleine Delegation aus der Stadt wird nach Riad reisen, denn die Erfurter sind von der Unesco eingeladen. Auch das darf durchaus als ein positives Zeichen in Richtung Liste gewertet werden. Dennoch bleibt natürlich Unsicherheit. Und das Ergebnis soll man in Erfurt live verfolgen können. Es gibt eine öffentliche Übertragung im Festsaal des Erfurter Rathauses.
Sollte Erfurt den Zuschlag für den Erbe-Titel bekommen – in Thüringens Hauptstadt ist man trotz aller positiven Vorzeichen nervös –, soll ein riesiges Fest stattfinden. »Ich bin optimistisch. Und ich weiß die Arbeit zu schätzen, die bisher auf diesem Weg im Land geleistet wurde«, so Reinhard Schramm. »Das jüdische Erbe und jüdisches Leben spielen heute eine öffentlichere Rolle als bisher«, ist der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde überzeugt.
Längst ist auch ein Welterbezentrum in Planung, entsprechende Entwürfe der Architekturstudierenden dafür wurden bereits in der Fachhochschule ausgestellt. Doch was, wenn es doch nicht zum Titel reichen sollte? »Unsere Funde kann uns niemand nehmen«, heißt es dazu selbstbewusst aus dem Rathaus und auch aus der Landesgemeinde.