Es ging um »Jüdisches Leben in Deutschland«, und die Friedrich-Ebert-Stiftung hatte gemeinsam mit dem Deutschen Kulturrat eingeladen. Eine »besondere Veranstaltung«, wie Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, die Konferenz am Mittwochnachmittag gleich zu Beginn lobte.
Denn allzu oft kommt es nicht vor, dass Entscheidungsträger aus Politik und Kultur sich mit Herausforderungen und Problemen, die sich Juden in der Gegenwart stellen, auseinandersetzen.
themen Mit Josef Schuster sowie Zentralratsgeschäftsführer Daniel Botmann war die politische Vertretung der deutschen Juden prominent vertreten. Und mit Dalia Grinfeld von der Jüdischen Studierendenunion Deutschland, Alina Gromova von der Akademie des Jüdischen Museums, Jael Botsch-Fitterling von der Berliner Gesellschaft für Jüdisch-Christliche Zusammenarbeit oder Dmitrij Belkin vom Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk waren weitere kompetente Stimmen in die Räume der Ebert-Stiftung gekommen. Damit das doch immense Themenspektrum, das jüdisches Leben ausmacht, gut orchestriert wird, war mit der Journalisten Shelly Kupferberg eine erfahrene Moderatorin dabei.
Um Altersarmut, um die Erfahrungen des deutschen Judentums mit der Integration von Zuwanderern, um Antisemitismus, die AfD-Erfolge und Diskussionen über Beschneidung und Schächten ging es. Auch Themen, die eher als heiße Eisen gelten – wie etwa Subventionen, schwindende Mitgliederzahlen der Gemeinden oder die Frage, ob, ein erstaunlich häufig verwendetes Wort an diesem Nachmittag, »Schulterschlüsse« mit muslimischen Gemeinden zu vollziehen seien –, wurden behandelt. Und es ging um sehr aktuelle Dinge wie die jüngsten Israelbesuche von Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier.
Josef Schuster erinnerte an die Position von Israel als einziger Demokratie im Nahen Osten – mit nicht überhörbarem Bezug zum Bundesaußenminister. »Als Diplomat sollte man hier einmal genauer nachdenken, ob man die Beziehungen in diesem Klima riskieren oder weniger forsch auf die Probe stellen muss«, stellte er in den Raum. Und fand Gehör. Thorsten Schäfer-Gümbel, Vizevorsitzender der SPD, versuchte – »ohne zu vergleichen« – eine Erklärung des Gabriel-Eklats.
demokratie Der frühere SPD-Vorsitzende sei ein emotionaler Mensch, der sich keine Vorschriften machen lassen wolle; Schäfer-Gümbel sei selbst einmal mit Gabriel in China gewesen, wo er auch auf einem Treffen mit einer Menschenrechtsgruppe bestanden hatte. Diese Erklärung wiederum wies Daniel Botmann deutlich zurück, eine solche Gleichsetzung der Demokratie des jüdischen Staates und der Repression der Volksrepublik verbiete sich.
Es sprach für das Gesprächsklima in der Ebert-Stiftung, dass alle Akteure zu einer rücksichtsvollen Kommunikation zurückkehrten. Als Josef Schuster etwa die das Gros der Zuwanderer betreffende Altersarmut darstellte – und zugleich das Missverhältnis gegenüber der Rentenanrechnung für sogenannte Spätaussiedler erwähnte –, bekannte Schäfer-Gümbel, sich zwar mit diesem Thema noch nicht beschäftigt zu haben, versprach aber: »Ich biete an, es politisch zu begleiten.«
So gingen denn alle Beteiligten trotz unübersehbarer Gefahren und Probleme letztlich optimistisch aus dem Gespräch. Daniel Botmann betonte, dass doch alle relevanten Religionsgruppen in Deutschland ein positives Verhältnis zur Demokratie hätten und Religionsfrieden bestehe. »Darauf sollten wir stolz sein.« Dalia Grinfeld berichtete, dass sie – und ihre Generation – ein neues deutsch-jüdisches Selbstbewusstsein hätten. »Juden anderer Länder bemerken oft: Die jungen Juden aus Deutschland, die haben Feuer unterm Tuches.«
privilegierung Alina Gromova sprach darüber, ob es nicht eine gewisse Privilegierung jüdischer Gemeinden gebe, die eine Chance für die Verbesserung von Minderheitenrechten insgesamt böte. »Hier könnten jüdische Gemeinden eine Verantwortung übernehmen.« Und Dmitrij Belkin dachte laut darüber nach, ob die jüdische Community nicht von anderen migrantischen Netzwerken in Deutschland etwas lernen könne.
Oft sei es doch so – und da stimmte Jael Botsch-Fitterling zu –, dass es in Deutschland immer noch eines großen Mutes bedürfe, zu sagen, dass man der Minderheit der Juden angehört. Bessere Vernetzung, so Belkins Überlegung, könne helfen, das Jüdischsein selbstverständlicher zu machen – »damit wir nicht immer wieder die Sache mit Gabriel und Steinmeier erklären müssen«.