»Tel Aviv ya chabibi Tel Aviv« – auch Omer Adam darf heute Abend natürlich nicht fehlen. Unüberhörbar dröhnt der wohl bekannteste Hit des israelischen Popsängers in das Foyer des Alten Magazins. Zahlreiche Gäste treffen dort letzte Vorbereitungen für das Public Viewing des ESC-Finales aus Tel Aviv. Ob geschminkt im Gesicht oder als Fähnchen in das Outfit integriert – das Theater in der Hannoveraner Südstadt wird von Israelflaggen beherrscht.
Aus einer »Schnapsidee« heraus sei der Plan entstanden, in Hannover eine ESC-Party zu veranstalten, erzählt Marc Simon von der Ülkümen-Sarfati-Gesellschaft. Zusam men mit einigen Freunden hatte er die Organisation vor mehr als 15 Jahren gegründet, um den muslimisch-jüdischen Dialog zu stärken. Nun bietet der ESC eine willkommene Abwechslung zu den üblichen Vortragsveranstaltungen zu historischen und politischen Themen.
farbenfroh »Mit 300 Gästen ist das unsere erste große Party«, sagt Simon begeistert, während er Neuankömmlingen an der Tür zuwinkt. Wer den Wettbewerb gewinnt, sei ihm persönlich eigentlich nicht so wichtig. Hauptsache, eine schöne bunte Feier, hier in Hannover, wo die säkular orientierte Organisation ihren Arbeitsschwerpunkt hat. Sichtlich genießt es der 32-jährige Bankangestellte, ein besonderes Event mit auf die Beine zu stellen und viele bekannte Gesichter auch persönlich begrüßen zu können.
Die Politiker halten sich mit parteipolitischen Statements zurück.
Anders als die vielen angekündigten Politiker-Grußworte es vermuten lassen könnten, ist die Stimmung im Alten Magazin ganz ungezwungen. Verschiedene Parteigliederungen der Grünen sind Mitveranstalter, deren Redner betonen die sexuelle und kulturelle Vielfalt in Israel und ihren Kampf gegen Antisemitismus und Israelfeindschaft. Mit parteipolitischen Äußerungen halten sie sich an diesem Abend zurück. »Genug geredet, die Party kann jetzt losgehen«, schließt die stellvertretende Bürgermeisterin Regine Kramarek ihren kurzen Redebeitrag.
Das Besondere eines ESC aus Israel hebt Mitveranstalter Kay Schweigmann-Greve von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Hannover hervor. »Das Lebensgefühl in Tel Aviv ist einzigartig – nicht nur, weil die Stadt die Schwulen-Metropole in einer von Homophobie geprägten Region ist«, sagt Schweigmann-Greve. Nein, überhaupt herrsche in Tel Aviv eine besondere Partykultur. Eine Stimmung, die er mit seinen Mitstreitern heute Abend nach Hannover bringen will.
goldstar-Bier Auch kulinarisch gibt es dafür beste Voraussetzungen: Neben gegrillten Merguez, frischen Salaten und Hummus haben die Organisatoren israelisches Goldstar-Bier im Angebot. »Auf BDS ist eine friedliche, lebensfrohe Feier doch die beste Antwort«, sagt Schweigmann-Greve. Das »Tagesschau«-Interview mit einem Hamas-Funktionär und Jürgen Trittins ärgerliche Äußerungen zur BDS-Resolution des Bundestages will Schweigmann-Greve für heute Abend ausblenden. Dass die Deutsch-Israelische-Gesellschaft Partys mitveranstaltet, sei etwas Besonderes.
Viele kommen an diesem Abend aus politischer Solidarität mit Israel.
Vielen Gästen scheinen die musikalischen Darbietungen gar nicht so wichtig zu sein. Manche kommen schlicht aus politischer Solidarität mit Israel und um ein Zeichen zu setzen gegen Antisemitismus. Andere wiederum sind wegen des orientalisch-mediterranen Essens und der positiven Stimmung hier. Immer wieder lassen sich Gesprächsfetzen aufschnappen, sie kreisen um die besten Billigflüge nach Tel Aviv oder um die jüngsten Reiseerlebnisse im Negev oder auf dem Golan. Hebräische Schriftzüge zieren zahlreiche Jutebeutel. »I love Tel Aviv« – oder Israel-Defense-Forces-T-Shirts sind keine Seltenheit.
Vielfalt Ida ist zehn Jahre alt und wurde von ihrer älteren Schwester zur Party mitgenommen. Die Fünftklässlerin lehnt an einer Säule im Theatersaal, als Kobi Marimis Beitrag läuft. Sie selbst war noch nie in Israel, aber ihre Eltern haben ihr schon einiges von dem Land und dessen Geschichte erzählt. »Israel ist das Land der Vielfalt«, sagt sie. »Dorthin sind ganz viele Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen eingewandert.« Das mag Ida – und sie ist hier, obwohl sie den Punkrock für sich entdeckt hat und mit Marimis Ballade musikalisch eigentlich gar nicht so viel anfangen kann.
Doch am Ende von »Home« stimmt auch Ida in den Applaus ein – den lautesten für heute Abend, der sich vermischt mit »Am Israel Chai«-Sprechchören. Dass Marimi am Ende nur auf Platz 23 landet, scheint in Hannover niemanden zu stören. Wichtiger war den Veranstaltern, ein deutliches Zeichen zu setzen: für Israel, Diversität und für Lebensfreude. Die nächsten Flüge nach Tel Aviv sind deshalb bestimmt schon gebucht.