Seit über 30 Jahren findet es jeden Montag um 17 Uhr in Dresden statt: das Friedensgebet. Texte und Ansprachen sollen Orientierung geben für ein Miteinander in der Stadt. Am vergangenen Montag aber stand die Veranstaltung noch ganz unter dem Eindruck der Eröffnung der »Christlich-Jüdischen Zusammenarbeit 2025 – 5785/5786« etwas weiter nördlich an der Elbe in Hamburg.
Die ehemalige »Woche der Brüderlichkeit« des Deutschen Koordinierungsrats der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR) trägt in diesem Jahr den Titel »Füreinander streiten« und will dazu einladen, das Thema in vielfältigen Veranstaltungen und Konzerten zu vertiefen. Eine Veranstaltung ist das Friedensgebet in der Dresdner Kreuzkirche.
In vielen regionalen Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) wird es zudem in den kommenden Monaten Veranstaltungen geben, die sich mit dem christlich-jüdischen Dialog auseinandersetzen. Wie zum Beispiel am 30. März, bei einer Exkursion in die Düsseldorfer Synagoge sowie zur Chagall-Retrospektive in das K20 der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. In Freiburg wiederum findet im Juni und im Juli eine Seminarreihe »Gemeinschaft bei Martin Buber – Dialogphilosophie entdecken« mit Wilhelm Schwendemann in der Matthias-Claudius-Kapelle statt – Abwechslung ist also garantiert.
Eröffnungsfeier für die Reihen, Besichtigungen und Seminare
Die Eröffnungsfeier für die Reihen, Besichtigungen und Seminare fand am vergangenen Sonntag im Festsaal des Hamburger Rathauses statt, und damit auch genau dort, wo sich 1952 erstmals Hamburger Juden und Christen zusammengefunden und die »Woche der Brüderlichkeit« gegründet hatten. Sieben Jahre nach dem Ende der Schoa wollten Christen und Juden einander wieder begegnen, miteinander sprechen.
Mendel und Cheema wurden für ihr Wirken im interreligiösen Dialog geehrt.
Vor allem auch über Deutschlands schwere Schuld, über den industriellen Mord an sechs Millionen Jüdinnen und Juden und darüber, dass sich so etwas nie wiederholen dürfe. Peter Tschentscher (SPD), Erster Bürgermeister von Hamburg und damit Hausherr sowie Gastgeber der Eröffnungsfeier, die die NDR-Journalistin Julia Westlake moderierte, verwies auf die Anfänge der Christlich-Jüdischen Gesellschaften und auf das wohl wichtigste jüdische Projekt in der Hansestadt: »Um das über Jahrhunderte gewachsene Leben der Jüdischen Gemeinde in Hamburg zu achten und zu pflegen, unterstützen Senat und Bürgerschaft der Hansestadt den Wiederaufbau der 1938 zerstörten Bornplatzsynagoge; wir wollen jüdisches Leben in Hamburg sichtbarer machen.«
Jahres-Thema »Füreinander streiten«
Mittelpunkt des Festaktes war die Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille 2025 und die Auszeichnung weiterer Aktiver, die sich in die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit eingebracht haben. Die in diesem Frühjahr mit der Buber-Rosenzweig-Medaille Ausgezeichneten sind die Politologin, Pädagogin und Publizistin Saba-Nur Cheema sowie ihr Ehemann, der Historiker und Publizist Meron Mendel. Nach Einschätzung des DKR stehe das Paar sinnbildlich für die produktive Seite des kontroversen Debattierens und sei somit ein gutes Beispiel für das Jahres-Thema »Füreinander streiten«.
Die Bekanntgabe der Verleihung der Medaille an Meron Mendel und Saba-Nur Cheema blieb in der jüdischen Gemeinschaft nicht ohne Widerspruch. Scharfe innerjüdische Kritik kam vergangenes Jahr vom Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, in einem internen Brief, der über einige Medien bekannt wurde. Das Schreiben war an die Mitglieder des Präsidiums des Koordinierungsrates und an dessen Generalsekretär Jan-Ulrich Spies gerichtet.
Der Zentralrat der Juden wirft Mendel mangelnde Expertise und untragbare Positionen vor.
Schuster warf Mendel darin »umstrittene und zum Teil untragbare Positionierungen« vor. Und: Als Historiker und Co-Leiter der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt bekomme Mendel in der Öffentlichkeit viel Aufmerksamkeit und nehme eine »Sprecherposition ein, die als eine vermeintlich repräsentative jüdische Position weitertradiert wird«. Mendel äußere »jedoch nicht selten Ansichten zu Themen, zu denen ihm einerseits einschlägige Expertise fehlt und die weit über seinen Verantwortungsbereich in der Bildungsstätte hinausgehen«.
Diese Ansichten seien in der jüdischen Gemeinschaft »nicht mehrheitsfähig«. Mendels Meinung verschaffe Einblick in eine »linke, israelische (und israelkritische) Minderheiten-Positionierung, die im Diskurs leider zu oft als allgemeingültige jüdische Meinung missverstanden« werde, kritisierte Schuster, der dem Kuratorium des Koordinierungsrats angehört.
»Der wichtigste Meilenstein gegen Antisemitismus«
Andreas Nachama, jüdischer Präsident des Koordinierungsrats, eröffnete das neue Jahr der Christlich-Jüdischen Zusammenarbeit, wobei er eingangs Peter Tschentscher zum Sieg seiner Partei bei den Hamburger Bürgerschaftswahlen gratulierte und betonte: »Das Funktionieren der Demokratie ist der wichtigste Meilenstein gegen Antisemitismus.«
Nachama verwies gleichfalls auf die Gründung der Christlich-Jüdischen Gesellschaften als eine besondere Pionierleistung: »Nur sieben Jahre nach der Schoa blieb die christlich-jüdische Zusammenarbeit keine Utopie. Aber auch heute ist das alles leider immer noch keine Selbstverständlichkeit.« Antisemiten seien auch stets Antidemokraten. Wie seine Vorredner sprach auch Nachama das Massaker der Terroristen am 7. Oktober 2023 in Israel an: »Leider gibt es noch immer Geiseln in der Hand der Terroristen.«