Mitzvah Day

Gutes tun tut gut – und schmeckt

Igor ist verletzt. Der 43-Jährige trägt eine Schiene am Knie und kann nur ein wenig mit dem Kopf zur Musik wippen. Klezmer aber gefällt ihm. Er sei selbst jüdisch, sagt er, komme eigentlich aus St. Petersburg und sei durch viele Wendungen und Brüche in seinem Leben heute in Berlin.

Igor lebt auf der Straße. Er ist einer von vielen Hundert Gästen, die regelmäßig in die Suppenküche des Franziskanerklosters Pankow kommen, um wenigstens eine warme Mahlzeit zu erhalten.

Solidarität Das Team um Rosi und Peetz, das an sechs von sieben Tagen die Suppe kocht, bekam am Sonntag tatkräftige Unterstützung von Mitarbeitern des Zentralrats der Juden – denn es war Mitzvah Day. Der Tag der guten Taten, der in diesem Jahr unter dem Motto »Gutes tut tut gut« stand, wird seit fünf Jahren vom Zentralrat koordiniert. In über 47 Städten, jüdischen Gemeinden und Organisationen werden an diesem Tag mehr als 130 soziale und ökologische Projekte verwirklicht.

Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, dankte allen, die am Sonntag geholfen haben:»Mitmenschlichkeit und Solidarität statt Ausgrenzung und Abwertung. All die Menschen in unserem Land, egal welcher Religion, die sich ehrenamtlich für andere einsetzen, verdienen mehr Wertschätzung, auch durch die Politik.«

Auch Zentralratsgeschäftsführer Daniel Botmann dankte den vielen Freiwilligen in Pankow: »Mit ihrer Suppenküche helfen die Franziskaner unbürokratisch und sehr wirkungsvoll wirklich bedürftigen Menschen. Das Gebot, Menschen in Not zu helfen, haben Juden und Christen gemein. Mit unserer interreligiösen Aktion am Mitzvah Day möchten wir auch anderen Mut machen, sich sozial zu engagieren.«

verantwortung Viele Menschen, die in die Suppenküche der Franziskaner gekommen sind, befänden sich in einer Notsituation. Oftmals auch unverschuldet. Deswegen, betont Botmann, »müssen wir als Gesamtgesellschaft darauf reagieren und schauen, wie wir das Leben für diese Menschen erträglicher machen können. Wir alle haben die Verantwortung und die Möglichkeit, unseren Beitrag dazu zu leisten.«

Und der war nicht nur im Suppentopf zu sehen, sondern auch auf kleinen Pappschälchen: Denn es gab Hummus, Tahina, Falafel, Pita und Salzgurken – ein kleiner Snack, der den Gästen schmeckte und viele Fragen aufkommen ließ: Woher Hummus komme und was genau denn Techina sei? Alles wurde genauestens erklärt.

»Heute ist ein besonderer Tag«, findet Bruder Andreas Brands, der für die Öffentlichkeitsarbeit bei den Franziskanern zuständig ist und auch den Gottesdienst am Sonntagmittag geleitet hat. »Denn heute ist der ›Welttag der Armen‹, ein Tag, den Papst Franziskus ausgerufen hat als Zeichen der Barmherzigkeit, dass wir Menschen uns derer annehmen, die nicht solche guten Lebensmöglichkeiten haben.«

Menschlichkeit Dass genau dieser Sonntag mit dem Mitzvah Day und dem sogenannten Fest der Heiligen Elisabeth, der Patronin der Suppenküche, zusammenfällt, ist für Bruder Andreas ein gutes Zeichen. »Es ist ein Erweis dessen, dass alle Mühen und Anstrengungen der Religionen auf die gleichen Ziele gehen: Wenn wir nicht eine Aufgabe haben, was dann?« Religion sei doch immer ein »Erweis der Menschlichkeit«.

Und diese Menschlichkeit nehmen 200 bis 400 Gäste wahr. Im Laufe des Monats, erzählt Bruder Brands, steigt die Zahl der Menschen, die kämen, immer an. 80 Prozent von ihnen seien Männer. »Frauen versuchen immer noch – so prekär die Lage auch sein mag –, für sich zu sorgen.« Die Scham sei zu groß.

Von der Politik wünsche sich Bruder Andreas, den Menschen, die in einer schwierigen Situation sind, eine Perspektive zu geben. Obdachlosigkeit müsse mit mehr Wohnungen angegangen werden, und im medizinischen Bereich müsse mehr passieren – die Betreuung sei immens wichtig: »Der Staat muss im Bereich der Lebensbetreuung einiges investieren.«

Die Suppenküche wird weiterhin viel zu tun haben – schon am Dienstagmorgen wird das Team um Rosi, Peetz und viele andere, die seit über 25 Jahren das Herz der Küche sind und schon über drei Millionen Essen ausgegeben haben, neue Suppe ansetzen. Welche genau sie kochen werden, das kommt auf die Lebensmittel an, die vorrätig sind. Eine Zutat wird auf jeden Fall drin sein: Liebe.

Chanukka-Umfrage

»Wir brauchen das Licht«

Was für Lieblingssymbole haben Gemeindemitglieder? Und wie verbringen Familien das Fest, wenn ein Partner Weihnachten feiern möchte? Wir haben nachgefragt

von Brigitte Jähnigen, Christine Schmitt  25.12.2024

Berlin

Wenn Hass real wird

Die Denkfabrik Schalom Aleikum beschäftigt sich mit dem gesellschaftlichen Einfluss sozialer Medien

von Alicia Rust  23.12.2024

Interview

»Wir sind neugierig aufeinander«

Amnon Seelig über die erste Konferenz des Kantorenverbandes, Lampenfieber und das Projekt Call a Kantor

von Christine Schmitt  22.12.2024

Porträt der Woche

Ein Signal senden

David Cohen ist Geschäftsführer eines Unternehmens und setzt sich gegen Judenhass ein

von Matthias Messmer  22.12.2024

Soziale Medien

In 280 Zeichen

Warum sind Rabbinerinnen und Rabbiner auf X, Instagram oder Facebook – und warum nicht? Wir haben einige gefragt

von Katrin Richter  20.12.2024

Hessen

Darmstadt: Jüdische Gemeinde stellt Strafanzeige gegen evangelische Gemeinde

Empörung wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024 Aktualisiert

Debatte

Darmstadt: Jetzt meldet sich der Pfarrer der Michaelsgemeinde zu Wort - und spricht Klartext

Evangelische Gemeinde erwägt Anzeige wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024

Hessen

Nach Judenhass-Eklat auf »Anti-Kolonialen Friedens-Weihnachtsmarkt«: Landeskirche untersagt Pfarrer Amtsausübung

Nach dem Eklat um israelfeindliche Symbole auf einem Weihnachtsmarkt einer evangelischen Kirchengemeinde in Darmstadt greift die Landeskirche nun auch zu dienstrechtlichen Maßnahmen

 19.12.2024

Ehrung

Verdiente Würdigung

Auf der Veranstaltung »Drei Tage für uns« wurde der Rechtsanwalt Christoph Rückel ausgezeichnet

von Luis Gruhler  19.12.2024