Der 15. Geburtstag des Jüdischen Zentrums und das Ende des Festjahres »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« wurden am vergangenen Sonntag auf dem Münchner Jakobsplatz groß gefeiert. Beide Anlässe waren eingebettet in das traditionelle Nachbarschaftsfest, an dem sich die Anlieger beteiligen und zu dem ebenso traditionell alle Münchner eingeladen sind. Dass diese die Einladung gerne annehmen, bestätigte sich an diesem Tag erneut: Die Polizei sprach von 1500 Besuchern, die das bunte Treiben am Platz verfolgten.
Noch bevor das Programm startete, begrüßte Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Wegbegleiter, Unterstützer und Freunde bei einem Empfang. Mit dabei waren Vertreter aus Politik und Wirtschaft und des Konsularischen Korps, von Kultur und Kirchen, dazu Mitglieder des Gemeindevorstandes und viele, die am Entstehen und am Bau des Jüdischen Zentrums mitgewirkt haben.
Die Gemeinde beging das Ende des Festjahres und feierte 15 Jahre Jüdisches Zentrum.
Einer durfte dabei nicht fehlen: Alt-Oberbürgermeister Christian Ude, der in Begleitung seiner Frau Edith von Welser-Ude gekommen war. Seine Unterstützung in den 2000er-Jahren war entscheidend, wie Charlotte Knobloch betonte: »Wenn das Jüdische Zentrum Geburtstag feiert, dann ist Christian Ude ein besonderer Ehrengast. Ohne ihn würde keines dieser Gebäude heute stehen.«
Anwesend war auch Harald Strötgen, seinerzeit Vorstandsvorsitzender der Stadtsparkasse München. Als Vorsitzender des Kuratoriums zur Förderung des Gemeindezentrums hatte er sich intensiv für die Einwerbung von Geldern für das Jüdische Zentrum engagiert und so entscheidend zur Umsetzung des Bauvorhabens beigetragen.
Während sich die Ehrengäste noch lebhaft unterhielten, füllte sich der Jakobsplatz langsam mit Leben. Entgegen aller Unsicherheit in den Wettervorhersagen präsentierte sich der Sonntag als Bilderbuch-Sommertag. »Das ist wunderbar«, freute sich Ellen Presser, die mit ihrem Team das Fest vorbereitet hatte. Ihr und ihren Mitstreitern sowie allen Mitarbeitern der Kultusgemeinde und den engagierten Anrainern dankte die IKG-Präsidentin später mehrfach ausdrücklich.
programm Um 14 Uhr startete dann das Festprogramm, moderiert von Steven Guttmann, dem Geschäftsführer der Israelitischen Kultusgemeinde, mit dem Robert-Probst-Quartett. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) betonte, er hoffe, dass das Fest- und Gedenkjahr »dauerhaft dafür sensibilisiert, was Juden und Nichtjuden bei uns an gemeinsamer Tradition, an einzigartigem Kulturerbe und vor allem auch an positiver Beziehungsgeschichte verbindet.
Und welcher Ort könnte für so ein Sommerfest besser geeignet sein als der St.-Jakobs-Platz, der von den Münchnerinnen und Münchnern und den Gästen aus aller Welt nicht zuletzt auch wegen seiner hohen Aufenthaltsqualität sehr geschätzt wird«. Mit dem Jüdischen Zentrum, das in diesem Jahr seinen Geburtstag feiere, sei nicht nur ein kulturelles und städtebauliches Zentrum entstanden, sondern auch ein religiöses.
Nach der musikalischen Einlage des Holzbläserinnen-Ensembles des Theresia-Gerhardinger-Gymnasiums am Anger unterstrich der Bayerische Staatsminister für Unterricht und Kultus, Michael Piazolo (Freie Wähler), noch einmal die bedeutende Stellung jüdischer Themen an bayerischen Schulen. Zu seinen Aufgaben erklärte er: »Es ist uns ein Herzensanliegen, Antisemitismus entschieden entgegenzutreten. Deshalb haben wir das neue Gesamtkonzept ›Jüdisches Leben und Bekämpfung des Antisemitismus‹ ins Leben gerufen – in diesem spielt die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern als größte Kultusgemeinde Bayerns eine sehr wichtige Rolle.«
miteinander IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch betonte in ihrer Rede: »Der heutige Tag macht sich nicht allein an Zahlen fest. Was wir heute feiern, sind nicht nur Geburtstage, die kommen und gehen – sondern es ist eine dauerhafte gute Nachbarschaft. Es ist das Miteinander mit unseren Freunden am und um den Jakobsplatz, und dieses Miteinander begleitet uns jeden Tag in jedem Jahr.« Antrieb und Grund zum Feiern sei die gute Nachbarschaft – die Grundlage »einer Normalität, wie wir alle sie uns wünschen und die wir hoffentlich eines Tages noch gemeinsam erleben können«.
Die Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, Ulrike Scharf, verwies darauf, dass »jüdisches Leben in Deutschland« lange Zeit vor allem »eine Geschichte von Ausgrenzung, Demütigung und Entmenschlichung« war. »Umso kostbarer ist es, dass wir heute wieder ein lebendiges Judentum in unserem Land haben. Diese Entwicklung müssen wir stärken, wo immer es geht. Wir müssen sie schützen. Und wir müssen laut und fröhlich unsere Dankbarkeit dafür kundtun.«
Das Sommerfest am Jakobsplatz sei dazu die ideale Gelegenheit, betonte Scharf – »weil nichts über die persönliche Begegnung in Frieden, Freundschaft und wechselseitigem Respekt geht. Ich rufe jede und jeden in unserer Gesellschaft auf: Setzen wir uns gemeinsam dafür ein, dass das Judentum in Bayern weiter in Sicherheit wachsen kann«.
renaissance Robert Brannekämper, Vorsitzender des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst im Bayerischen Landtag, beendete schließlich den Reigen der Redner und gratulierte der Kultusgemeinde zur sichtbaren Renaissance des jüdischen Lebens in München.
Zwischen den einzelnen Rednern und über den ganzen Nachmittag verteilt, traten verschiedene Musik- und Showgruppen auf, darunter so hochkarätige Gäste wie Vivian Kanner und Maxim Shagaev mit ihrem Titel »Lebenslieder«. Mit dabei waren außerdem die Band der Armen Schulschwestern, der Synagogenchor »Schma Kaulenu«, das Sängerquintett »Mafteach Soul« aus Israel, die Musical-AG des Theresia-Gerhardinger-Gymnasiums am Anger sowie ein Showact des Jugendzentrums Neschama.
Die Musik blieb jedoch nicht das einzige Highlight des Tages. Alle Anrainer des Platzes boten den Besuchern ein buntes Programm, das vom Kinderschminken bis zur Bildgestaltung mit bunten Knöpfen reichte. Wer mochte, konnte sich auf Bücherbasaren gegen eine kleine Spende seinen Wunschtitel aussuchen. Essen und Trinken gab es an unterschiedlichen Stellen reichlich – selbstverständlich auch koscher aus dem Gemeinderestaurant »Einstein«.
Am Nachmittag gab es die Möglichkeit, die Ohel-Jakob-Synagoge zu besuchen.
Tische und Bänke luden an einem warmen Sommernachmittag zum Ausruhen und Verweilen ein. Treffen mit lange nicht mehr gesehenen Bekannten und Freunden erfreuten viele Besucher. Einen besonderen Glanzpunkt bot zudem die Möglichkeit, die Synagoge Ohel Jakob zu besichtigen. Ellen Presser bot am Nachmittag eine Führung für mehr als 300 Interessierte an.
Für Charlotte Knobloch war der gesamte Tag ein besonderer Erfolg: »Ich habe mich sehr über die großartige Resonanz unter den Münchnerinnen und Münchnern gefreut.« Das Sommerfest sah sie als positives Sinnbild des gewachsenen »Miteinanders mit unseren Freunden am und um den Jakobsplatz«, der nach Fertigstellung des Jüdischen Zentrums im Jahr 2007 »das schlagende Herz eines ganz neuen Teils der Münchner Altstadt« geworden sei.