Sport

Gut für Körper und Geist

Die 14. European Maccabi Games (EMG) sind Geschichte. Athleten, Familienangehörige und sportliche Betreuer sind nach Hause gefahren. Im Gepäck Medaillen oder einfach nur das glückliche Gefühl, dabei und Teil der großen Makkabi-Familie gewesen zu sein. Das bestätigen auch die Rabbiner einhellig: Sport ist wichtig für Seele, Geist und Körper. Die Tora erlaubt, Sport zu treiben, ja empfiehlt ihn sogar.

Auch, dass die EMG in Berlin stattfanden, begrüßen die Rabbiner. »Es ist eine gesegnete Initiative. Die Stärke des jüdischen Volkes soll sich auf der ganzen Ebene ausdrücken«, meint Mordechai Bohrer, orthodoxer Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Aachen. Er selbst macht seit mehr als 30 Jahren Karate, und zwar in der Stilrichtung Shotokan. Doch um trainieren zu können, muss er immer lange Fahrzeiten mit dem Auto in Kauf nehmen, von Aachen entweder nach Antwerpen oder nach Düsseldorf.

»Das Judentum verpflichtet, sich gesund zu halten«, sagt auch Benjamin Soussan, Rabbiner in Magdeburg. Sport könne somit eine gute Medizin sein. Mittlerweile schaut er sich Sport jedoch lieber an, als selbst aktiv zu sein. Er sei etwas faul geworden, sagt der 75-Jährige selbstkritisch.

Als Schüler boxte er und stieg auch bei einigen Kämpfen in den Ring – bis seine Mutter einmal mitbekam, wie er zu Boden ging. »Da hat sie es mir verboten, weshalb mir meine Nase erhalten blieb«, sagt der im marokkanischen Fez Geborene schmunzelnd. Ebenso war er damals vom Judo fasziniert, vor allem, weil auch kleinere Menschen in der Lage sind, größere durch die Luft zu wirbeln. Also begann er, die Würfe zu trainieren. »Aber ich kam nicht weit, meine Enkelsöhne hingegen machen mittlerweile begeistert Taekwondo und haben auch einige Gürtel erreicht.«

Basketball »Ich träume gerade davon, mir einen Basketball zu kaufen«, sagt Jakov Pertsovsky, Rabbiner in Chemnitz. Sport sei auch dazu da, Spaß zu haben, meint der 28-Jährige. In seinen Augen ist es eine »coole« Sache. Die EMG habe er nicht wirklich verfolgen können, bedauert er. »Ich hatte zu viel zu tun.« Pertsovsky wurde in Kiew geboren, kam aber als Elfjähriger nach München. Als er noch in Bayern lebte und mehr Zeit hatte, spielte er mehrere Jahre lang Tischtennis bei Makkabi. Außerdem trainierte er auch Basketball. In den Pausen seines Religionsunterrichts, den er für Erwachsene gibt, misst er sich gerne mit seinen Schülern an der Platte.

Auch Rabbiner Shmuel Segal aus Berlin hat früher Basketball gespielt. »Das war noch in Israel«, erzählt er. Er war bei den EMG in einem ganz besonderen Einsatz und leitete im Wechsel mit Rabbiner Yehuda Teichtal Gottesdienste. »Ich fahre zweimal in der Woche Fahrrad oder laufe mit meiner Tochter«, erzählt Segal. Früher spielte er Baseball in einem Verein in seiner Heimat in den USA. »Man sollte sich auch heute noch viel mehr Zeit für den Sport nehmen«, empfiehlt er.

»Der rabbinische Beruf lässt einem nicht so viel Gelegenheiten, noch sportlich aktiv zu sein«, meint Rabbinerin Alina Treiger, die in Oldenburg und Delmenhorst amtiert. Sie wünsche sich zwar, mehr zu tun, doch in der Realität klappe es nicht, regelmäßig ins Sportstudio zu gehen. »Ich bin viel mit meiner Gemeinde beschäftigt«, sagt die 36-Jährige. Als Studentin sei sie häufig ins Fitnessstudio gegangen. Die Bewegung und körperliche Anstrengung habe ihr immer gutgetan. »Je mehr man sich bewegt, desto mehr Glückshormone entstehen.«

Turnen Ihr dreijähriger Sohn geht nun regelmäßig zum Kinderturnen, was ihn sehr glücklich mache, da er ein aktiver Junge sei. Auch in ihrer Gemeinde achten sie und die Mitarbeiter darauf, dass die Kinder nicht nur herumsitzen, sondern sich bewegen. Um das zu unterstützen, bieten sie israelische Tänze und Bewegungsspiele an.

Rabbiner Shlomo Bistritzky aus Hamburg schafft es nicht, regelmäßig sportlich aktiv zu sein. Aber immerhin gehe er häufiger mit seiner Frau an der Außenalster spazieren, und das seien stolze acht Kilometer, betont der 38-Jährige. Als Teenager hat er in Israel in der höheren Toraschule von Kfar Chabad gerne Basketball gespielt. In einigen Jeschiwot wurden keine sportlichen Aktivitäten angeboten, doch sein Vater, der Oberrabbiner Levi Bistritzky, bestärkte ihn darin, nach dem Unterricht zusammen mit den anderen Jungen Basketball zu spielen.

Zwei Kilometer beträgt die Entfernung von seiner Wohnung zur Synagoge, erzählt Alexander Nachama. Die gehe er jeden Tag zu Fuß. »Es ist schwierig, Zeit für Sport zu finden«, sagt der 32-Jährige. Als Jugendlicher hat er mit seinem Vater, Rabbiner Andreas Nachama, regelmäßig Tennis gespielt. Das sei eine schöne Abwechslung vom Alltag gewesen. Doch wenn er nun wieder den Schläger rausholen würde, dann wäre er nicht mehr so gut wie damals. »Das ist dann eher niederschmetternd.« Da er in Frankfurt geboren wurde, hält er dem Fußballverein Eintracht Frankfurt die Treue.

Auch Zeev-Wolf Rubins aus Baden-Baden ist ein großer Fußballfan und sogar Mitglied im Deutschen Fußball-Bund (DFB). »Als Mitglied bekomme ich die Eintrittskarten zu den Spielen um die Hälfte günstiger.« Aber der 43-Jährige, Mitglied der ORD, geht nur ins Stadion, wenn die Partien nicht am Schabbat ausgetragen werden. »Ich schaue gerne zu.« Schon als Kind hat er sich für diesen Sport begeistert.

Vorurteile Von Nichtjuden höre er häufig das Vorurteil, jüdische Kinder würden nur Schach und Geige spielen, sagt Rubins. Deshalb seien die EMG auch so wichtig gewesen. Schon allein, um zu demonstrieren, »dass wir normale Menschen sind«. In seiner Heimat in der Ukraine hat er als Kind in einem Verein gekickt. »Es gab dort viele Stars – aber ich war keiner.«

Leider könne er keinen Sport mehr treiben, sagt Israel Meir Levinger, Gemeinderabbiner in München. Dafür sei er mit seinen 82 Jahren inzwischen zu alt. Aber er geht viel spazieren und macht noch täglich seine Turnübungen. Früher habe er als Tierarzt in einem Kibbuz gelebt und die Kühe gemolken. Das sei harte körperliche Arbeit gewesen. Zu den EMG nach Berlin konnte er nicht fahren. »Ich habe als Rabbiner zu viel zu tun – Gott sei Dank.«

Einer der sportbegeistertsten Rabbiner dürfte Jehoschua Ahrens aus Düsseldorf sein. Als Schüler war er in Leichtathletik einer der Besten seiner Klassenstufe. Im 100-Meter-Sprint war er nicht zu schlagen, und auch im Hochsprung war er ein starker Konkurrent um die ersten Plätze.

Hobbyliga Aber noch mehr bedeutet dem 36-Jährigen Fußball. Bereits als Kind fing er an, spielte als Student und auch in Zürich, wo er bis vor Kurzem als Assistenzrabbiner der Israelitischen Cultusgemeinde amtierte. Dort mischte er in der jüdischen Hobbyliga mit und schoss auch für den FC Religion Tore. Dieser Klub läuft allerdings nur projektbezogen bei Toleranzveranstaltungen auf. Neben Rabbinern gehören Priester, Imame und Pfarrer dem Team an. »Meistens spielten wir gegen die Mannschaft des Stadtrats oder gegen eine Auswahlmannschaft der Fifa«, erzählt der Rabbiner.

Da er in der Nähe von Frankfurt geboren wurde, hielt er bislang aus Lokalpatriotismus der Eintracht die Treue. Nach seinem Umzug an den Rhein sympathisiert er auch mit Fortuna Düsseldorf. »Da sie in der zweiten Bundesliga spielt, sind die Begegnungen meistens sonntags, was mir sehr entgegenkommt.« Fußball ist sehr jüdisch, meint Ahrens, denn es ist ein Mannschaftssport, und unter den Zuschauern im Stadion entstehe schnell ein Gemeinschaftsgefühl.

»Ich spiele auch Badminton und Squash, aber ich mag Teamsportarten viel lieber.« Allein zu joggen, ist nicht nach seinem Geschmack. Die EMG hat er intensiv verfolgt, und er hofft, bei der nächsten selbst antreten zu können. Dann natürlich im Fußball.

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