Die Hamburger Bornplatzsynagoge kann wiederaufgebaut werden. In ihrer ehemaligen Größe und auf ihrem früheren Platz, im ehemals jüdischen Grindelviertel. Das hat die Machbarkeitsstudie, die der rot-grüne Senat und die Jüdische Gemeinde Hamburg in der vergangenen Woche im Hamburger Rathaus vorstellten, ergeben. Norddeutschlands einst größtes jüdisches Gotteshaus wird zwar nicht originalgetreu wiederaufgebaut, soll aber in der äußeren Gestaltung an die alte Bornplatzsynagoge erinnern und dergestalt mahnen.
Sie war in der Pogromnacht von NS-Vandalen geschändet worden. 1939 befahl das NS-Regime der damaligen Jüdischen Gemeinde, ihr 1906 geweihtes Gotteshaus abzureißen – auf eigene Kosten.
gesamt-ensemble Nun also der Wiederaufbau. Im Gesamt-Ensemble sind sogar zwei Synagogen geplant, eine für die orthodox-traditionelle Gemeinde, die zweite für die liberale Reformsynagoge, die zur Einheitsgemeinde gehört. In Hamburg gibt es noch eine Liberale Jüdische Gemeinde als eingetragener Verein, der eigenständig agiert und vom Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge nicht tangiert wird.
Der Wiederaufbau hat eine große Unterstützung gefunden.
Erste Ansichten, die das von der Jüdischen Gemeinde mit dem Erstellen der Machbarkeitsstudie beauftragte Frankfurter Architektenbüro Wandel Lorch Götze Wach präsentiert, zeigen verschiedene Varianten: einmal ein Gotteshaus im Stil der Wilhelminischen Zeit wie die alte Synagoge oder auch kombiniert mit einer heutigen, schlicht-eleganten Fassade.
zukunft »Das Sensationelle ist nicht nur, dass es machbar ist, sondern dass ganz Hamburg es gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde will«, freute sich Philipp Stricharz, seit 2019 erster Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde. Bislang sei der Joseph-Carlebach-Platz, der ehemalige Bornplatz, ein stiller Ort ohne Kinder und Jugendliche gewesen, doch nun konnte die Gemeinde bereits ihren zweiten Abiturjahrgang feiern, die Kita ist bestens besucht. »Das ist unsere Zukunft, und dafür brauchen wir Raum, dafür hat sich schon Joseph Carlebach eingesetzt, Hamburgs letzter Oberrabbiner«, verwies Stricharz auf die lange Tradition der Jüdischen Gemeinde.
»Eine Synagoge kann in Deutschland nicht ohne die Schoa gedacht werden«, erläutert Wolfgang Lorch vom Frankfurter Architekturbüro. »Der Wiederaufbau hat eine sehr große Unterstützung in der Stadtgesellschaft gefunden, damit hier wieder ein sichtbarer Ort jüdischen Lebens entsteht«, sagte Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). »Es ist uns eine historische Schuld und Verantwortung, nach 83 Jahren auf dem Platz endlich wieder eine Synagoge zu bauen. Das jüdische Gotteshaus war und soll wieder ein Wahrzeichen unserer Stadt sein«, ergänzte Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD), Mitglied im Stiftungsrat für den Wiederaufbau.
»Es ist ein komplexes und sehr kompliziertes Vorhaben, aber alle tragen es mit«, sagte die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank. Die Grünen-Politikerin verwies damit darauf, dass der denkmalgeschützte Nazi-Hochbunker, der seit 1940 auf dem Platz der ehemaligen Synagoge steht, abgerissen werden muss. Das Denkmalschutzamt habe bereits seine Zustimmung signalisiert. »Nicht Nazi-Barbarei, sondern jüdisches Leben soll wieder sichtbar werden«, so Fegebank. »Der Nazi-Hochbunker läge wie ein Betonklotz vor dem Eingang der neuen Synagoge, und das wäre das völlig falsche Signal«, sagte Lorch.
bodenrelief Das Bodenrelief, mit dem die Künstlerin Margrit Kahl 1988 die Umrisse der alten Synagoge nachbildete, soll in den Neubau integriert werden. Auch, um die Geschichte der Bornplatzsynagoge widerzuspiegeln. Sie war mit 1400 Plätzen die größte Synagoge Norddeutschlands. Heute zählt die Gemeinde 2340 Mitglieder, und daher sind nun 600 Plätze geplant. »Das bietet räumlich die Chance für eine kleine Tagessynagoge, einen Festsaal, für Gemeinderäume, eine Mikwe, eine Bibliothek, Jugendzentrum und eine Wohnung für den Rabbiner«, erläuterte Lorch. Auch an Veranstaltungsräume und ein Café auf der Seite zum Grindelhof ist gedacht, um damit das Synagogen-Ensemble für alle Bürgerinnen und Bürger zu öffnen.
Die Machbarkeitsstudie ist ein erster großer Schritt zum Synagogenbau, nun folgt der Architektenwettbewerb, der Ende 2023 abgeschlossen sein soll, danach könne sich erst eine exakte Kostenkalkulation ergeben, so Tschentscher.
»Ihre Zerstörung durch die Nationalsozialisten hat eine große Lücke in der Stadt hinterlassen.«
Zentralratspräsident Josef Schuster
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, sagte dazu: »Die Bornplatzsynagoge war ein bedeutsamer und sichtbarer Bestandteil jüdischen Lebens in Hamburg. Ihre Zerstörung durch die Nationalsozialisten hat eine große Lücke in der Stadt hinterlassen.« Er freue sich, dass es gemäß der vorgestellten Machbarkeitsstudie möglich erscheint, den Wiederaufbau zu realisieren.
Kosten In der Machbarkeitsstudie werden die Kosten weit gefasst. Für die geplanten Gebäude mit Außenanlagen bis zu Baunebenkosten werden 153 bis 223 Millionen Euro veranschlagt. Vom Bund zugesagt sind 65.000 Millionen Euro, wenn die Stadt Hamburg die gleiche Summe zur Verfügung stellt. Die Kosten für das Gebäude der traditionellen Synagoge sollen mit bis 60 Millionen Euro kalkuliert werden, die Synagoge für die Reformgemeinde mit bis zu 41 Millionen Euro, die Bibliothek mit bis zu sieben Millionen Euro.
Hinzu käme noch ein Erweiterungsbau für die benachbarte Talmud-Tora-Schule mit Kindergarten und Sporthalle, die bis zu 34 Millionen Euro kosten könnte. Als Baubeginn ist das Jahr 2029 angedacht. Eine unbekannte Variable gibt es noch. Niemand weiß bis jetzt, was sich unter dem Fundament der ehemaligen Bornplatzsynagoge befindet. Ein Keller mit Mikwe?