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Kaufungen

Grüne Botschafter

Umweltschutz ist praktiziertes Judentum», heißt es auf der Internetseite «Jews Go Green». Leben Juden umweltbewusster als andere? Immerhin bieten die Traditionen und die Mizwot offenbar vielfältige Ansätze für ein solches Leben. «Da schöpfen wir aus einem alten Wissen, man muss das Rad nicht neu erfinden», meint die 40-jährige Chana Bennett aus Köln, eine der Teilnehmer eines Seminars für «jüdische Umweltbotschafter» im nordhessischen Kaufungen bei Kassel. «Die Welt ändert sich nur dann, wenn du dich änderst», lautete das Motto dieser Veranstaltung, die den Botschaftern das nötige Handwerkszeug vermitteln sollte.

Basisorientiert Vor zwei Jahren hatte der Zentralrat der Juden das Projekt «Jews Go Green» ins Leben gerufen. Was mit einer Internetplattform begonnen hatte, wurde später mit einem Seminar fortgesetzt. Das damalige Konzept sei jedoch viel zu stark am Top-Down-Modell orientiert gewesen, erinnert sich Projektleiterin Agata Kaplon selbstkritisch. Die Menschen an der Basis seien damit nicht wirklich erreicht worden. Aus dieser Einsicht wurde die Idee geboren, Multiplikatoren in den Gemeinden zu suchen, die Netzwerke bilden und dann mit kleinen Projekten ganz konkret etwas bewegen.

Ziel der Veranstaltung in Kaufungen war nicht nur, Visionen für ein umweltbewusstes Leben zu entwickeln, sondern auch, mit ganz konkrete Projekten und Schritten zurück in die Gemeinden zu gehen. Später, kündigte Agata Kaplon an, soll gemeinsam überprüft werden, wie weit die Ideen in der Realisierung gediehen sind, wo es hakt und wo Unterstützung nötig ist.

Dialog Die Teilnehmer kamen aus ganz verschiedenen Communitys, unter ihnen waren Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, daneben gab es Israelis oder Juden aus anderen europäischen Ländern, orthodoxe wie säkulare. Kaplon sah dann auch einen Nebeneffekt des Seminars darin, dass in Kaufungen Menschen in einen Dialog treten konnten, die im Alltag selten oder nie Kontakt miteinander haben.

Umweltbewusstes Leben ist inzwischen nichts Exotisches mehr, sondern für viele Menschen fast Alltag geworden – kein Nischenthema mehr wie früher. Die jüdischen Gemeinden in Deutschland, sagt Agata Kaplon, hatten freilich in den vergangenen Jahrzehnten andere Sorgen, als sich um Ökologie zu kümmern. Da galt es zunächst, das Ankommen der zahlreichen Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion zu organisieren, ein funktionierendes Gemeindeleben aufzubauen. Nun scheint die Zeit reif, sich auch anderen drängenden Problemen zu widmen.

Multiplikatoren Für das Multiplikatorenseminar in Kaufungen wurden – unter anderem über Facebook – vor allem junge Erwachsene angesprochen. «Sie sind die Zukunft der Gemeinden», sagt Kaplon. Einige von ihnen sind Lehrer, haben so Kontakt mit Kindern und Jugendlichen und sind damit die besten Multiplikatoren für die «grünen Werte des Judentums», wie sie unter www.jewsgogreen.de propagiert werden.

Das Seminar in Kaufungen, das passenderweise in den Räumen einer ökologisch orientierten Kommune stattfand, sollte den Teilnehmern, die vor allem aus den großen Gemeinden in Köln und Berlin kamen, zum einen diese ökologischen Werte bewusst machen, zum anderen jedoch auch schlicht das praktische Handwerkszeug vermitteln, wie Ideen kreiert und realisiert werden. Und wie man Partner dafür findet. »

Geschichten Gute Projekte werden nicht von einzelnen Leuten realisiert, man braucht ein Netzwerk», so Kaplon. Da könne mitunter schon ein Freund oder ein Familienmitglied helfen. Doch um mit einem Projekt andere Leute anzustecken, braucht man nicht nur die richtigen Werte, sondern auch eine authentische Geschichte», lautet Kaplons Überzeugung. Deshalb war das Geschichtenerzählen ein wichtiges Element des Seminars. Beim Start eines Projekts lediglich das Know-how zu vermitteln, genüge nicht, dann fehle «die Seele», meint Kaplon. Deshalb lernten die Seminarteilnehmer auch, ihre Idee mit einer ganz persönlichen Geschichte zu verknüpfen.

Die in Kaufungen behandelten Themen basierten auf den religiösen Texten, die gelesen und besprochen wurden. «Ohne dieses Element hätte es irgendein beliebiges Seminar sein können», erinnerte Kaplon an die jüdische Komponente der Veranstaltung, den «spirituellen Motor». So erzähle der Schöpfungsmythos von der engen Verbindung des Menschen mit der Erde. Die Schmitta mit ihrer Vorschrift, ein Feld alle sieben Jahre ruhen zu lassen, oder das halachische Verbot von Verschwendung sind für Kaplon traditionell angelegte Hinweise für ein ökologisch bewusstes Leben: «Wir müssen also nicht lange suchen.»

Vorreiter Auch für Shira Rademacher aus Köln, die in Düsseldorf als Religionslehrerin arbeitet, sind die ökologischen Aspekte im Judentum «ganz offensichtlich», schließlich werde die Natur vielfältig verherrlicht. Man müsse sich einfach nur auf diese alten Traditionen besinnen, meint die 30-Jährige, die Schüler von der ersten bis zur zwölften Klasse unterrichtet. Für sie hat das Seminar in Kaufungen außer Motivation auch das Gefühl gebracht, «Vorreiter zu sein».

Ihr Mann Joshua, der Betriebswirtschaft studiert und nebenbei in einer Werbeagentur arbeitet, wurde in Kaufungen inspiriert, über die Gründung eines Start-up-Unternehmens nachzudenken, «vielleicht mit einer umweltfreundlichen Idee». Für den 32-Jährigen gehört das Thema bewusste Ernährung zum Alltag, und er sieht eine ganz natürliche Verbindung zwischen dem ökologischen Gedanken und seinem BWL-Studium. Schließlich wolle er künftig «etwas tun, das die Welt schöner macht».

Chana Bennett, die in der Kölner Synagogen-Gemeinde für das Management von Veranstaltungen zuständig ist, hat beim letzten Sukkot-Fest schon mal «ein paar Umweltthemen eingebaut». Sie meint, dass der Ökologie-Gedanke im Alltag präsent, aber nur selten wirklich bewusst ist: «Wir haben einen großen Fundus, auf den wir zurückgreifen können.» Sie arbeitet mit Menschen im Alter zwischen etwa 25 und 45 Jahren, bei ihren Veranstaltungen treffen sich Jugendliche und Erwachsene. Im Herbst will sie mit ihren Gruppen einen Garten besuchen.

«Ich würde zum Thema Umwelt gern mehr im Religionsunterricht machen, doch es fehlt an Material in deutscher Sprache», beklagt Jana Vilensky. Die 37-Jährige unterrichtet außer Religion auch Hebräisch an der Lauder-Morijah-Schule in Köln, an der rund 60 Kinder lernen. Sie denkt darüber nach, wie sie Öko-Themen noch stärker in ihren Unterricht einbauen und vielleicht ein kleines Netzwerk mit Chana Bennett knüpfen kann.

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