Mitzvah Day

Grün ist eine Marke

Werben für den Mitzvah Day Foto: Marco Limberg

Zeit ist wohl das Gut, das die Menschen des 21. Jahrhunderts am wenigsten besitzen. Umso wertvoller ist es, anderen Menschen seine Zeit zu schenken. Dies ist ein Grundgedanke des Mitzvah Days, der in Deutschland in diesem Jahr zum fünften Mal organisiert wird. Aus einer Idee, die vor allem aus den englischsprachigen Ländern kam und dort schon seit Jahren umgesetzt wird, ist auch hierzulande eine Bewegung geworden.

Inzwischen findet sie regelmäßig im November statt, im Cheschwan, einem dafür sehr geeigneten Monat, wie Hannah Dannel findet, die für den Zentralrat die Aktivitäten koordiniert. Die Hohen Feiertage sind vorüber, jetzt können gute Vorsätze umgesetzt werden. Und das tun viele Gruppen und Initiativen. Auf der Webseite des Zentralrats laufen derweil die Angebote aus den verschiedenen Gemeinden, aus Kindergärten, Jugendzentren und Studentengruppen zusammen.

Akteure Die Lichtigfeld-Schule in Frankfurt ist mit rund 20 verschiedenen Aktionen einer der Hauptakteure. Nurith Schönfeld wird die Aktionen nach den Herbstferien auf die Webseite des Zentralrats stellen. »Wir haben 27 Klassen, und entsprechend viele Projekte wollten wir ursprünglich anbieten. Wir haben uns dann aber doch darauf geeinigt, einige Aktionen zusammenzulegen«, erzählt die Religionslehrerin der Frankfurter Schule.

Zumindest sollten alle Themen, die die Mitzvah-Day-Plattform anbietet, abgedeckt werden: »Sonnenschein für Senioren«, »Babait (Zuhause) Veranstaltungen für die eigene Gemeinde«, »Juzes Care«, »Päckchen für ein Lächeln«, »Treffen der Generationen«, »Ein Tag Unterhaltung« und viele andere. Lichtigfeld-Schüler gehen unter anderem in den Kindergarten, um mit den Jüngeren Schabbat zu feiern. Eine andere Klasse backt Kekse und Muffins, um sie den Security-Leuten und Polizisten zu schenken, die Tag für Tag für ihre Sicherheit sorgen. Andere Kinder malen Grußkarten für die Senioren in der Budge-Stiftung.

Nurith Schönfeld ist begeistert von der Initiative ihrer Schüler. Besonders freut sie sich auf eine gemeinsame Aktion mit dem Hessischen Rundfunk. Unter dem Motto »#95neuethesen« beteiligten sie sich mit dem Slogan »Du bist verantwortlich, auch für das, was du nicht tust«, und besuchten einen Erste-Hilfe-Kurs, um später den Schulsanitätsdienst zu übernehmen. Weihnukka ist Thema einer weiteren Klasse, die Grußkarten entwirft, die auf der einen Seite eine Chanukkia zeigen und auf der anderen Seite einen Tannenbaum.

»Dem Ideenreichtum sind keine Grenzen gesetzt«, sagt Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats, der sich über den Erfolg des Mitzvah Days freut. »Tikkun Olam, die Welt ein bisschen besser zu machen, wird hierbei besonders gut umgesetzt.« Und der Eifer der Gemeinden scheint ungebrochen. »Manche haben angefragt, ob sie denn schon vor dem eigentlichen Termin etwas veranstalten könnten und zum 19. November noch einmal.« Enthusiasmus und Engagement beeindrucken Botmann: »Wahnsinn, was die Teilnehmer alles auf die Beine stellen.«

Experiment Dabei begann der Mitzvah Day eher als Experiment. »Wir waren uns nicht sicher, ob er angenommen wird«, sagt Botmann. Er wurde. Auch wenn man vielleicht die Anzahl der Aktivitäten des Vorjahres nicht immer steigern kann. Der Tag ist inzwischen etabliert und steht fest im Terminkalender. Hierbei können auch die kleinsten Gemeinden mitmachen, denn es gilt: kleiner Aufwand – große Wirkung.

Die »alten Hasen« des Mitzvah Day haben längst Projekte entwickelt, die regelmäßig stattfinden, sei es das Vorlesen im Altenzentrum oder die Pflege von Friedhöfen. Kitas, Jugendzentren, Studentengruppen, alle machen mit. Auch Gemeinden, die nicht Mitglieder des Zentralrats sind, beteiligen sich: von Flensburg bis Augsburg, von Aachen bis Dresden. Nachahmenswert findet Botmann, was sich vor allem Kinder einfallen lassen.

In diesem Jahr steht der Tag der guten Taten unter dem Motto »Gutes tun tut gut«. Es steht auf jedem T-Shirt, den Aufklebern und Grußkarten. Im Büro von Hannah Dannel stapeln sich die Kisten mit den Merchandising-Produkten. Jede Gruppe, die sich anmeldet, erhält Sets, um auch nach außen hin den Mitzvah Day zu repräsentieren. Dafür steht ein lichtes Grün, das weltweit die Farbe des Mitzvah Day ist. »Für die Teilnehmer ist es schön zu wissen, dass sie in eine große Gemeinschaft eingebunden sind, erkennbar an ihrem Outfit«, betont Botmann. 500 grüne Rucksäcke, 700 T-Shirts, 5000 Aufkleber und Luftballons oder Wimpel werden in den nächsten Wochen an die Teilnehmer verschickt.

Motto Nicht nur das Motto ändert sich Jahr für Jahr, auch der Schwerpunkt der guten Taten. Jugendliche haben in der Vergangenheit zum Beispiel mitgearbeitet, Flüchtlingsunterkünfte herzurichten, haben beim Renovieren von sozialen Einrichtungen oder Kindertagesstätten geholfen. Dabei musste es sich nicht unbedingt um jüdische Einrichtungen handeln. »Wir wollten bewusst nach draußen gehen und die jüdischen Werte Tikkun Olam (die Welt verbessern), Zedek (Gerechtigkeit) oder Gemilut Chassadim (Mildtätigkeit) vermitteln«, sagt Botmann.

2015 war das Jahr der großen Flüchtlingsströme. Entsprechend half man am Mitzvah Day, Unterkünfte herzurichten und Kleiderspenden zu sammeln. In Berlin verteilte Zentralratspräsident Josef Schuster Hummus an Flüchtlinge. In diesem Jahr besucht der Zentralrat eine Suppenküche der Franziskanermönche in Pankow und wird ein kleines Programm mit Musik anbieten sowie bei der Essensausgabe an Obdachlose und Bedürftige helfen.

Viele Projekte werden sich am 19. November aber auch der Erinnerung widmen. Die Akteure sammeln Laub ein, säubern Grabsteine, begeben sich auf jüdische Spurensuche oder polieren Stolpersteine. Wer mitmachen möchte, aber noch keine Idee hat, was er anbieten könnte, kann sich Tipps bei Hannah Dannel holen. Noch sind es 30 Tage, um sich für den Mitzvah Day anzumelden und seine Zeit anderen Menschen zu schenken.

www.mitzvah-day.de

Gemeinden

Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagt in München

Das oberste Entscheidungsgremium des jüdischen Dachverbands kommt traditionell einmal im Jahr zusammen – am letzten Sonntag im November

 23.11.2024

Porträt der Woche

Familie als Sujet

Elinor Sahm ist Israelin, Künstlerin, Mutter und lebt jetzt in Berlin

von Alicia Rust  23.11.2024

Berlin

Hommage an jiddische Broadway-Komponisten

Michael Alexander Willens lässt die Musik seiner Großväter während der »Internationalen Tage Jüdischer Musik und Kultur« erklingen

von Christine Schmitt  21.11.2024

Leo-Baeck-Preis

»Die größte Ehre«

BVB-Chef Hans-Joachim Watzke erhält die höchste Auszeichnung des Zentralrats der Juden

von Detlef David Kauschke  21.11.2024

Düsseldorf

Für Ausgleich und Verständnis

Der ehemalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet erhielt die Josef-Neuberger-Medaille

von Stefan Laurin  21.11.2024

Jubiläum

Religionen im Gespräch

Vor 75 Jahren wurde der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit gegründet

von Claudia Irle-Utsch  21.11.2024

Engagement

Helfen macht glücklich

150 Aktionen, 3000 Freiwillige und jede Menge positive Erlebnisse. So war der Mitzvah Day

von Christine Schmitt  20.11.2024

Volkstrauertag

Verantwortung für die Menschlichkeit

Die Gemeinde gedachte in München der gefallenen jüdischen Soldaten des Ersten Weltkriegs

von Vivian Rosen  20.11.2024

München

»Lebt euer Leben. Feiert es!«

Michel Friedman sprach in der IKG über sein neues Buch – und den unbeugsamen Willen, den Herausforderungen seit dem 7. Oktober 2023 zu trotzen

von Luis Gruhler  20.11.2024