Augsburg

Gotteshaus in Originalgestalt

Innenraum der Augsburger Synagoge Foto: Steffen Leiprecht

Im Eingangshof der Augsburger Synagoge ist ein außergewöhnliches Zeichen in den Steinboden eingelassen: ein Davidstern, der in seiner Mitte eine Zirbelnuss umschließt – das Augsburger Wahrzeichen. Es hat die Form eines Pinienzapfens und geht zurück auf ein Feldzeichen der Römer. »Seine Kombination mit dem Davidstern macht das Selbstverständnis der jüdischen Gemeinde von damals deutlich«, sagt Torsten Lattki. »Es drückt aus: Wir sind Juden – und wir sind Augsburger.«

Mit »damals« meint der Sprecher des Jüdischen Kulturmuseums in Augsburg die Zeit vor 100 Jahren. Am 4. April 1917 weihte die Augsburger jüdische Gemeinde ihre neue Synagoge ein. Unweit des Königsplatzes, mitten im Stadtzentrum, hatten die beiden Architekten Fritz Landauer (1883–1968) und Heinrich Lömpel (1877–1951) einen Monumentalbau errichtet, dessen Kuppel bis in 29 Meter Höhe reichte.

ns-zeit Bis heute ist der Bau in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten. »Ein sehr seltenes Jubiläum« feiere man deshalb in diesem Jahr, sagt Benigna Schönhagen, die Leitern des Jüdischen Kulturmuseums. Denn fast alle Synagogen in Deutschland wurden in der Zeit des Nationalsozialismus zerstört oder nach dem Krieg abgerissen. »Als einzige Großstadtsynagoge in Bayern und eine der ganz wenigen in Deutschland hat die Augsburger Synagoge die NS-Zeit überlebt«, erläutert Schönhagen.

Dabei hatten die Nationalsozialisten am 10. November 1938 die Augsburger Synagoge ebenfalls geschändet und in Brand gesetzt. Weil jedoch gegenüber eine Tankstelle lag, drohten auch die Häuser der nichtjüdischen Nachbarn in Brand zu geraten. Der NS-Gauleiter ließ daher das Feuer löschen. So blieb die Synagoge erhalten.

»Von den ehemals 1000 Gemeindemitgliedern war jedoch die Hälfte deportiert oder ermordet worden, die andere Hälfte emigrierte«, berichtet Schönhagen. Nur zwei Dutzend Augsburger Juden kehrten nach dem Krieg zurück. Zusammen mit vertriebenen polnischen Juden gründeten sie eine neue Gemeinde. Sie sorgte dafür, dass ein Teil der Synagoge wieder als Gotteshaus genutzt werden konnte. Erst 1985 jedoch wurde die Sanierung des großen Innenraums abgeschlossen.

kultraum Heute ist der beeindruckende Kultraum wieder das Herzstück des Gebäudes. Die zahlreichen Verzierungen im orientalischen Stil kennzeichnen die Synagoge als Bau der »jüdischen Renaissance«, erläutert Benigna Schönhagen: »Anfang des 20. Jahrhunderts besannen sich die deutschen Juden wieder auf ihre Wurzeln und Traditionen. Die Augsburger Gemeinde war aber durchaus liberal gesinnt.«

Dies machen unter anderem die zahlreichen Figuren-Darstellungen in der Synagoge deutlich: Wegen des sogenannten Bilderverbots gibt es in jüdischen Synagogen normalerweise keine dreidimensionalen Darstellungen von Gott, Menschen oder Tieren.

Bis heute wird die Synagoge von einer jüdischen Gemeinde genutzt. Sie ist sogar größer als die Gründergemeinde. Die rund 1500 Mitglieder sind fast alle Juden aus der ehemaligen Sowjetunion. Einige von ihnen arbeiten auch im Jüdischen Kulturmuseum, das nach der Sanierung 1985 in der Synagoge eingerichtet wurde. Gut 29.000 Besucher verzeichnete das Museum 2016. Etwa die Hälfte davon sind Schulklassen aus ganz Süddeutschland. Sie können in Augsburg nicht nur eine Synagoge in Originalgestalt besichtigen, betont die Museumsleiterin: »Sie bekommen auch jüdisches Leben in der Gegenwart mit. Das gibt es sonst fast nirgends.«

jubiläum Zu Besuch kommen aber auch Juden aus der ganzen Welt. So wird es beim offiziellen Jubiläum im Juni ein besonderes Treffen geben. Unter dem Titel »Augsburg Reunion« hat das Museum Nachfahren von Familien eingeladen, die die Nationalsozialisten aus Augsburg vertrieben haben.

Rund 70 Personen haben bisher ihr Kommen zugesagt, darunter auch Mitglieder der aus Augsburg stammenden Architektenfamilie Landauer. Dabei kennen viele der Nachfahren die Synagoge – obwohl sie noch gar nicht hier waren, berichtet Benigna Schönhagen: »Ihre Großeltern haben ihnen oft von den ›feierlichen und erhabenen Gottesdiensten‹ in der Augsburger Synagoge vorgeschwärmt.«

Oldenburg

Judenfeindliche Schmierereien nahe der Oldenburger Synagoge   

Im vergangenen Jahr wurde die Oldenburger Synagoge Ziel eines Anschlags. Nun meldet eine Passantin eine antisemitische Parole ganz in der Nähe. Die Polizei findet darauf noch mehr Schmierereien

 21.02.2025

Berlin

Wladimir Kaminer verkauft Wohnung über Facebook

Mit seiner Partyreihe »Russendisko« und vielen Büchern wurde Wladimir Kaminer bekannt. Für den Verkauf einer früheren Wohnung braucht er keinen Makler

 20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

Thüringen

Antisemitismus-Beauftragter soll »zeitnah« ernannt werden

Seit Dezember ist der Posten unbesetzt. Dem Gemeindevorsitzenden Schramm ist es wichtig, dass der Nachfolger Zeit mitbringt

 19.02.2025

Weimar

Erlebtes Wissen

Eine Fortbildung für Leiter jüdischer Jugendzentren befasste sich mit der Frage des zeitgemäßen Erinnerns. Unsere Autorin war vor Ort dabei

von Alicia Rust  18.02.2025

Bundestagswahl

Scharfe Worte

Über junge politische Perspektiven diskutierten Vertreter der Jugendorganisation der demokratischen Parteien in der Reihe »Tachles Pur«

von Pascal Beck  18.02.2025

Justiz

Vorbild und Zionist

Eine neue Gedenktafel erinnert an den Richter Joseph Schäler, der bis 1943 stellvertretender IKG-Vorsitzender war

von Luis Gruhler  18.02.2025

Emanzipation

»Die neu erlangte Freiheit währte nur kurz«

Im Münchner Wirtschaftsreferat ist eine Ausstellung über »Jüdische Juristinnen« zu sehen

von Luis Gruhler  18.02.2025

Portät der Woche

Magische Momente

German Nemirovski lehrt Informatik und erforscht den Einsatz Künstlicher Intelligenz

von Gerhard Haase-Hindenberg  16.02.2025